Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

A. Blanke Waffen. 1. Das Schwert.
gesteckt und verknüpft wurde. Diese Befestigung war so unbequem
und umständlich, dass die Krieger beim Nichtgebrauche das Schwert
mit dem um die Scheide gewickelten Riemen in der Hand trugen. Als
im 13. Jahrhundert die tiefen Waffengürtel (dupsing) in Gebrauch
kamen, wurde das Schwert an Ringen an diesem Gürtel getragen
und bei der tiefen Stellung desselben an den Lenden zu Fuss rück-
wärts am Boden nachgeschleppt. Eine praktischere Befestigung des
Leibriemens durch Schnallen oder Haken, der Schwertscheide durch
Schleifen wird erst im 14. Jahrhundert allgemeiner. (Fig. 287.) Vom
Anfange des 16. Jahrhunderts datieren die aus Italien gekommenen
Taschen, in denen die Schwertscheide ruht. Um die Mitte des
Jahrhunderts bestehen diese Taschen aus 3 und bis zu 6 schmalen
Riemen, die geschnallt sind und an einem Haken am Gürtel hängen.
Ein schmaler Riemen läuft von der Tasche gegen die Mitte des
Leibes an den Gürtel, um das Schlenkern zu verhindern. (Fig. 326.)
So bleiben die Schwertgehänge bis gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts,
um welche Zeit die französische Art des Tragens über die rechte Schulter
üblich wird. In dieser Art behalten die Taschen anfänglich noch
die alte Form. Gegen das Ende des Jahrhunderts erscheint die
Seitenwaffe mittelst der sogenannten Steckkuppel um die Mitte des
Leibes geschnallt.

Seit dem 12. Jahrhundert hatte sich allmählich die Überzeugung
herausbildet, dass das Schwert für den Hieb allein auf die Pan-
zerung des Gegners eine nur geringe Wirkung hatte; infolge dessen,
wie wir gesehen haben, die Klingen spitz zulaufend gestaltet werden,
um sie auch für den Stich gebrauchen zu können. Bei der äusserst
soliden Fertigung des Lentners im 14. Jahrhundert, der an den
Achseln, am unteren Brustteile, den Armgelenken etc. bald durch
Platten verstärkt wurde, genügte auch diese Umbildung nicht mehr,
die Klingen waren zu breit und auch zu biegsam, um zwischen den
Geschieben in den Körper eindringen zu können. Das führte am
Ende des 14. Jahrhunderts zur Einführung der Bohrschwerter
(perswerte, auch pratspiesse genannt) (Fig. 288), welche in der Form
langer Pfriemen mit drei- oder vierseitigem Querschnitte und stumpfen
Kanten nur für den Stoss zu gebrauchen waren. Die Spitzen dieser
Klingen haben in der Regel eine ungemeine Härte. Aus den Bohr-
schwertern, welche schwer zu regieren waren, bildete sich im 16. Jahr-
hundert eine ähnliche leichtere Schwertgattung heraus: der Panzer-
stecher
, der im westlichen Europa in der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts verschwand, um den von Spanien aus in die
Mode gekommenen Stossdegen Platz zu machen. In dieser Periode
schien es als würde die Stichwaffe die Hiebwaffe völlig verdrängen,
ja italienische Fusstruppen führten um 1560 neben den noch üblichen
Schlachtschwertern (Zweihändern, Bidenhandern) auch zweihändige
Stecher von oft riesenhafter Länge. In der Türkei, in Ungarn und

A. Blanke Waffen. 1. Das Schwert.
gesteckt und verknüpft wurde. Diese Befestigung war so unbequem
und umständlich, daſs die Krieger beim Nichtgebrauche das Schwert
mit dem um die Scheide gewickelten Riemen in der Hand trugen. Als
im 13. Jahrhundert die tiefen Waffengürtel (dupsing) in Gebrauch
kamen, wurde das Schwert an Ringen an diesem Gürtel getragen
und bei der tiefen Stellung desselben an den Lenden zu Fuſs rück-
wärts am Boden nachgeschleppt. Eine praktischere Befestigung des
Leibriemens durch Schnallen oder Haken, der Schwertscheide durch
Schleifen wird erst im 14. Jahrhundert allgemeiner. (Fig. 287.) Vom
Anfange des 16. Jahrhunderts datieren die aus Italien gekommenen
Taschen, in denen die Schwertscheide ruht. Um die Mitte des
Jahrhunderts bestehen diese Taschen aus 3 und bis zu 6 schmalen
Riemen, die geschnallt sind und an einem Haken am Gürtel hängen.
Ein schmaler Riemen läuft von der Tasche gegen die Mitte des
Leibes an den Gürtel, um das Schlenkern zu verhindern. (Fig. 326.)
So bleiben die Schwertgehänge bis gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts,
um welche Zeit die französische Art des Tragens über die rechte Schulter
üblich wird. In dieser Art behalten die Taschen anfänglich noch
die alte Form. Gegen das Ende des Jahrhunderts erscheint die
Seitenwaffe mittelst der sogenannten Steckkuppel um die Mitte des
Leibes geschnallt.

Seit dem 12. Jahrhundert hatte sich allmählich die Überzeugung
herausbildet, daſs das Schwert für den Hieb allein auf die Pan-
zerung des Gegners eine nur geringe Wirkung hatte; infolge dessen,
wie wir gesehen haben, die Klingen spitz zulaufend gestaltet werden,
um sie auch für den Stich gebrauchen zu können. Bei der äuſserst
soliden Fertigung des Lentners im 14. Jahrhundert, der an den
Achseln, am unteren Brustteile, den Armgelenken etc. bald durch
Platten verstärkt wurde, genügte auch diese Umbildung nicht mehr,
die Klingen waren zu breit und auch zu biegsam, um zwischen den
Geschieben in den Körper eindringen zu können. Das führte am
Ende des 14. Jahrhunderts zur Einführung der Bohrschwerter
(perswerte, auch pratspieſse genannt) (Fig. 288), welche in der Form
langer Pfriemen mit drei- oder vierseitigem Querschnitte und stumpfen
Kanten nur für den Stoſs zu gebrauchen waren. Die Spitzen dieser
Klingen haben in der Regel eine ungemeine Härte. Aus den Bohr-
schwertern, welche schwer zu regieren waren, bildete sich im 16. Jahr-
hundert eine ähnliche leichtere Schwertgattung heraus: der Panzer-
stecher
, der im westlichen Europa in der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts verschwand, um den von Spanien aus in die
Mode gekommenen Stoſsdegen Platz zu machen. In dieser Periode
schien es als würde die Stichwaffe die Hiebwaffe völlig verdrängen,
ja italienische Fuſstruppen führten um 1560 neben den noch üblichen
Schlachtschwertern (Zweihändern, Bidenhandern) auch zweihändige
Stecher von oft riesenhafter Länge. In der Türkei, in Ungarn und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0267" n="249"/><fw place="top" type="header">A. Blanke Waffen. 1. Das Schwert.</fw><lb/>
gesteckt und verknüpft wurde. Diese Befestigung war so unbequem<lb/>
und umständlich, da&#x017F;s die Krieger beim Nichtgebrauche das Schwert<lb/>
mit dem um die Scheide gewickelten Riemen in der Hand trugen. Als<lb/>
im 13. Jahrhundert die tiefen Waffengürtel (dupsing) in Gebrauch<lb/>
kamen, wurde das Schwert an Ringen an diesem Gürtel getragen<lb/>
und bei der tiefen Stellung desselben an den Lenden zu Fu&#x017F;s rück-<lb/>
wärts am Boden nachgeschleppt. Eine praktischere Befestigung des<lb/>
Leibriemens durch Schnallen oder Haken, der Schwertscheide durch<lb/>
Schleifen wird erst im 14. Jahrhundert allgemeiner. (Fig. 287.) Vom<lb/>
Anfange des 16. Jahrhunderts datieren die aus Italien gekommenen<lb/><hi rendition="#g">Taschen</hi>, in denen die Schwertscheide ruht. Um die Mitte des<lb/>
Jahrhunderts bestehen diese Taschen aus 3 und bis zu 6 schmalen<lb/>
Riemen, die geschnallt sind und an einem Haken am Gürtel hängen.<lb/>
Ein schmaler Riemen läuft von der Tasche gegen die Mitte des<lb/>
Leibes an den Gürtel, um das Schlenkern zu verhindern. (Fig. 326.)<lb/>
So bleiben die Schwertgehänge bis gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts,<lb/>
um welche Zeit die französische Art des Tragens über die rechte Schulter<lb/>
üblich wird. In dieser Art behalten die Taschen anfänglich noch<lb/>
die alte Form. Gegen das Ende des Jahrhunderts erscheint die<lb/>
Seitenwaffe mittelst der sogenannten <hi rendition="#g">Steckkuppel</hi> um die Mitte des<lb/>
Leibes geschnallt.</p><lb/>
            <p>Seit dem 12. Jahrhundert hatte sich allmählich die Überzeugung<lb/>
herausbildet, da&#x017F;s das Schwert für den Hieb allein auf die Pan-<lb/>
zerung des Gegners eine nur geringe Wirkung hatte; infolge dessen,<lb/>
wie wir gesehen haben, die Klingen spitz zulaufend gestaltet werden,<lb/>
um sie auch für den Stich gebrauchen zu können. Bei der äu&#x017F;serst<lb/>
soliden Fertigung des Lentners im 14. Jahrhundert, der an den<lb/>
Achseln, am unteren Brustteile, den Armgelenken etc. bald durch<lb/>
Platten verstärkt wurde, genügte auch diese Umbildung nicht mehr,<lb/>
die Klingen waren zu breit und auch zu biegsam, um zwischen den<lb/>
Geschieben in den Körper eindringen zu können. Das führte am<lb/>
Ende des 14. Jahrhunderts zur Einführung der <hi rendition="#g">Bohrschwerter</hi><lb/>
(perswerte, auch pratspie&#x017F;se genannt) (Fig. 288), welche in der Form<lb/>
langer Pfriemen mit drei- oder vierseitigem Querschnitte und stumpfen<lb/>
Kanten nur für den Sto&#x017F;s zu gebrauchen waren. Die Spitzen dieser<lb/>
Klingen haben in der Regel eine ungemeine Härte. Aus den Bohr-<lb/>
schwertern, welche schwer zu regieren waren, bildete sich im 16. Jahr-<lb/>
hundert eine ähnliche leichtere Schwertgattung heraus: der <hi rendition="#g">Panzer-<lb/>
stecher</hi>, der im westlichen Europa in der zweiten Hälfte des<lb/>
16. Jahrhunderts verschwand, um den von Spanien aus in die<lb/>
Mode gekommenen <hi rendition="#g">Sto&#x017F;sdegen</hi> Platz zu machen. In dieser Periode<lb/>
schien es als würde die Stichwaffe die Hiebwaffe völlig verdrängen,<lb/>
ja italienische Fu&#x017F;struppen führten um 1560 neben den noch üblichen<lb/>
Schlachtschwertern (Zweihändern, Bidenhandern) auch zweihändige<lb/>
Stecher von oft riesenhafter Länge. In der Türkei, in Ungarn und<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[249/0267] A. Blanke Waffen. 1. Das Schwert. gesteckt und verknüpft wurde. Diese Befestigung war so unbequem und umständlich, daſs die Krieger beim Nichtgebrauche das Schwert mit dem um die Scheide gewickelten Riemen in der Hand trugen. Als im 13. Jahrhundert die tiefen Waffengürtel (dupsing) in Gebrauch kamen, wurde das Schwert an Ringen an diesem Gürtel getragen und bei der tiefen Stellung desselben an den Lenden zu Fuſs rück- wärts am Boden nachgeschleppt. Eine praktischere Befestigung des Leibriemens durch Schnallen oder Haken, der Schwertscheide durch Schleifen wird erst im 14. Jahrhundert allgemeiner. (Fig. 287.) Vom Anfange des 16. Jahrhunderts datieren die aus Italien gekommenen Taschen, in denen die Schwertscheide ruht. Um die Mitte des Jahrhunderts bestehen diese Taschen aus 3 und bis zu 6 schmalen Riemen, die geschnallt sind und an einem Haken am Gürtel hängen. Ein schmaler Riemen läuft von der Tasche gegen die Mitte des Leibes an den Gürtel, um das Schlenkern zu verhindern. (Fig. 326.) So bleiben die Schwertgehänge bis gegen die Mitte des 17. Jahrhunderts, um welche Zeit die französische Art des Tragens über die rechte Schulter üblich wird. In dieser Art behalten die Taschen anfänglich noch die alte Form. Gegen das Ende des Jahrhunderts erscheint die Seitenwaffe mittelst der sogenannten Steckkuppel um die Mitte des Leibes geschnallt. Seit dem 12. Jahrhundert hatte sich allmählich die Überzeugung herausbildet, daſs das Schwert für den Hieb allein auf die Pan- zerung des Gegners eine nur geringe Wirkung hatte; infolge dessen, wie wir gesehen haben, die Klingen spitz zulaufend gestaltet werden, um sie auch für den Stich gebrauchen zu können. Bei der äuſserst soliden Fertigung des Lentners im 14. Jahrhundert, der an den Achseln, am unteren Brustteile, den Armgelenken etc. bald durch Platten verstärkt wurde, genügte auch diese Umbildung nicht mehr, die Klingen waren zu breit und auch zu biegsam, um zwischen den Geschieben in den Körper eindringen zu können. Das führte am Ende des 14. Jahrhunderts zur Einführung der Bohrschwerter (perswerte, auch pratspieſse genannt) (Fig. 288), welche in der Form langer Pfriemen mit drei- oder vierseitigem Querschnitte und stumpfen Kanten nur für den Stoſs zu gebrauchen waren. Die Spitzen dieser Klingen haben in der Regel eine ungemeine Härte. Aus den Bohr- schwertern, welche schwer zu regieren waren, bildete sich im 16. Jahr- hundert eine ähnliche leichtere Schwertgattung heraus: der Panzer- stecher, der im westlichen Europa in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts verschwand, um den von Spanien aus in die Mode gekommenen Stoſsdegen Platz zu machen. In dieser Periode schien es als würde die Stichwaffe die Hiebwaffe völlig verdrängen, ja italienische Fuſstruppen führten um 1560 neben den noch üblichen Schlachtschwertern (Zweihändern, Bidenhandern) auch zweihändige Stecher von oft riesenhafter Länge. In der Türkei, in Ungarn und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/267
Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/267>, abgerufen am 25.11.2024.