Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

A. Blanke Waffen. 1. Das Schwert.
das 2. Drittel der Länge, um die Hiebwucht zu vergrössern und
läuft spitz gegen das Ende zu.

Unter den Germanen, die das Schwert im gewöhnlichen Sinne
erst von den Römern übernahmen, war anfänglich nur das Messer
(sax, altd. sahs, angels, seax) zum Hausgebrauch bekannt, das später
auch im Kampfe dienen musste. (Fig. 259.) Es hatte ursprünglich
eine gebogene Klinge, erst später formte man diese geradelaufend.
Zweifelsohne wurde es im Gefechte auch geworfen. Die Krieger
erachteten jedoch diese Waffe als zu wenig ihren Kräften entspre-
chend; sobald ihnen nur ein Schmied ein grösseres Stück erzeugen
konnte, regte sich der Wunsch nach einer längeren und schwereren
Klinge. So entstand der Langsax mit einschneidiger, 3.5 bis 4
cm. Breite und 40 bis 60 cm. Länge. (Fig. 260.) Seine Form
hat sich mit einigen Veränderungen in den Waidmessern erhalten.
Auch der Langsax erschien dem Germanen zu leicht und wenig
wirksam, der unausgesetzt nach einer gewichtigeren Waffe verlangte.
Aus diesem Streben erwuchs das einschneidige schwere Kurz-
schwert, der Scramasax. Seine Klinge von 6.5 cm. Breite und
44 bis 76 cm. Länge hatte einen Rücken von 6 bis 8 mm. Breite,
Dimensionen, die der Waffe eine ungemeine Wucht geben mussten.
Der Scramasax wurde darum auch an einem langen Griffe mit
beiden Händen geführt. (Fig. 261 und 262.) Das Kurzschwert im
Beowulf wird Breitsax genannt, es scheint damit jedoch ein Scra-
masax bezeichnet zu sein. Eigentümlich ist den Klingen des
Scramasax eine tiefe Blutrinne, die nahe dem Rücken entlang läuft. Die
Form des Scramasax finden wir noch im 9. und selbst im 10. Jahr-
hundert in Bildwerken, welche auf byzantinische Herkunft weisen,
wie am Porphyrrelief an der Markuskirche in Venedig (Fig. 263,)
und in einem Dyptichon im Domschatze zu Halberstadt.

Das einschneidige Hauschwert hatte unter den Germanen selbst
sich herausgestaltet, das gestählte zweischneidige lange Schwert, so
früh es auch bei ihnen Eingang gefunden hatte, übernahmen sie von
fremden Völkern, wenngleich sein Name spatha nordischen Ur-
sprungs ist. In den Händen der Germanen erwuchs dasselbe zu
grösserer Länge und Schwere. In den ältesten Perioden seines Vor-
kommens konnte nur der Wohlhabende eine so mühsam gefertigte
teure Waffe sich verschaffen; das blieb bis in jene Zeit, als unter
den Germanen der Wohlhabende vornehm, der Arme gering wurde.
Bereits unter den Merowingern war das Schwert nur eine Waffe des
Vornehmen, und das ganze Mittelalter hindurch galt dasselbe aus-
schliesslich als ritterliche Waffe.

Unter den Merowingern trug die Masse des Fussvolkes neben
anderen Waffen, wie der framea, einer Art Wurfspiess, und der
francisca, einer Wurfhake, den deutschen Scramasax. In der
Reiterei führte nur der Vornehme ein Schwert, deren zweischneidige

A. Blanke Waffen. 1. Das Schwert.
das 2. Drittel der Länge, um die Hiebwucht zu vergröſsern und
läuft spitz gegen das Ende zu.

Unter den Germanen, die das Schwert im gewöhnlichen Sinne
erst von den Römern übernahmen, war anfänglich nur das Messer
(sax, altd. sahs, angels, seax) zum Hausgebrauch bekannt, das später
auch im Kampfe dienen muſste. (Fig. 259.) Es hatte ursprünglich
eine gebogene Klinge, erst später formte man diese geradelaufend.
Zweifelsohne wurde es im Gefechte auch geworfen. Die Krieger
erachteten jedoch diese Waffe als zu wenig ihren Kräften entspre-
chend; sobald ihnen nur ein Schmied ein gröſseres Stück erzeugen
konnte, regte sich der Wunsch nach einer längeren und schwereren
Klinge. So entstand der Langsax mit einschneidiger, 3.5 bis 4
cm. Breite und 40 bis 60 cm. Länge. (Fig. 260.) Seine Form
hat sich mit einigen Veränderungen in den Waidmessern erhalten.
Auch der Langsax erschien dem Germanen zu leicht und wenig
wirksam, der unausgesetzt nach einer gewichtigeren Waffe verlangte.
Aus diesem Streben erwuchs das einschneidige schwere Kurz-
schwert, der Scramasax. Seine Klinge von 6.5 cm. Breite und
44 bis 76 cm. Länge hatte einen Rücken von 6 bis 8 mm. Breite,
Dimensionen, die der Waffe eine ungemeine Wucht geben muſsten.
Der Scramasax wurde darum auch an einem langen Griffe mit
beiden Händen geführt. (Fig. 261 und 262.) Das Kurzschwert im
Beowulf wird Breitsax genannt, es scheint damit jedoch ein Scra-
masax bezeichnet zu sein. Eigentümlich ist den Klingen des
Scramasax eine tiefe Blutrinne, die nahe dem Rücken entlang läuft. Die
Form des Scramasax finden wir noch im 9. und selbst im 10. Jahr-
hundert in Bildwerken, welche auf byzantinische Herkunft weisen,
wie am Porphyrrelief an der Markuskirche in Venedig (Fig. 263,)
und in einem Dyptichon im Domschatze zu Halberstadt.

Das einschneidige Hauschwert hatte unter den Germanen selbst
sich herausgestaltet, das gestählte zweischneidige lange Schwert, so
früh es auch bei ihnen Eingang gefunden hatte, übernahmen sie von
fremden Völkern, wenngleich sein Name spatha nordischen Ur-
sprungs ist. In den Händen der Germanen erwuchs dasselbe zu
gröſserer Länge und Schwere. In den ältesten Perioden seines Vor-
kommens konnte nur der Wohlhabende eine so mühsam gefertigte
teure Waffe sich verschaffen; das blieb bis in jene Zeit, als unter
den Germanen der Wohlhabende vornehm, der Arme gering wurde.
Bereits unter den Merowingern war das Schwert nur eine Waffe des
Vornehmen, und das ganze Mittelalter hindurch galt dasselbe aus-
schlieſslich als ritterliche Waffe.

Unter den Merowingern trug die Masse des Fuſsvolkes neben
anderen Waffen, wie der framea, einer Art Wurfspieſs, und der
francisca, einer Wurfhake, den deutschen Scramasax. In der
Reiterei führte nur der Vornehme ein Schwert, deren zweischneidige

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0251" n="233"/><fw place="top" type="header">A. Blanke Waffen. 1. Das Schwert.</fw><lb/>
das 2. Drittel der Länge, um die Hiebwucht zu vergrö&#x017F;sern und<lb/>
läuft spitz gegen das Ende zu.</p><lb/>
            <p>Unter den Germanen, die das Schwert im gewöhnlichen Sinne<lb/>
erst von den Römern übernahmen, war anfänglich nur das <hi rendition="#g">Messer</hi><lb/>
(sax, altd. sahs, angels, seax) zum Hausgebrauch bekannt, das später<lb/>
auch im Kampfe dienen mu&#x017F;ste. (Fig. 259.) Es hatte ursprünglich<lb/>
eine gebogene Klinge, erst später formte man diese geradelaufend.<lb/>
Zweifelsohne wurde es im Gefechte auch geworfen. Die Krieger<lb/>
erachteten jedoch diese Waffe als zu wenig ihren Kräften entspre-<lb/>
chend; sobald ihnen nur ein Schmied ein grö&#x017F;seres Stück erzeugen<lb/>
konnte, regte sich der Wunsch nach einer längeren und schwereren<lb/>
Klinge. So entstand der <hi rendition="#g">Langsax</hi> mit einschneidiger, 3.5 bis 4<lb/>
cm. Breite und 40 bis 60 cm. Länge. (Fig. 260.) Seine Form<lb/>
hat sich mit einigen Veränderungen in den Waidmessern erhalten.<lb/>
Auch der Langsax erschien dem Germanen zu leicht und wenig<lb/>
wirksam, der unausgesetzt nach einer gewichtigeren Waffe verlangte.<lb/>
Aus diesem Streben erwuchs das einschneidige schwere Kurz-<lb/>
schwert, der <hi rendition="#g">Scramasax</hi>. Seine Klinge von 6.5 cm. Breite und<lb/>
44 bis 76 cm. Länge hatte einen Rücken von 6 bis 8 mm. Breite,<lb/>
Dimensionen, die der Waffe eine ungemeine Wucht geben mu&#x017F;sten.<lb/>
Der Scramasax wurde darum auch an einem langen Griffe mit<lb/>
beiden Händen geführt. (Fig. 261 und 262.) Das Kurzschwert im<lb/>
Beowulf wird <hi rendition="#g">Breitsax</hi> genannt, es scheint damit jedoch ein Scra-<lb/>
masax bezeichnet zu sein. Eigentümlich ist den Klingen des<lb/>
Scramasax eine tiefe Blutrinne, die nahe dem Rücken entlang läuft. Die<lb/>
Form des Scramasax finden wir noch im 9. und selbst im 10. Jahr-<lb/>
hundert in Bildwerken, welche auf byzantinische Herkunft weisen,<lb/>
wie am Porphyrrelief an der Markuskirche in Venedig (Fig. 263,)<lb/>
und in einem Dyptichon im Domschatze zu Halberstadt.</p><lb/>
            <p>Das einschneidige Hauschwert hatte unter den Germanen selbst<lb/>
sich herausgestaltet, das gestählte zweischneidige lange Schwert, so<lb/>
früh es auch bei ihnen Eingang gefunden hatte, übernahmen sie von<lb/>
fremden Völkern, wenngleich sein Name <hi rendition="#g">spatha</hi> nordischen Ur-<lb/>
sprungs ist. In den Händen der Germanen erwuchs dasselbe zu<lb/>
grö&#x017F;serer Länge und Schwere. In den ältesten Perioden seines Vor-<lb/>
kommens konnte nur der Wohlhabende eine so mühsam gefertigte<lb/>
teure Waffe sich verschaffen; das blieb bis in jene Zeit, als unter<lb/>
den Germanen der Wohlhabende vornehm, der Arme gering wurde.<lb/>
Bereits unter den Merowingern war das Schwert nur eine Waffe des<lb/>
Vornehmen, und das ganze Mittelalter hindurch galt dasselbe aus-<lb/>
schlie&#x017F;slich als ritterliche Waffe.</p><lb/>
            <p>Unter den Merowingern trug die Masse des Fu&#x017F;svolkes neben<lb/>
anderen Waffen, wie der framea, einer Art Wurfspie&#x017F;s, und der<lb/>
francisca, einer Wurfhake, den deutschen <hi rendition="#g">Scramasax</hi>. In der<lb/>
Reiterei führte nur der Vornehme ein Schwert, deren zweischneidige<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[233/0251] A. Blanke Waffen. 1. Das Schwert. das 2. Drittel der Länge, um die Hiebwucht zu vergröſsern und läuft spitz gegen das Ende zu. Unter den Germanen, die das Schwert im gewöhnlichen Sinne erst von den Römern übernahmen, war anfänglich nur das Messer (sax, altd. sahs, angels, seax) zum Hausgebrauch bekannt, das später auch im Kampfe dienen muſste. (Fig. 259.) Es hatte ursprünglich eine gebogene Klinge, erst später formte man diese geradelaufend. Zweifelsohne wurde es im Gefechte auch geworfen. Die Krieger erachteten jedoch diese Waffe als zu wenig ihren Kräften entspre- chend; sobald ihnen nur ein Schmied ein gröſseres Stück erzeugen konnte, regte sich der Wunsch nach einer längeren und schwereren Klinge. So entstand der Langsax mit einschneidiger, 3.5 bis 4 cm. Breite und 40 bis 60 cm. Länge. (Fig. 260.) Seine Form hat sich mit einigen Veränderungen in den Waidmessern erhalten. Auch der Langsax erschien dem Germanen zu leicht und wenig wirksam, der unausgesetzt nach einer gewichtigeren Waffe verlangte. Aus diesem Streben erwuchs das einschneidige schwere Kurz- schwert, der Scramasax. Seine Klinge von 6.5 cm. Breite und 44 bis 76 cm. Länge hatte einen Rücken von 6 bis 8 mm. Breite, Dimensionen, die der Waffe eine ungemeine Wucht geben muſsten. Der Scramasax wurde darum auch an einem langen Griffe mit beiden Händen geführt. (Fig. 261 und 262.) Das Kurzschwert im Beowulf wird Breitsax genannt, es scheint damit jedoch ein Scra- masax bezeichnet zu sein. Eigentümlich ist den Klingen des Scramasax eine tiefe Blutrinne, die nahe dem Rücken entlang läuft. Die Form des Scramasax finden wir noch im 9. und selbst im 10. Jahr- hundert in Bildwerken, welche auf byzantinische Herkunft weisen, wie am Porphyrrelief an der Markuskirche in Venedig (Fig. 263,) und in einem Dyptichon im Domschatze zu Halberstadt. Das einschneidige Hauschwert hatte unter den Germanen selbst sich herausgestaltet, das gestählte zweischneidige lange Schwert, so früh es auch bei ihnen Eingang gefunden hatte, übernahmen sie von fremden Völkern, wenngleich sein Name spatha nordischen Ur- sprungs ist. In den Händen der Germanen erwuchs dasselbe zu gröſserer Länge und Schwere. In den ältesten Perioden seines Vor- kommens konnte nur der Wohlhabende eine so mühsam gefertigte teure Waffe sich verschaffen; das blieb bis in jene Zeit, als unter den Germanen der Wohlhabende vornehm, der Arme gering wurde. Bereits unter den Merowingern war das Schwert nur eine Waffe des Vornehmen, und das ganze Mittelalter hindurch galt dasselbe aus- schlieſslich als ritterliche Waffe. Unter den Merowingern trug die Masse des Fuſsvolkes neben anderen Waffen, wie der framea, einer Art Wurfspieſs, und der francisca, einer Wurfhake, den deutschen Scramasax. In der Reiterei führte nur der Vornehme ein Schwert, deren zweischneidige

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/251
Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/251>, abgerufen am 27.11.2024.