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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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I. Die Schutzwaffen.

Um 1590, als die Reiterei den Spiess ablegte, verschwindet auch
der Rüsthaken von den Bruststücken. Um 1580 fertigen einzelne
Plattner Brust- und Rückenstücke, mit welchen der Kragen derart in
Verbindung ist, dass am Bruststücke der vordere, am Rückenstücke
der hintere Teil an die Oberränder im Geschübe anschliesst und sie beim
Anlegen an den Seiten verbunden werden.

Bevor wir uns zu den den Bruststücken weiters angehörenden
Bestandteilen wenden, sei noch der "Doppelbrust" gedacht. Sie
gehört zu den Verstärkungsstücken, wurde über das Bruststück gelegt
und an der Mitte mittelst eines Klobens, um den Leib mittelst Riemen
befestigt. (Fig. 104.) Ihre Form ist verschieden; zuweilen deckt
sie nur die untere Hälfte, in der Regel reicht sie bis an den oberen
Brustrand. An der Stelle des Rüsthakens ist dieselbe ausgeschnitten.
(Fig. 105.) Nicht selten fertigen die Plattner für angesehene Herren
Landsknechtharnische und liefern zu selben eine Doppelbrust mit

[Abbildung] Fig. 102.

Rüsthaken älterer Form von einem Maximilianshar-
nische des Eitel Friedrich Grafen von Zollern (gest. 1512). Der
Haken ist nach aufwärts zu schlagen.

[Abbildung] Fig. 103.

Rüsthaken späterer Form von einem Trabharnische
des Kaisers Ferdinand I. von c. 1560. Der Haken ist nach aufwärts
umzulegen und mittelst einer Feder in seine Lage festzustellen.

daran befindlichem Rüsthaken, um denselben auch zu Ross und mit
dem Reisspiess bewaffnet benutzen zu können. Zum Turniergebrauche
erhalten die Doppelbrüste auch Bauchreifen und steife Beintaschen,
durch welche die unteren gleichartigen Stücke verstärkt werden. Derlei
Doppelbrüste für das Turnier erhalten gewöhnlich rechts oberhalb, wo
sie an die Achsel anstossen, Aufbiegungen, gleichfalls "Stauchen"
genannt, welche den Zweck haben, die Spiessstösse des Gegners von
den Achseln abzulenken. Sie dienten vom Beginne des 16. Jahr-
hunderts auch zum Feldgebrauche. Um 1550 werden sie immer
seltener und verschwinden endlich ganz.


I. Die Schutzwaffen.

Um 1590, als die Reiterei den Spieſs ablegte, verschwindet auch
der Rüsthaken von den Bruststücken. Um 1580 fertigen einzelne
Plattner Brust- und Rückenstücke, mit welchen der Kragen derart in
Verbindung ist, daſs am Bruststücke der vordere, am Rückenstücke
der hintere Teil an die Oberränder im Geschübe anschlieſst und sie beim
Anlegen an den Seiten verbunden werden.

Bevor wir uns zu den den Bruststücken weiters angehörenden
Bestandteilen wenden, sei noch der „Doppelbrust“ gedacht. Sie
gehört zu den Verstärkungsstücken, wurde über das Bruststück gelegt
und an der Mitte mittelst eines Klobens, um den Leib mittelst Riemen
befestigt. (Fig. 104.) Ihre Form ist verschieden; zuweilen deckt
sie nur die untere Hälfte, in der Regel reicht sie bis an den oberen
Brustrand. An der Stelle des Rüsthakens ist dieselbe ausgeschnitten.
(Fig. 105.) Nicht selten fertigen die Plattner für angesehene Herren
Landsknechtharnische und liefern zu selben eine Doppelbrust mit

[Abbildung] Fig. 102.

Rüsthaken älterer Form von einem Maximilianshar-
nische des Eitel Friedrich Grafen von Zollern (gest. 1512). Der
Haken ist nach aufwärts zu schlagen.

[Abbildung] Fig. 103.

Rüsthaken späterer Form von einem Trabharnische
des Kaisers Ferdinand I. von c. 1560. Der Haken ist nach aufwärts
umzulegen und mittelst einer Feder in seine Lage festzustellen.

daran befindlichem Rüsthaken, um denselben auch zu Roſs und mit
dem Reisspieſs bewaffnet benutzen zu können. Zum Turniergebrauche
erhalten die Doppelbrüste auch Bauchreifen und steife Beintaschen,
durch welche die unteren gleichartigen Stücke verstärkt werden. Derlei
Doppelbrüste für das Turnier erhalten gewöhnlich rechts oberhalb, wo
sie an die Achsel anstoſsen, Aufbiegungen, gleichfalls „Stauchen
genannt, welche den Zweck haben, die Spieſsstöſse des Gegners von
den Achseln abzulenken. Sie dienten vom Beginne des 16. Jahr-
hunderts auch zum Feldgebrauche. Um 1550 werden sie immer
seltener und verschwinden endlich ganz.


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[98/0116] I. Die Schutzwaffen. Um 1590, als die Reiterei den Spieſs ablegte, verschwindet auch der Rüsthaken von den Bruststücken. Um 1580 fertigen einzelne Plattner Brust- und Rückenstücke, mit welchen der Kragen derart in Verbindung ist, daſs am Bruststücke der vordere, am Rückenstücke der hintere Teil an die Oberränder im Geschübe anschlieſst und sie beim Anlegen an den Seiten verbunden werden. Bevor wir uns zu den den Bruststücken weiters angehörenden Bestandteilen wenden, sei noch der „Doppelbrust“ gedacht. Sie gehört zu den Verstärkungsstücken, wurde über das Bruststück gelegt und an der Mitte mittelst eines Klobens, um den Leib mittelst Riemen befestigt. (Fig. 104.) Ihre Form ist verschieden; zuweilen deckt sie nur die untere Hälfte, in der Regel reicht sie bis an den oberen Brustrand. An der Stelle des Rüsthakens ist dieselbe ausgeschnitten. (Fig. 105.) Nicht selten fertigen die Plattner für angesehene Herren Landsknechtharnische und liefern zu selben eine Doppelbrust mit [Abbildung Fig. 102. Rüsthaken älterer Form von einem Maximilianshar- nische des Eitel Friedrich Grafen von Zollern (gest. 1512). Der Haken ist nach aufwärts zu schlagen.] [Abbildung Fig. 103. Rüsthaken späterer Form von einem Trabharnische des Kaisers Ferdinand I. von c. 1560. Der Haken ist nach aufwärts umzulegen und mittelst einer Feder in seine Lage festzustellen.] daran befindlichem Rüsthaken, um denselben auch zu Roſs und mit dem Reisspieſs bewaffnet benutzen zu können. Zum Turniergebrauche erhalten die Doppelbrüste auch Bauchreifen und steife Beintaschen, durch welche die unteren gleichartigen Stücke verstärkt werden. Derlei Doppelbrüste für das Turnier erhalten gewöhnlich rechts oberhalb, wo sie an die Achsel anstoſsen, Aufbiegungen, gleichfalls „Stauchen“ genannt, welche den Zweck haben, die Spieſsstöſse des Gegners von den Achseln abzulenken. Sie dienten vom Beginne des 16. Jahr- hunderts auch zum Feldgebrauche. Um 1550 werden sie immer seltener und verschwinden endlich ganz.

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/116>, abgerufen am 21.11.2024.