[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744.Nachrichten dieses bestühnde in einer Abbitte an alle die unschul-digen Seelen, welche die Schwachheit gehabt hät- ten, sich von ihm bey der Nase herumführen zu lassen, und einer treuhertzigen Warnung vor dem Geschwätze, das in seinen Lehrbüchern und poeti- schen Schriften mit solcher Kraft des Schalles und des Mischmasches angebracht wäre; dazu wäre ein Schlüssel hinzugefüget, die mechanischen Hand- griffe und Springfedern, welche er dabey gebraucht, zu entdecken. Man hatte so gar wissen wollen, was ihn zu diesem Bekenntniß, das einem Manne von seinem Ansehn so sauer ankommen mußte, vermocht hätte. Die Frau Professorin hätte zuerst einen Stral der Wahrheit erblicket, als sie die Criti- ken, die gegen ihren Ehegatten geschrieben wor- den, mit einer gewissen Aufmercksamkeit gelesen, damit sie sich in den Stand sezete, sie in dem Grun- de zu widerlegen, so daß sie Satz gegen Satz, Schluß gegen Schluß, und Erweis gegen Erweis sezete. Sie hätte die Aufrichtigkeit gehabt, der erkannten Wahrheit beyzutreten, und die Partey der Critik gegen ihren Mann selbst zu ergreifen. Sie hätte in einer langen Unterredung mit ihm, die Sache der Vernunft und des Witzes mit so nachdrücklichen Gründen unterstützet, und diese Gründe mit untermischten Liebkosungen und hun- dert kleinen Kunststreichen eines liebenswürdigen Weibes so gut befestiget, daß sie ihn zulezt, nach Erregung manches Affectes und der Eifersucht selbst, auf den Pfad der Wahrheit und der Aufrichtig- keit geleitet hätte, dergestalt, daß er alle ungerechte Scham abgeleget, und sich entschlossen, der guten Sache
Nachrichten dieſes beſtuͤhnde in einer Abbitte an alle die unſchul-digen Seelen, welche die Schwachheit gehabt haͤt- ten, ſich von ihm bey der Naſe herumfuͤhren zu laſſen, und einer treuhertzigen Warnung vor dem Geſchwaͤtze, das in ſeinen Lehrbuͤchern und poeti- ſchen Schriften mit ſolcher Kraft des Schalles und des Miſchmaſches angebracht waͤre; dazu waͤre ein Schluͤſſel hinzugefuͤget, die mechaniſchen Hand- griffe und Springfedern, welche er dabey gebraucht, zu entdecken. Man hatte ſo gar wiſſen wollen, was ihn zu dieſem Bekenntniß, das einem Manne von ſeinem Anſehn ſo ſauer ankommen mußte, vermocht haͤtte. Die Frau Profeſſorin haͤtte zuerſt einen Stral der Wahrheit erblicket, als ſie die Criti- ken, die gegen ihren Ehegatten geſchrieben wor- den, mit einer gewiſſen Aufmerckſamkeit geleſen, damit ſie ſich in den Stand ſezete, ſie in dem Grun- de zu widerlegen, ſo daß ſie Satz gegen Satz, Schluß gegen Schluß, und Erweis gegen Erweis ſezete. Sie haͤtte die Aufrichtigkeit gehabt, der erkannten Wahrheit beyzutreten, und die Partey der Critik gegen ihren Mann ſelbſt zu ergreifen. Sie haͤtte in einer langen Unterredung mit ihm, die Sache der Vernunft und des Witzes mit ſo nachdruͤcklichen Gruͤnden unterſtuͤtzet, und dieſe Gruͤnde mit untermiſchten Liebkoſungen und hun- dert kleinen Kunſtſtreichen eines liebenswuͤrdigen Weibes ſo gut befeſtiget, daß ſie ihn zulezt, nach Erregung manches Affectes und der Eiferſucht ſelbſt, auf den Pfad der Wahrheit und der Aufrichtig- keit geleitet haͤtte, dergeſtalt, daß er alle ungerechte Scham abgeleget, und ſich entſchloſſen, der guten Sache
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Nachrichten
dieſes beſtuͤhnde in einer Abbitte an alle die unſchul-
digen Seelen, welche die Schwachheit gehabt haͤt-
ten, ſich von ihm bey der Naſe herumfuͤhren zu
laſſen, und einer treuhertzigen Warnung vor dem
Geſchwaͤtze, das in ſeinen Lehrbuͤchern und poeti-
ſchen Schriften mit ſolcher Kraft des Schalles und
des Miſchmaſches angebracht waͤre; dazu waͤre ein
Schluͤſſel hinzugefuͤget, die mechaniſchen Hand-
griffe und Springfedern, welche er dabey gebraucht,
zu entdecken. Man hatte ſo gar wiſſen wollen, was
ihn zu dieſem Bekenntniß, das einem Manne von
ſeinem Anſehn ſo ſauer ankommen mußte, vermocht
haͤtte. Die Frau Profeſſorin haͤtte zuerſt einen
Stral der Wahrheit erblicket, als ſie die Criti-
ken, die gegen ihren Ehegatten geſchrieben wor-
den, mit einer gewiſſen Aufmerckſamkeit geleſen,
damit ſie ſich in den Stand ſezete, ſie in dem Grun-
de zu widerlegen, ſo daß ſie Satz gegen Satz,
Schluß gegen Schluß, und Erweis gegen Erweis
ſezete. Sie haͤtte die Aufrichtigkeit gehabt, der
erkannten Wahrheit beyzutreten, und die Partey
der Critik gegen ihren Mann ſelbſt zu ergreifen.
Sie haͤtte in einer langen Unterredung mit ihm,
die Sache der Vernunft und des Witzes mit ſo
nachdruͤcklichen Gruͤnden unterſtuͤtzet, und dieſe
Gruͤnde mit untermiſchten Liebkoſungen und hun-
dert kleinen Kunſtſtreichen eines liebenswuͤrdigen
Weibes ſo gut befeſtiget, daß ſie ihn zulezt, nach
Erregung manches Affectes und der Eiferſucht ſelbſt,
auf den Pfad der Wahrheit und der Aufrichtig-
keit geleitet haͤtte, dergeſtalt, daß er alle ungerechte
Scham abgeleget, und ſich entſchloſſen, der guten
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