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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743.

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von David.
Der David als er hört was Michal von ihm singet,
Denckt: Ein so grosses Lob man unverdient ihm bringet;
Er neigt sich auf dem Pferd, schaut ehrerbietig hin,
Allwo er stehen sieht die schöne Printzeßin.
Sie grüst ihn ebenfalls mit lieblichen Gebährden,
Von j[e]dem der sie schaut must sie gepriesen werden.
Sie hatte diesen Tag sehr herrlich sich geziert,
Ob sonst wohl die Natur den meisten Wunder führt,
Schien sie doch heute mehr, denn ihr vergnügtes Wesen
Hatt alle Lieblichkeit in ihr Gesicht erlesen.330.
Die Stirn war heller Schnee, die Wangen Milch und Blut,
Die Augen schwartz Agat, und sahen aus so gut
Deß man sie ohne Furcht verehren konnt und preisen;
Der Mund war hell Corall, der Hals und Brust sich weisen
Dem Marmor gleich am Schein. Das schwarze Lockenhaar,
Dem hellen Angesicht zum Absatz dienlich war;
Das sie frey fliegen ließ zum Spiel den sanfften Winden,
Die sich mit jeder Lock begunten zu verbinden.
Ein reicher Perlenkrantz mit Rosen durchgesteckt,
Das Haupt und ihre Stirn zum halben Theil bedeckt.340.
Sie trug ein weisses Kleid mit Diamanten Sternen,
Selbst must des Himmels Schmuk hiebey sich bald entfernen;
Ein rosinfarb Gewand fiel von den Achseln hin;
Das Niederkleid war bunt, sie hatte selbst darinn
Gewirckt mit ihrer hand. So ware sie geschmücket,
Jhr Schein und Lieblichkeit gantz Jsrael entzücket.
Maacha war die nächst die Michal so begleit,
Voll Anmuth gleich wie sie. An ihrer andern Seit
Die Rizpa war zu sehn. Drauf aus dem gantzen Lande
Des Stammes Benjamin, nach eines jeden Stande350.
Erschien der Dirnen Schaar; nur Merob nicht allein
Die sand sich nirgends nicht und deckte ihren Schein.
Wie nun sie an dem Thor den König so empfangen,
Und man kam in die Stadt mit grossem Siegesprangen,
Gieng ihre Reih füran bis nach des Königs Hauß,
Und striche jedermann des Davids Lob heraus.
Doch hätt er im Gesicht das Leiden sollen sehen,
Und wie es ihm bey Saul und seinem Hof würd gehen,
Hätt
von David.
Der David als er hoͤrt was Michal von ihm ſinget,
Denckt: Ein ſo groſſes Lob man unverdient ihm bringet;
Er neigt ſich auf dem Pferd, ſchaut ehrerbietig hin,
Allwo er ſtehen ſieht die ſchoͤne Printzeßin.
Sie gruͤſt ihn ebenfalls mit lieblichen Gebaͤhrden,
Von j[e]dem der ſie ſchaut muſt ſie geprieſen werden.
Sie hatte dieſen Tag ſehr herrlich ſich geziert,
Ob ſonſt wohl die Natur den meiſten Wunder fuͤhrt,
Schien ſie doch heute mehr, denn ihr vergnuͤgtes Weſen
Hatt alle Lieblichkeit in ihr Geſicht erleſen.330.
Die Stirn war heller Schnee, die Wangen Milch und Blut,
Die Augen ſchwartz Agat, und ſahen aus ſo gut
Deß man ſie ohne Furcht verehren konnt und preiſen;
Der Mund war hell Corall, der Hals und Bruſt ſich weiſen
Dem Marmor gleich am Schein. Das ſchwarze Lockenhaar,
Dem hellen Angeſicht zum Abſatz dienlich war;
Das ſie frey fliegen ließ zum Spiel den ſanfften Winden,
Die ſich mit jeder Lock begunten zu verbinden.
Ein reicher Perlenkrantz mit Roſen durchgeſteckt,
Das Haupt und ihre Stirn zum halben Theil bedeckt.340.
Sie trug ein weiſſes Kleid mit Diamanten Sternen,
Selbſt muſt des Himmels Schmuk hiebey ſich bald entfernen;
Ein roſinfarb Gewand fiel von den Achſeln hin;
Das Niederkleid war bunt, ſie hatte ſelbſt darinn
Gewirckt mit ihrer hand. So ware ſie geſchmuͤcket,
Jhr Schein und Lieblichkeit gantz Jſrael entzuͤcket.
Maacha war die naͤchſt die Michal ſo begleit,
Voll Anmuth gleich wie ſie. An ihrer andern Seit
Die Rizpa war zu ſehn. Drauf aus dem gantzen Lande
Des Stammes Benjamin, nach eines jeden Stande350.
Erſchien der Dirnen Schaar; nur Merob nicht allein
Die ſand ſich nirgends nicht und deckte ihren Schein.
Wie nun ſie an dem Thor den Koͤnig ſo empfangen,
Und man kam in die Stadt mit groſſem Siegesprangen,
Gieng ihre Reih fuͤran bis nach des Koͤnigs Hauß,
Und ſtriche jedermann des Davids Lob heraus.
Doch haͤtt er im Geſicht das Leiden ſollen ſehen,
Und wie es ihm bey Saul und ſeinem Hof wuͤrd gehen,
Haͤtt
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[75/0075] von David. Der David als er hoͤrt was Michal von ihm ſinget, Denckt: Ein ſo groſſes Lob man unverdient ihm bringet; Er neigt ſich auf dem Pferd, ſchaut ehrerbietig hin, Allwo er ſtehen ſieht die ſchoͤne Printzeßin. Sie gruͤſt ihn ebenfalls mit lieblichen Gebaͤhrden, Von jedem der ſie ſchaut muſt ſie geprieſen werden. Sie hatte dieſen Tag ſehr herrlich ſich geziert, Ob ſonſt wohl die Natur den meiſten Wunder fuͤhrt, Schien ſie doch heute mehr, denn ihr vergnuͤgtes Weſen Hatt alle Lieblichkeit in ihr Geſicht erleſen. Die Stirn war heller Schnee, die Wangen Milch und Blut, Die Augen ſchwartz Agat, und ſahen aus ſo gut Deß man ſie ohne Furcht verehren konnt und preiſen; Der Mund war hell Corall, der Hals und Bruſt ſich weiſen Dem Marmor gleich am Schein. Das ſchwarze Lockenhaar, Dem hellen Angeſicht zum Abſatz dienlich war; Das ſie frey fliegen ließ zum Spiel den ſanfften Winden, Die ſich mit jeder Lock begunten zu verbinden. Ein reicher Perlenkrantz mit Roſen durchgeſteckt, Das Haupt und ihre Stirn zum halben Theil bedeckt. Sie trug ein weiſſes Kleid mit Diamanten Sternen, Selbſt muſt des Himmels Schmuk hiebey ſich bald entfernen; Ein roſinfarb Gewand fiel von den Achſeln hin; Das Niederkleid war bunt, ſie hatte ſelbſt darinn Gewirckt mit ihrer hand. So ware ſie geſchmuͤcket, Jhr Schein und Lieblichkeit gantz Jſrael entzuͤcket. Maacha war die naͤchſt die Michal ſo begleit, Voll Anmuth gleich wie ſie. An ihrer andern Seit Die Rizpa war zu ſehn. Drauf aus dem gantzen Lande Des Stammes Benjamin, nach eines jeden Stande Erſchien der Dirnen Schaar; nur Merob nicht allein Die ſand ſich nirgends nicht und deckte ihren Schein. Wie nun ſie an dem Thor den Koͤnig ſo empfangen, Und man kam in die Stadt mit groſſem Siegesprangen, Gieng ihre Reih fuͤran bis nach des Koͤnigs Hauß, Und ſtriche jedermann des Davids Lob heraus. Doch haͤtt er im Geſicht das Leiden ſollen ſehen, Und wie es ihm bey Saul und ſeinem Hof wuͤrd gehen, Haͤtt

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/75>, abgerufen am 02.05.2024.