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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743.

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Versuch eines Gedichtes
Den er liebt als sich selbst, und ist er nun bemüht
Daß David diesen Schmuck in seinem Zelt anzieht.80.
Wie dieses nun verricht, hebt an der Printz zu sagen,
Wie er niemahlen nicht in seinen Lebenstagen
Was lieblichers gesehn, es würd der Nymphenschaar
An Davids Wunderglantz sich heut verblenden gar,
Ja Merob würd sich gleich als Goliath ergeben,
Mit nichten seiner Kraft und Liebe wiederstreben.
Wann nicht, o grosser Fürst, der David gegen sprach,
Dein überedles Hertz kommt seiner Zusag nach,
Verlaß ich mich gar nicht auf meine eigne Würden,
Jch bin noch nicht so lang von meinen Schäferhürden90.
Daß mir käm aus der Acht wie ich ein schnöder Hirt,
Und einen Fürstenstand die schöne Merob ziert.
Der Stand kommt nur von Gott, sagt Jonathan hingegen,
Die Tugend machet hoch, die ist hier zu erwegen.
Jst Benjamin erhöht, ey Juda gehet für:
Der eine hat die Kron, der andere die Zier.
Mach dich nicht selber klein, man muß ja groß dich preisen,
Weil Gott so grosse Ding durch dich schon wollen weisen.
Hiemit faßt Jonathan des lieben Davids Hand,
Die schröcklich seinem Feind und lieblich seinem Land,100.
Und gienge ungesäumt mit ihm und andern Helden
Nach Saul, des Angesicht konnt seine Freude melden,
Die seine Seel genoß: Er grüst sie insgesamt
Gantz liebreich, und wie nun die Aufbruchsstund berahmt,
Darinn die Ehrenkron des Siegs er sollt erlangen,
Und in erwünschtem Fried die Seinigen umfangen,
Zog alles freudig fort mit jauchtzendem Getön.
Der Himmel ware selbst erfreulichst anzusehn.
Das schönste Licht der Welt warf seine güldne Strahlen
Gantz unbetrübt, es wollt der Helden Pracht fürmahlen110.
Durch so vermehrten Glantz, Metall und Edelstein
Durch diese Flamm erflammt, erhoben ihren Schein.
Viel tausend Sonnen sah man von der einen Sonnen,
Die alle die Gebuhrt von jener Strahl gewonnen;
Das allzuviele Licht benahm schier das Gesicht,
Das für zu vielem Glantz man sich fast sahe nicht.
Die
Verſuch eines Gedichtes
Den er liebt als ſich ſelbſt, und iſt er nun bemuͤht
Daß David dieſen Schmuck in ſeinem Zelt anzieht.80.
Wie dieſes nun verricht, hebt an der Printz zu ſagen,
Wie er niemahlen nicht in ſeinen Lebenstagen
Was lieblichers geſehn, es wuͤrd der Nymphenſchaar
An Davids Wunderglantz ſich heut verblenden gar,
Ja Merob wuͤrd ſich gleich als Goliath ergeben,
Mit nichten ſeiner Kraft und Liebe wiederſtreben.
Wann nicht, o groſſer Fuͤrſt, der David gegen ſprach,
Dein uͤberedles Hertz kommt ſeiner Zuſag nach,
Verlaß ich mich gar nicht auf meine eigne Wuͤrden,
Jch bin noch nicht ſo lang von meinen Schaͤferhuͤrden90.
Daß mir kaͤm aus der Acht wie ich ein ſchnoͤder Hirt,
Und einen Fuͤrſtenſtand die ſchoͤne Merob ziert.
Der Stand kommt nur von Gott, ſagt Jonathan hingegen,
Die Tugend machet hoch, die iſt hier zu erwegen.
Jſt Benjamin erhoͤht, ey Juda gehet fuͤr:
Der eine hat die Kron, der andere die Zier.
Mach dich nicht ſelber klein, man muß ja groß dich preiſen,
Weil Gott ſo groſſe Ding durch dich ſchon wollen weiſen.
Hiemit faßt Jonathan des lieben Davids Hand,
Die ſchroͤcklich ſeinem Feind und lieblich ſeinem Land,100.
Und gienge ungeſaͤumt mit ihm und andern Helden
Nach Saul, des Angeſicht konnt ſeine Freude melden,
Die ſeine Seel genoß: Er gruͤſt ſie insgeſamt
Gantz liebreich, und wie nun die Aufbruchsſtund berahmt,
Darinn die Ehrenkron des Siegs er ſollt erlangen,
Und in erwuͤnſchtem Fried die Seinigen umfangen,
Zog alles freudig fort mit jauchtzendem Getoͤn.
Der Himmel ware ſelbſt erfreulichſt anzuſehn.
Das ſchoͤnſte Licht der Welt warf ſeine guͤldne Strahlen
Gantz unbetruͤbt, es wollt der Helden Pracht fuͤrmahlen110.
Durch ſo vermehrten Glantz, Metall und Edelſtein
Durch dieſe Flamm erflammt, erhoben ihren Schein.
Viel tauſend Sonnen ſah man von der einen Sonnen,
Die alle die Gebuhrt von jener Strahl gewonnen;
Das allzuviele Licht benahm ſchier das Geſicht,
Das fuͤr zu vielem Glantz man ſich faſt ſahe nicht.
Die
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[68/0068] Verſuch eines Gedichtes Den er liebt als ſich ſelbſt, und iſt er nun bemuͤht Daß David dieſen Schmuck in ſeinem Zelt anzieht. Wie dieſes nun verricht, hebt an der Printz zu ſagen, Wie er niemahlen nicht in ſeinen Lebenstagen Was lieblichers geſehn, es wuͤrd der Nymphenſchaar An Davids Wunderglantz ſich heut verblenden gar, Ja Merob wuͤrd ſich gleich als Goliath ergeben, Mit nichten ſeiner Kraft und Liebe wiederſtreben. Wann nicht, o groſſer Fuͤrſt, der David gegen ſprach, Dein uͤberedles Hertz kommt ſeiner Zuſag nach, Verlaß ich mich gar nicht auf meine eigne Wuͤrden, Jch bin noch nicht ſo lang von meinen Schaͤferhuͤrden Daß mir kaͤm aus der Acht wie ich ein ſchnoͤder Hirt, Und einen Fuͤrſtenſtand die ſchoͤne Merob ziert. Der Stand kommt nur von Gott, ſagt Jonathan hingegen, Die Tugend machet hoch, die iſt hier zu erwegen. Jſt Benjamin erhoͤht, ey Juda gehet fuͤr: Der eine hat die Kron, der andere die Zier. Mach dich nicht ſelber klein, man muß ja groß dich preiſen, Weil Gott ſo groſſe Ding durch dich ſchon wollen weiſen. Hiemit faßt Jonathan des lieben Davids Hand, Die ſchroͤcklich ſeinem Feind und lieblich ſeinem Land, Und gienge ungeſaͤumt mit ihm und andern Helden Nach Saul, des Angeſicht konnt ſeine Freude melden, Die ſeine Seel genoß: Er gruͤſt ſie insgeſamt Gantz liebreich, und wie nun die Aufbruchsſtund berahmt, Darinn die Ehrenkron des Siegs er ſollt erlangen, Und in erwuͤnſchtem Fried die Seinigen umfangen, Zog alles freudig fort mit jauchtzendem Getoͤn. Der Himmel ware ſelbſt erfreulichſt anzuſehn. Das ſchoͤnſte Licht der Welt warf ſeine guͤldne Strahlen Gantz unbetruͤbt, es wollt der Helden Pracht fuͤrmahlen Durch ſo vermehrten Glantz, Metall und Edelſtein Durch dieſe Flamm erflammt, erhoben ihren Schein. Viel tauſend Sonnen ſah man von der einen Sonnen, Die alle die Gebuhrt von jener Strahl gewonnen; Das allzuviele Licht benahm ſchier das Geſicht, Das fuͤr zu vielem Glantz man ſich faſt ſahe nicht. Die

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/68>, abgerufen am 02.05.2024.