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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743.

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von David.
Die sonst gebergte Gluth. Die Dunckelheit der Nacht,
Jndem sie niemand sieht, sie also munter macht,
Daß sie so zu ihr sagt: Ja der Meholathiter
Jst meiner auch wohl werth, er ist ein tapfrer Ritter.
Jch berg mich nicht für dir, Thalmais, du weist wohl
Wie seine Würdigkeit man billig preisen soll.
Jch weiß, Thalmais sprach, was Adriel verdienet,
Mein Jonathan ist längst mit ihme ausgesühnet;590.
Dein Bruder ist nicht mehr sein Feind wie wol vorhin,
Die Eifersucht ist aus, nun ich getrauet bin.
Erzehl uns eh die Nacht sich endt, was sich begeben,
Mit dir und Adriel. Nach deinem Willn zu leben,
Sagt sie, so will ich gleich dir ein Genügen thun,
Hört beyde fleißig zu, was ich fürbringe nun.
ALs Samuel, der da gantz Jsrael regierte,
Eh unser Vater Saul den Königsscepter führte,
Zu
V. 597. Als Samuel, der da gantz Jsrael regierte. etc.)
[Spaltenumbruch] Dieses lange Episodium hängt
mit dem dünnesten Faden an der
Geschichte Davids, nemlich weil
er in der Zeit, da es erzehlet
ward, ungefehr und ungesehen
in einem Winckel stuhnd, wo er
die Erzehlung anhören konnte.
[Spaltenumbruch] Der Jnnhalt desselben ist über-
haupt comisch, anstatt daß er he-
roisch sollte seyn. Er gehet Da-
vid nicht weiter an, als daß er sei-
ne romantische Qual und Ver-
wirrung vermehren muß. Sehet
V. 1248. und folg.
Sein Hertze was empfindt, das er nicht melden kan.
Es liebet Adriel die eine von den beyden:
Das hat er angehört, und muß es auch so leiden.
Und fällt ihm Merob ein, daß die kan seyn die Braut,
Die ihm Gott hat bestimmt, für Adriel ihm graut.
Wann Michals Lieblichkeit ihm dann bescheint die Sinne,
Meint er, dem Adriel er sie nicht lassen könne.
[Spaltenumbruch] Er führet auch weiter kein Licht
in seine Geschichte, als daß wir
zufälligerweise einige Nachrich-
ten von dem Zustande der vori-
gen Zeiten, und des Regiments
in Jsrael daraus schöpfen mögen;
welche uns in zehn Zeilen eben
so vollkommen hätten erzehlt
werden können. Also werden
[Spaltenumbruch] wir um so viele Zeilen, als die-
ser Zwischengesang hat, ohne
Noth von der Geschichte ver-
schmissen, und in unserm Ver-
langen nach dem Fortgange der-
selben betrogen. Das erhitzteste
Gemüthe würde in einem solchen
und so gleichgültigen Zwischen-
gesange wieder erkalten.
C 4
von David.
Die ſonſt gebergte Gluth. Die Dunckelheit der Nacht,
Jndem ſie niemand ſieht, ſie alſo munter macht,
Daß ſie ſo zu ihr ſagt: Ja der Meholathiter
Jſt meiner auch wohl werth, er iſt ein tapfrer Ritter.
Jch berg mich nicht fuͤr dir, Thalmais, du weiſt wohl
Wie ſeine Wuͤrdigkeit man billig preiſen ſoll.
Jch weiß, Thalmais ſprach, was Adriel verdienet,
Mein Jonathan iſt laͤngſt mit ihme ausgeſuͤhnet;590.
Dein Bruder iſt nicht mehr ſein Feind wie wol vorhin,
Die Eiferſucht iſt aus, nun ich getrauet bin.
Erzehl uns eh die Nacht ſich endt, was ſich begeben,
Mit dir und Adriel. Nach deinem Willn zu leben,
Sagt ſie, ſo will ich gleich dir ein Genuͤgen thun,
Hoͤrt beyde fleißig zu, was ich fuͤrbringe nun.
ALs Samuel, der da gantz Jſrael regierte,
Eh unſer Vater Saul den Koͤnigsſcepter fuͤhrte,
Zu
V. 597. Als Samuel, der da gantz Jſrael regierte. ꝛc.)
[Spaltenumbruch] Dieſes lange Epiſodium haͤngt
mit dem duͤnneſten Faden an der
Geſchichte Davids, nemlich weil
er in der Zeit, da es erzehlet
ward, ungefehr und ungeſehen
in einem Winckel ſtuhnd, wo er
die Erzehlung anhoͤren konnte.
[Spaltenumbruch] Der Jnnhalt deſſelben iſt uͤber-
haupt comiſch, anſtatt daß er he-
roiſch ſollte ſeyn. Er gehet Da-
vid nicht weiter an, als daß er ſei-
ne romantiſche Qual und Ver-
wirrung vermehren muß. Sehet
V. 1248. und folg.
Sein Hertze was empfindt, das er nicht melden kan.
Es liebet Adriel die eine von den beyden:
Das hat er angehoͤrt, und muß es auch ſo leiden.
Und faͤllt ihm Merob ein, daß die kan ſeyn die Braut,
Die ihm Gott hat beſtimmt, fuͤr Adriel ihm graut.
Wann Michals Lieblichkeit ihm dann beſcheint die Sinne,
Meint er, dem Adriel er ſie nicht laſſen koͤnne.
[Spaltenumbruch] Er fuͤhret auch weiter kein Licht
in ſeine Geſchichte, als daß wir
zufaͤlligerweiſe einige Nachrich-
ten von dem Zuſtande der vori-
gen Zeiten, und des Regiments
in Jſrael daraus ſchoͤpfen moͤgen;
welche uns in zehn Zeilen eben
ſo vollkommen haͤtten erzehlt
werden koͤnnen. Alſo werden
[Spaltenumbruch] wir um ſo viele Zeilen, als die-
ſer Zwiſchengeſang hat, ohne
Noth von der Geſchichte ver-
ſchmiſſen, und in unſerm Ver-
langen nach dem Fortgange der-
ſelben betrogen. Das erhitzteſte
Gemuͤthe wuͤrde in einem ſolchen
und ſo gleichguͤltigen Zwiſchen-
geſange wieder erkalten.
C 4
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[39/0039] von David. Die ſonſt gebergte Gluth. Die Dunckelheit der Nacht, Jndem ſie niemand ſieht, ſie alſo munter macht, Daß ſie ſo zu ihr ſagt: Ja der Meholathiter Jſt meiner auch wohl werth, er iſt ein tapfrer Ritter. Jch berg mich nicht fuͤr dir, Thalmais, du weiſt wohl Wie ſeine Wuͤrdigkeit man billig preiſen ſoll. Jch weiß, Thalmais ſprach, was Adriel verdienet, Mein Jonathan iſt laͤngſt mit ihme ausgeſuͤhnet; Dein Bruder iſt nicht mehr ſein Feind wie wol vorhin, Die Eiferſucht iſt aus, nun ich getrauet bin. Erzehl uns eh die Nacht ſich endt, was ſich begeben, Mit dir und Adriel. Nach deinem Willn zu leben, Sagt ſie, ſo will ich gleich dir ein Genuͤgen thun, Hoͤrt beyde fleißig zu, was ich fuͤrbringe nun. ALs Samuel, der da gantz Jſrael regierte, Eh unſer Vater Saul den Koͤnigsſcepter fuͤhrte, Zu V. 597. Als Samuel, der da gantz Jſrael regierte. ꝛc.) Dieſes lange Epiſodium haͤngt mit dem duͤnneſten Faden an der Geſchichte Davids, nemlich weil er in der Zeit, da es erzehlet ward, ungefehr und ungeſehen in einem Winckel ſtuhnd, wo er die Erzehlung anhoͤren konnte. Der Jnnhalt deſſelben iſt uͤber- haupt comiſch, anſtatt daß er he- roiſch ſollte ſeyn. Er gehet Da- vid nicht weiter an, als daß er ſei- ne romantiſche Qual und Ver- wirrung vermehren muß. Sehet V. 1248. und folg. Sein Hertze was empfindt, das er nicht melden kan. Es liebet Adriel die eine von den beyden: Das hat er angehoͤrt, und muß es auch ſo leiden. Und faͤllt ihm Merob ein, daß die kan ſeyn die Braut, Die ihm Gott hat beſtimmt, fuͤr Adriel ihm graut. Wann Michals Lieblichkeit ihm dann beſcheint die Sinne, Meint er, dem Adriel er ſie nicht laſſen koͤnne. Er fuͤhret auch weiter kein Licht in ſeine Geſchichte, als daß wir zufaͤlligerweiſe einige Nachrich- ten von dem Zuſtande der vori- gen Zeiten, und des Regiments in Jſrael daraus ſchoͤpfen moͤgen; welche uns in zehn Zeilen eben ſo vollkommen haͤtten erzehlt werden koͤnnen. Alſo werden wir um ſo viele Zeilen, als die- ſer Zwiſchengeſang hat, ohne Noth von der Geſchichte ver- ſchmiſſen, und in unſerm Ver- langen nach dem Fortgange der- ſelben betrogen. Das erhitzteſte Gemuͤthe wuͤrde in einem ſolchen und ſo gleichguͤltigen Zwiſchen- geſange wieder erkalten. C 4

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/39>, abgerufen am 19.04.2024.