[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743.
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<TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><cit><quote><pb facs="#f0010" n="10"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Verſuch eines Gedichtes</hi></fw><lb/> „erfunden und angeordnet ſind, nicht vor<lb/> „einen Epiſchen Poeten und Erzehler ſollte<lb/> „gehalten werden, zumahl, da die Sachen<lb/> „in der Natur auf ſehr verſchiedene Arten<lb/> „geſchehen koͤnnen, und eben darum vergoͤn-<lb/> „net ſeyn ſollte, ſie auch auf verſchiedene Art<lb/> „zu erfinden und zu erzehlen, entweder wie<lb/> „ſie an einem Bande und einer Angelegen-<lb/> „heit hangen, oder wie ſie vielfaͤltig unter-<lb/> „ſchieden, und in groſſer Anzahl ſind.„</quote></cit> Al-<lb/> lein, wenn der erſtere Weg der vortrefflichere<lb/> iſt, und hoͤhere Wuͤrckungen thut, mit was<lb/> vor Recht heißt er es einen Eigenſinn, wenn<lb/> wir demſelben den Vorzug vor dem andern<lb/> geben? Jſt es doch in der Natur des Men-<lb/> ſchen, daß er allemahl das erwehlet, was er<lb/> vor das beſte erkennet? Sollten wir dem Poe-<lb/> ten nicht dancken, der uns mit dieſer Menge<lb/> von gantz verſchiedenen Begegniſſen und Ge-<lb/> ſchichten verſchonet, die ohne Ende auf einan-<lb/> der gehaͤuffet, und oͤfters ſo in einander verſte-<lb/> ket werden, daß ſie lauter Verwirrung in dem<lb/> Geiſte verurſachen, das Gedaͤchtniß ohne<lb/> Noth belaͤſtigen, und denen, welche gerne das<lb/> Ende ſehen moͤchten, ſo ſehr mißfallen, daß<lb/> ſie ſolche uͤberhuͤpfen, damit ſie der Haupt-<lb/> Handlung nacheilen. Wir wollen dieſem<lb/> Kunſtrichter, wann er nichts weiters verlan-<lb/> get, gerne einraͤumen, daß ſeine zuſammenge-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">rei-</fw><lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [10/0010]
Verſuch eines Gedichtes
„erfunden und angeordnet ſind, nicht vor
„einen Epiſchen Poeten und Erzehler ſollte
„gehalten werden, zumahl, da die Sachen
„in der Natur auf ſehr verſchiedene Arten
„geſchehen koͤnnen, und eben darum vergoͤn-
„net ſeyn ſollte, ſie auch auf verſchiedene Art
„zu erfinden und zu erzehlen, entweder wie
„ſie an einem Bande und einer Angelegen-
„heit hangen, oder wie ſie vielfaͤltig unter-
„ſchieden, und in groſſer Anzahl ſind.„ Al-
lein, wenn der erſtere Weg der vortrefflichere
iſt, und hoͤhere Wuͤrckungen thut, mit was
vor Recht heißt er es einen Eigenſinn, wenn
wir demſelben den Vorzug vor dem andern
geben? Jſt es doch in der Natur des Men-
ſchen, daß er allemahl das erwehlet, was er
vor das beſte erkennet? Sollten wir dem Poe-
ten nicht dancken, der uns mit dieſer Menge
von gantz verſchiedenen Begegniſſen und Ge-
ſchichten verſchonet, die ohne Ende auf einan-
der gehaͤuffet, und oͤfters ſo in einander verſte-
ket werden, daß ſie lauter Verwirrung in dem
Geiſte verurſachen, das Gedaͤchtniß ohne
Noth belaͤſtigen, und denen, welche gerne das
Ende ſehen moͤchten, ſo ſehr mißfallen, daß
ſie ſolche uͤberhuͤpfen, damit ſie der Haupt-
Handlung nacheilen. Wir wollen dieſem
Kunſtrichter, wann er nichts weiters verlan-
get, gerne einraͤumen, daß ſeine zuſammenge-
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