Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite
Prüffung der Uebersetzung
Als daß ein Vers von mir, wie dieses Bild soll seyn. 50
Jhr Dichter, wagt doch nichts, als was ihr wohl versteht,
Versuchts, wie weit die Kraft von euren Schultern geht,
Und überlegt es wohl: So wird nach klugem Wählen,
Den Schriften weder Kunst, noch Licht, noch Ordnung fehlen.
Mich
V. 50. Als daß ein Vers von mir, wie dieses Bild soll
seyn.)

Wenn diese Stelle einen Verstand haben soll, so muß
man hier durch einen Vers ein gantzes Gedicht verstehen:
Wer siehet aber nicht, daß diese Figur hier gantz ungeschickt
angebracht worden? Sonst gehet die Vergleichung Hunc ego
me, si quid componere curem, non esse velim,
nicht
auf das Bild, quod totum nunquam positum est; sondern
auf den Fabrum selbst: Horaz sagt; Wenn er je ein poeti-
sches Werck auszuführen gedächte, so möchte er in der
Kunst diesem Giesser nicht ähnlich seyn; eben so wenig
als einem Bilde, das neben schönen schwarzen Haaren und
Augen eine scheußliche und ungestalte Nase hat, die das
gantze Angesicht verstellet.
V. 51. Jhr Dichter, wagt doch nichts, als was ihr
wohl versteht.)

Es ist eben das, was Hr. von Eckard schon zuvor noch
kürzer gegeben hat:
Schreibt nur was ihr versteht und das Geschick euch gönnt.
Es ist aber diese Art des Ausdrucks zu unbestimmt. Ho-
raz sagt viel einfältiger: Jhr Dichter, wehlet euch eine Ma-
terie, die ihr geschickt auszuführen vermöget: damit es euch
nemlich nicht gehe, wie dem oben eingeführten Giesser.
V. 53. 54. So wird nach klugem Wählen, den Schrif-
ten weder Kunst, noch Licht, noch Ordnung fehlen.)

Die Uebersetzung hänget hier gar übel zusammen; es ist in
dem vorhergehenden gar kein Wort von einer Wahl geredet
Pruͤffung der Ueberſetzung
Als daß ein Vers von mir, wie dieſes Bild ſoll ſeyn. 50
Jhr Dichter, wagt doch nichts, als was ihr wohl verſteht,
Verſuchts, wie weit die Kraft von euren Schultern geht,
Und uͤberlegt es wohl: So wird nach klugem Waͤhlen,
Den Schriften weder Kunſt, noch Licht, noch Ordnung fehlen.
Mich
V. 50. Als daß ein Vers von mir, wie dieſes Bild ſoll
ſeyn.)

Wenn dieſe Stelle einen Verſtand haben ſoll, ſo muß
man hier durch einen Vers ein gantzes Gedicht verſtehen:
Wer ſiehet aber nicht, daß dieſe Figur hier gantz ungeſchickt
angebracht worden? Sonſt gehet die Vergleichung Hunc ego
me, ſi quid componere curem, non eſſe velim,
nicht
auf das Bild, quod totum nunquam poſitum eſt; ſondern
auf den Fabrum ſelbſt: Horaz ſagt; Wenn er je ein poeti-
ſches Werck auszufuͤhren gedaͤchte, ſo moͤchte er in der
Kunſt dieſem Gieſſer nicht aͤhnlich ſeyn; eben ſo wenig
als einem Bilde, das neben ſchoͤnen ſchwarzen Haaren und
Augen eine ſcheußliche und ungeſtalte Naſe hat, die das
gantze Angeſicht verſtellet.
V. 51. Jhr Dichter, wagt doch nichts, als was ihr
wohl verſteht.)

Es iſt eben das, was Hr. von Eckard ſchon zuvor noch
kuͤrzer gegeben hat:
Schreibt nur was ihr verſteht und das Geſchick euch goͤnnt.
Es iſt aber dieſe Art des Ausdrucks zu unbeſtimmt. Ho-
raz ſagt viel einfaͤltiger: Jhr Dichter, wehlet euch eine Ma-
terie, die ihr geſchickt auszufuͤhren vermoͤget: damit es euch
nemlich nicht gehe, wie dem oben eingefuͤhrten Gieſſer.
V. 53. 54. So wird nach klugem Waͤhlen, den Schrif-
ten weder Kunſt, noch Licht, noch Ordnung fehlen.)

Die Ueberſetzung haͤnget hier gar uͤbel zuſammen; es iſt in
dem vorhergehenden gar kein Wort von einer Wahl geredet
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0098" n="98"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Pru&#x0364;ffung der Ueber&#x017F;etzung</hi> </fw><lb/>
            <l>Als daß ein Vers von mir, wie die&#x017F;es Bild &#x017F;oll &#x017F;eyn. <note place="right">50</note><note place="foot"><hi rendition="#fr">V. 50. Als daß ein Vers von mir, wie die&#x017F;es Bild &#x017F;oll<lb/>
&#x017F;eyn.)</hi><lb/>
Wenn die&#x017F;e Stelle einen Ver&#x017F;tand haben &#x017F;oll, &#x017F;o muß<lb/>
man hier durch <hi rendition="#fr">einen Vers</hi> ein gantzes Gedicht ver&#x017F;tehen:<lb/>
Wer &#x017F;iehet aber nicht, daß die&#x017F;e Figur hier gantz unge&#x017F;chickt<lb/>
angebracht worden? Son&#x017F;t gehet die Vergleichung <hi rendition="#aq">Hunc ego<lb/>
me, &#x017F;i quid componere curem, non e&#x017F;&#x017F;e velim,</hi> nicht<lb/>
auf das Bild, <hi rendition="#aq">quod totum nunquam po&#x017F;itum e&#x017F;t;</hi> &#x017F;ondern<lb/>
auf den <hi rendition="#aq">Fabrum</hi> &#x017F;elb&#x017F;t: Horaz &#x017F;agt; Wenn er je ein poeti-<lb/>
&#x017F;ches Werck auszufu&#x0364;hren geda&#x0364;chte, &#x017F;o mo&#x0364;chte er in der<lb/>
Kun&#x017F;t die&#x017F;em Gie&#x017F;&#x017F;er nicht a&#x0364;hnlich &#x017F;eyn; eben &#x017F;o wenig<lb/>
als einem Bilde, das neben &#x017F;cho&#x0364;nen &#x017F;chwarzen Haaren und<lb/>
Augen eine &#x017F;cheußliche und unge&#x017F;talte Na&#x017F;e hat, die das<lb/>
gantze Ange&#x017F;icht ver&#x017F;tellet.</note></l><lb/>
            <l>Jhr Dichter, wagt doch nichts, als was ihr wohl ver&#x017F;teht,<note place="foot"><hi rendition="#fr">V. 51. Jhr Dichter, wagt doch nichts, als was ihr<lb/>
wohl ver&#x017F;teht.)</hi><lb/>
Es i&#x017F;t eben das, was Hr. von Eckard &#x017F;chon zuvor noch<lb/>
ku&#x0364;rzer gegeben hat:<lb/><cit><quote><hi rendition="#fr">Schreibt nur was ihr ver&#x017F;teht</hi> und das Ge&#x017F;chick euch go&#x0364;nnt.</quote></cit><lb/>
Es i&#x017F;t aber die&#x017F;e Art des Ausdrucks zu unbe&#x017F;timmt. Ho-<lb/>
raz &#x017F;agt viel einfa&#x0364;ltiger: Jhr Dichter, wehlet euch eine Ma-<lb/>
terie, die ihr ge&#x017F;chickt auszufu&#x0364;hren vermo&#x0364;get: damit es euch<lb/>
nemlich nicht gehe, wie dem oben eingefu&#x0364;hrten Gie&#x017F;&#x017F;er.</note></l><lb/>
            <l>Ver&#x017F;uchts, wie weit die Kraft von euren Schultern geht,</l><lb/>
            <l>Und u&#x0364;berlegt es wohl: So wird nach klugem Wa&#x0364;hlen,</l><lb/>
            <l>Den Schriften weder Kun&#x017F;t, noch Licht, noch Ordnung fehlen.<note xml:id="a018" place="foot" next="#a018b"><hi rendition="#fr">V. 53. 54. So wird nach klugem Wa&#x0364;hlen, den Schrif-<lb/>
ten weder Kun&#x017F;t, noch Licht, noch Ordnung fehlen.)</hi><lb/>
Die Ueber&#x017F;etzung ha&#x0364;nget hier gar u&#x0364;bel zu&#x017F;ammen; es i&#x017F;t in<lb/>
dem vorhergehenden gar kein Wort von einer Wahl geredet</note></l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Mich</fw><lb/><lb/><lb/><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0098] Pruͤffung der Ueberſetzung Als daß ein Vers von mir, wie dieſes Bild ſoll ſeyn. Jhr Dichter, wagt doch nichts, als was ihr wohl verſteht, Verſuchts, wie weit die Kraft von euren Schultern geht, Und uͤberlegt es wohl: So wird nach klugem Waͤhlen, Den Schriften weder Kunſt, noch Licht, noch Ordnung fehlen. Mich V. 50. Als daß ein Vers von mir, wie dieſes Bild ſoll ſeyn.) Wenn dieſe Stelle einen Verſtand haben ſoll, ſo muß man hier durch einen Vers ein gantzes Gedicht verſtehen: Wer ſiehet aber nicht, daß dieſe Figur hier gantz ungeſchickt angebracht worden? Sonſt gehet die Vergleichung Hunc ego me, ſi quid componere curem, non eſſe velim, nicht auf das Bild, quod totum nunquam poſitum eſt; ſondern auf den Fabrum ſelbſt: Horaz ſagt; Wenn er je ein poeti- ſches Werck auszufuͤhren gedaͤchte, ſo moͤchte er in der Kunſt dieſem Gieſſer nicht aͤhnlich ſeyn; eben ſo wenig als einem Bilde, das neben ſchoͤnen ſchwarzen Haaren und Augen eine ſcheußliche und ungeſtalte Naſe hat, die das gantze Angeſicht verſtellet. V. 51. Jhr Dichter, wagt doch nichts, als was ihr wohl verſteht.) Es iſt eben das, was Hr. von Eckard ſchon zuvor noch kuͤrzer gegeben hat: Schreibt nur was ihr verſteht und das Geſchick euch goͤnnt. Es iſt aber dieſe Art des Ausdrucks zu unbeſtimmt. Ho- raz ſagt viel einfaͤltiger: Jhr Dichter, wehlet euch eine Ma- terie, die ihr geſchickt auszufuͤhren vermoͤget: damit es euch nemlich nicht gehe, wie dem oben eingefuͤhrten Gieſſer. V. 53. 54. So wird nach klugem Waͤhlen, den Schrif- ten weder Kunſt, noch Licht, noch Ordnung fehlen.) Die Ueberſetzung haͤnget hier gar uͤbel zuſammen; es iſt in dem vorhergehenden gar kein Wort von einer Wahl geredet

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung09_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung09_1743/98
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung09_1743/98>, abgerufen am 22.11.2024.