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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749.

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Prüffung der Uebersetzung
Da hat der Stümper nun die Nägel an den Füssen
Und
hingeschmieret hat: Es muß einer gar kein Latein verstehen,
wenn er nicht mercken kan, daß Horaz von einem Giesser
redet, der circa Ludum Aemilium gewohnet hat, dem er
zwar das Lob beyleget, daß er die Nägel und die weichen
Haare an einem Bild gar künstlich und natürlich ausdrü-
ken könne, dabey aber nicht im Stande sey, ein ganzes
Bild in seiner rechten Symmetrie aufzustellen. Sein Bond
hätte ihn dieses lehren, und Hr. von Eckard hätte ihn vor
einem solchen Schnitzer, der kaum einem Schüler zu ver-
zeihen ist, verwahren können. Dieser giebt den Vers:
Aemilium circa ludum Faber imus, oder unus &c.
Seht an der Rennebahn den guten Giesser an,
Der Nägel und das Haar gar künstlich bilden kan.
Aber Gottsched wollte kurzum einen Stümper haben, und
muß das Lateinische so verstanden haben, als ob es stühn-
de: Faber, qui circa ludum ab Aemilio datum aere ex-
primendum occupatur.
Es ist darum auch das Bekännt-
niß, welches er wegen dieses Fehlers in der Vorrede zu
der zweyten Auflage ableget, desto merckwirdiger, weil er
daselbst die Offenbarung dieses Schnitzers einem werthen
Freunde und grossen Kenner des Alterthums verdan-
ket, auch dabey erinnert, daß es heissen sollte:
Beym Fechterplaz Aemils läßt man sich Bilder giessen.
Und doch ungeachtet dieses Bekänntnisses, welches in der
neuen Auflage gantz feyrlich wiederholet worden, hat man
in der Uebersetzung den alten Schnitzer wieder stehen las-
sen; woraus man gantz sicher schliessen kan, wie viel Sorg-
falt auf die Ausbesserung dieser Uebersetzung von Zeit zu
Zeit verwendet worden.
V. 44. Die Nägel an den Füssen.)
Wollte jemand fragen, ob denn ungues nur die Nägel
an den Füssen, und nicht eben so wohl die an den Hän-
den bezeichne? So kan ich nur so viel sagen, daß die
Füsse hier ihren zureichenden Grund in dem Reinwort
giessen haben.
Pruͤffung der Ueberſetzung
Da hat der Stuͤmper nun die Naͤgel an den Fuͤſſen
Und
hingeſchmieret hat: Es muß einer gar kein Latein verſtehen,
wenn er nicht mercken kan, daß Horaz von einem Gieſſer
redet, der circa Ludum Aemilium gewohnet hat, dem er
zwar das Lob beyleget, daß er die Naͤgel und die weichen
Haare an einem Bild gar kuͤnſtlich und natuͤrlich ausdruͤ-
ken koͤnne, dabey aber nicht im Stande ſey, ein ganzes
Bild in ſeiner rechten Symmetrie aufzuſtellen. Sein Bond
haͤtte ihn dieſes lehren, und Hr. von Eckard haͤtte ihn vor
einem ſolchen Schnitzer, der kaum einem Schuͤler zu ver-
zeihen iſt, verwahren koͤnnen. Dieſer giebt den Vers:
Aemilium circa ludum Faber imus, oder unus &c.
Seht an der Rennebahn den guten Gieſſer an,
Der Naͤgel und das Haar gar kuͤnſtlich bilden kan.
Aber Gottſched wollte kurzum einen Stuͤmper haben, und
muß das Lateiniſche ſo verſtanden haben, als ob es ſtuͤhn-
de: Faber, qui circa ludum ab Aemilio datum ære ex-
primendum occupatur.
Es iſt darum auch das Bekaͤnnt-
niß, welches er wegen dieſes Fehlers in der Vorrede zu
der zweyten Auflage ableget, deſto merckwirdiger, weil er
daſelbſt die Offenbarung dieſes Schnitzers einem werthen
Freunde und groſſen Kenner des Alterthums verdan-
ket, auch dabey erinnert, daß es heiſſen ſollte:
Beym Fechterplaz Aemils laͤßt man ſich Bilder gieſſen.
Und doch ungeachtet dieſes Bekaͤnntniſſes, welches in der
neuen Auflage gantz feyrlich wiederholet worden, hat man
in der Ueberſetzung den alten Schnitzer wieder ſtehen laſ-
ſen; woraus man gantz ſicher ſchlieſſen kan, wie viel Sorg-
falt auf die Ausbeſſerung dieſer Ueberſetzung von Zeit zu
Zeit verwendet worden.
V. 44. Die Naͤgel an den Fuͤſſen.)
Wollte jemand fragen, ob denn ungues nur die Naͤgel
an den Fuͤſſen, und nicht eben ſo wohl die an den Haͤn-
den bezeichne? So kan ich nur ſo viel ſagen, daß die
Fuͤſſe hier ihren zureichenden Grund in dem Reinwort
gieſſen haben.
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[96/0096] Pruͤffung der Ueberſetzung Da hat der Stuͤmper nun die Naͤgel an den Fuͤſſen Und V. 44. Die Naͤgel an den Fuͤſſen.) Wollte jemand fragen, ob denn ungues nur die Naͤgel an den Fuͤſſen, und nicht eben ſo wohl die an den Haͤn- den bezeichne? So kan ich nur ſo viel ſagen, daß die Fuͤſſe hier ihren zureichenden Grund in dem Reinwort gieſſen haben. hingeſchmieret hat: Es muß einer gar kein Latein verſtehen, wenn er nicht mercken kan, daß Horaz von einem Gieſſer redet, der circa Ludum Aemilium gewohnet hat, dem er zwar das Lob beyleget, daß er die Naͤgel und die weichen Haare an einem Bild gar kuͤnſtlich und natuͤrlich ausdruͤ- ken koͤnne, dabey aber nicht im Stande ſey, ein ganzes Bild in ſeiner rechten Symmetrie aufzuſtellen. Sein Bond haͤtte ihn dieſes lehren, und Hr. von Eckard haͤtte ihn vor einem ſolchen Schnitzer, der kaum einem Schuͤler zu ver- zeihen iſt, verwahren koͤnnen. Dieſer giebt den Vers: Aemilium circa ludum Faber imus, oder unus &c. Seht an der Rennebahn den guten Gieſſer an, Der Naͤgel und das Haar gar kuͤnſtlich bilden kan. Aber Gottſched wollte kurzum einen Stuͤmper haben, und muß das Lateiniſche ſo verſtanden haben, als ob es ſtuͤhn- de: Faber, qui circa ludum ab Aemilio datum ære ex- primendum occupatur. Es iſt darum auch das Bekaͤnnt- niß, welches er wegen dieſes Fehlers in der Vorrede zu der zweyten Auflage ableget, deſto merckwirdiger, weil er daſelbſt die Offenbarung dieſes Schnitzers einem werthen Freunde und groſſen Kenner des Alterthums verdan- ket, auch dabey erinnert, daß es heiſſen ſollte: Beym Fechterplaz Aemils laͤßt man ſich Bilder gieſſen. Und doch ungeachtet dieſes Bekaͤnntniſſes, welches in der neuen Auflage gantz feyrlich wiederholet worden, hat man in der Ueberſetzung den alten Schnitzer wieder ſtehen laſ- ſen; woraus man gantz ſicher ſchlieſſen kan, wie viel Sorg- falt auf die Ausbeſſerung dieſer Ueberſetzung von Zeit zu Zeit verwendet worden.

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung09_1743/96>, abgerufen am 28.04.2024.