[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749.bey Ankunft Martin Opitzens. Weißheit macht sein Hertz groß,Stets siegreich, unvergliechen, Er, der für seinen Lohn Sucht der Seligkeit Cron, Und sich selbst überlebet. Ueber den frühen Tod einer Fräulein. DEin Leben, dessen End uns plaget, War wie ein Tag schön und nicht lang, Ein Stern vor des Morgens Aufgang, Die Röthin während weil es taget, Ein Seufftz aus einer edlen Brust, Ein Klag aus Lieb, nicht aus Unlust, Ein Nebel, den die Sonn verjaget. Ein Staub der mit dem Wind entstehet, Ein Thau in des Sommers Anbruch, Ein Lufft mit lieblichem Geruch, Ein Schnee der Frühlings-Zeit abgehet, Ein Blum die frisch und welck zugleich, Ein Regenbog von Farben reich, Ein Zweig welchen der Wind umwehet. Ein Schaur in Sommer-Zeit vergossen, Ein Eiß an heissem Sonnenschein, Ein Glaß also brüchig als rein, Ein Wasser über Nacht verflossen, Ein Blitz zumahl geschwind und hell, Ein Strahl schiessend herab gar schnell, Ein Gelächter mit Leid beschlossen. Ein Stimm die lieblich dahin fähret, Ein Widerhall der Stimm in Eil, Ein Zeitvertreiben mit Kurtzweil, Ein Traum der mit dem Schlaff aufhöret, Ein Flug des Vogels mit Begier, Ein Schatt, wann die Sonn sticht herfür, Ein Rauch welchen der Wind zerstöret. Also
bey Ankunft Martin Opitzens. Weißheit macht ſein Hertz groß,Stets ſiegreich, unvergliechen, Er, der fuͤr ſeinen Lohn Sucht der Seligkeit Cron, Und ſich ſelbſt uͤberlebet. Ueber den fruͤhen Tod einer Fraͤulein. DEin Leben, deſſen End uns plaget, War wie ein Tag ſchoͤn und nicht lang, Ein Stern vor des Morgens Aufgang, Die Roͤthin waͤhrend weil es taget, Ein Seufftz aus einer edlen Bruſt, Ein Klag aus Lieb, nicht aus Unluſt, Ein Nebel, den die Sonn verjaget. Ein Staub der mit dem Wind entſtehet, Ein Thau in des Sommers Anbruch, Ein Lufft mit lieblichem Geruch, Ein Schnee der Fruͤhlings-Zeit abgehet, Ein Blum die friſch und welck zugleich, Ein Regenbog von Farben reich, Ein Zweig welchen der Wind umwehet. Ein Schaur in Sommer-Zeit vergoſſen, Ein Eiß an heiſſem Sonnenſchein, Ein Glaß alſo bruͤchig als rein, Ein Waſſer uͤber Nacht verfloſſen, Ein Blitz zumahl geſchwind und hell, Ein Strahl ſchieſſend herab gar ſchnell, Ein Gelaͤchter mit Leid beſchloſſen. Ein Stimm die lieblich dahin faͤhret, Ein Widerhall der Stimm in Eil, Ein Zeitvertreiben mit Kurtzweil, Ein Traum der mit dem Schlaff aufhoͤret, Ein Flug des Vogels mit Begier, Ein Schatt, wann die Sonn ſticht herfuͤr, Ein Rauch welchen der Wind zerſtoͤret. Alſo
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bey Ankunft Martin Opitzens.
Weißheit macht ſein Hertz groß,
Stets ſiegreich, unvergliechen,
Er, der fuͤr ſeinen Lohn
Sucht der Seligkeit Cron,
Und ſich ſelbſt uͤberlebet.
Ueber den fruͤhen Tod einer Fraͤulein.
DEin Leben, deſſen End uns plaget,
War wie ein Tag ſchoͤn und nicht lang,
Ein Stern vor des Morgens Aufgang,
Die Roͤthin waͤhrend weil es taget,
Ein Seufftz aus einer edlen Bruſt,
Ein Klag aus Lieb, nicht aus Unluſt,
Ein Nebel, den die Sonn verjaget.
Ein Staub der mit dem Wind entſtehet,
Ein Thau in des Sommers Anbruch,
Ein Lufft mit lieblichem Geruch,
Ein Schnee der Fruͤhlings-Zeit abgehet,
Ein Blum die friſch und welck zugleich,
Ein Regenbog von Farben reich,
Ein Zweig welchen der Wind umwehet.
Ein Schaur in Sommer-Zeit vergoſſen,
Ein Eiß an heiſſem Sonnenſchein,
Ein Glaß alſo bruͤchig als rein,
Ein Waſſer uͤber Nacht verfloſſen,
Ein Blitz zumahl geſchwind und hell,
Ein Strahl ſchieſſend herab gar ſchnell,
Ein Gelaͤchter mit Leid beſchloſſen.
Ein Stimm die lieblich dahin faͤhret,
Ein Widerhall der Stimm in Eil,
Ein Zeitvertreiben mit Kurtzweil,
Ein Traum der mit dem Schlaff aufhoͤret,
Ein Flug des Vogels mit Begier,
Ein Schatt, wann die Sonn ſticht herfuͤr,
Ein Rauch welchen der Wind zerſtoͤret.
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