Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite
Von dem Zustande der Poesie
Diese mit Wasser, Gifft, Schwerdt oder Strick
Selbst über sich ein schrecklich Urtheil sprechen,
Und rettend sich von zu schwerem Unglück
Zweiffeln sie nicht sich wider sich zu rächen.
Jene kommen mit Zwang
Jn dieses Lebens Leiden,
Finden gleich den Ausgang,
Und andre Müh vermeiden,
Oder sich in ihr Grab,
Eh sie einige Gab
Des Tags selig geniessen,
Jn Mutter-Leib beschliessen.
Der Tod gewiß klopffet mit einem Bein
An grosser Herrn Wolcken-tragende Schlösser,
Und armer Leut liegende Hüttelein,
Und ist für beyd weder böser noch besser.
Den Leib ein Tod allein
Mit unheilbaren Plagen,
Unentfliehlicher Pein,
Und undienstlichen Klagen,
Aengstiget Tag und Nacht,
Und die Seel wird gebracht
Vor Minos, der kein Flehen
Mehr pfleget anzusehen.
Der Weg ist breit in das finstere Hauß,
Offen die Thür, daß man hinein stets gehet,
Aber wiedrum zu entrinnen daraus,
Hierauf das Werck, hierauf die Müh bestehet.
Der Tugend Weg ist schmahl,
Mit Dornen wohl verschlossen,
Gering ist die Anzahl,
Deren die unverdrossen
Und durch der Götter Gunst,
Und der Tugend Einbrunst,
Von dem Pöffel entzogen
Zu dem Gestirn geflogen.
Der, deß Hertz mit Tugend gewaffnet ist,
Gleich wie, Potzheim, dein edles Hertz zu sehen,
Der kan des Glücks Zorn, Wanckelmuth, und List
Vest, wie ein Fels, unzaghafft widerstehen:
Er ist allzeit forchtloß,
Vor dem Strahl unverblichen,
Weiß-
Von dem Zuſtande der Poeſie
Dieſe mit Waſſer, Gifft, Schwerdt oder Strick
Selbſt uͤber ſich ein ſchrecklich Urtheil ſprechen,
Und rettend ſich von zu ſchwerem Ungluͤck
Zweiffeln ſie nicht ſich wider ſich zu raͤchen.
Jene kommen mit Zwang
Jn dieſes Lebens Leiden,
Finden gleich den Ausgang,
Und andre Muͤh vermeiden,
Oder ſich in ihr Grab,
Eh ſie einige Gab
Des Tags ſelig genieſſen,
Jn Mutter-Leib beſchlieſſen.
Der Tod gewiß klopffet mit einem Bein
An groſſer Herrn Wolcken-tragende Schloͤſſer,
Und armer Leut liegende Huͤttelein,
Und iſt fuͤr beyd weder boͤſer noch beſſer.
Den Leib ein Tod allein
Mit unheilbaren Plagen,
Unentfliehlicher Pein,
Und undienſtlichen Klagen,
Aengſtiget Tag und Nacht,
Und die Seel wird gebracht
Vor Minos, der kein Flehen
Mehr pfleget anzuſehen.
Der Weg iſt breit in das finſtere Hauß,
Offen die Thuͤr, daß man hinein ſtets gehet,
Aber wiedrum zu entrinnen daraus,
Hierauf das Werck, hierauf die Muͤh beſtehet.
Der Tugend Weg iſt ſchmahl,
Mit Dornen wohl verſchloſſen,
Gering iſt die Anzahl,
Deren die unverdroſſen
Und durch der Goͤtter Gunſt,
Und der Tugend Einbrunſt,
Von dem Poͤffel entzogen
Zu dem Geſtirn geflogen.
Der, deß Hertz mit Tugend gewaffnet iſt,
Gleich wie, Potzheim, dein edles Hertz zu ſehen,
Der kan des Gluͤcks Zorn, Wanckelmuth, und Liſt
Veſt, wie ein Fels, unzaghafft widerſtehen:
Er iſt allzeit forchtloß,
Vor dem Strahl unverblichen,
Weiß-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0012" n="12"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von dem Zu&#x017F;tande der Poe&#x017F;ie</hi> </fw><lb/>
          <lg n="5">
            <l>Die&#x017F;e mit Wa&#x017F;&#x017F;er, Gifft, Schwerdt oder Strick</l><lb/>
            <l>Selb&#x017F;t u&#x0364;ber &#x017F;ich ein &#x017F;chrecklich Urtheil &#x017F;prechen,</l><lb/>
            <l>Und rettend &#x017F;ich von zu &#x017F;chwerem Unglu&#x0364;ck</l><lb/>
            <l>Zweiffeln &#x017F;ie nicht &#x017F;ich wider &#x017F;ich zu ra&#x0364;chen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="6">
            <l>Jene kommen mit Zwang</l><lb/>
            <l>Jn die&#x017F;es Lebens Leiden,</l><lb/>
            <l>Finden gleich den Ausgang,</l><lb/>
            <l>Und andre Mu&#x0364;h vermeiden,</l><lb/>
            <l>Oder &#x017F;ich in ihr Grab,</l><lb/>
            <l>Eh &#x017F;ie einige Gab</l><lb/>
            <l>Des Tags &#x017F;elig genie&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Jn Mutter-Leib be&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="7">
            <l>Der Tod gewiß klopffet mit einem Bein</l><lb/>
            <l>An gro&#x017F;&#x017F;er Herrn Wolcken-tragende Schlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;er,</l><lb/>
            <l>Und armer Leut liegende Hu&#x0364;ttelein,</l><lb/>
            <l>Und i&#x017F;t fu&#x0364;r beyd weder bo&#x0364;&#x017F;er noch be&#x017F;&#x017F;er.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="8">
            <l>Den Leib ein Tod allein</l><lb/>
            <l>Mit unheilbaren Plagen,</l><lb/>
            <l>Unentfliehlicher Pein,</l><lb/>
            <l>Und undien&#x017F;tlichen Klagen,</l><lb/>
            <l>Aeng&#x017F;tiget Tag und Nacht,</l><lb/>
            <l>Und die Seel wird gebracht</l><lb/>
            <l>Vor Minos, der kein Flehen</l><lb/>
            <l>Mehr pfleget anzu&#x017F;ehen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="9">
            <l>Der Weg i&#x017F;t breit in das fin&#x017F;tere Hauß,</l><lb/>
            <l>Offen die Thu&#x0364;r, daß man hinein &#x017F;tets gehet,</l><lb/>
            <l>Aber wiedrum zu entrinnen daraus,</l><lb/>
            <l>Hierauf das Werck, hierauf die Mu&#x0364;h be&#x017F;tehet.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="10">
            <l>Der Tugend Weg i&#x017F;t &#x017F;chmahl,</l><lb/>
            <l>Mit Dornen wohl ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Gering i&#x017F;t die Anzahl,</l><lb/>
            <l>Deren die unverdro&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
            <l>Und durch der Go&#x0364;tter Gun&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Und der Tugend Einbrun&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Von dem Po&#x0364;ffel entzogen</l><lb/>
            <l>Zu dem Ge&#x017F;tirn geflogen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="11">
            <l>Der, deß Hertz mit Tugend gewaffnet i&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Gleich wie, Potzheim, dein edles Hertz zu &#x017F;ehen,</l><lb/>
            <l>Der kan des Glu&#x0364;cks Zorn, Wanckelmuth, und Li&#x017F;t</l><lb/>
            <l>Ve&#x017F;t, wie ein Fels, unzaghafft wider&#x017F;tehen:</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="12">
            <l>Er i&#x017F;t allzeit forchtloß,</l><lb/>
            <l>Vor dem Strahl unverblichen,</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Weiß-</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0012] Von dem Zuſtande der Poeſie Dieſe mit Waſſer, Gifft, Schwerdt oder Strick Selbſt uͤber ſich ein ſchrecklich Urtheil ſprechen, Und rettend ſich von zu ſchwerem Ungluͤck Zweiffeln ſie nicht ſich wider ſich zu raͤchen. Jene kommen mit Zwang Jn dieſes Lebens Leiden, Finden gleich den Ausgang, Und andre Muͤh vermeiden, Oder ſich in ihr Grab, Eh ſie einige Gab Des Tags ſelig genieſſen, Jn Mutter-Leib beſchlieſſen. Der Tod gewiß klopffet mit einem Bein An groſſer Herrn Wolcken-tragende Schloͤſſer, Und armer Leut liegende Huͤttelein, Und iſt fuͤr beyd weder boͤſer noch beſſer. Den Leib ein Tod allein Mit unheilbaren Plagen, Unentfliehlicher Pein, Und undienſtlichen Klagen, Aengſtiget Tag und Nacht, Und die Seel wird gebracht Vor Minos, der kein Flehen Mehr pfleget anzuſehen. Der Weg iſt breit in das finſtere Hauß, Offen die Thuͤr, daß man hinein ſtets gehet, Aber wiedrum zu entrinnen daraus, Hierauf das Werck, hierauf die Muͤh beſtehet. Der Tugend Weg iſt ſchmahl, Mit Dornen wohl verſchloſſen, Gering iſt die Anzahl, Deren die unverdroſſen Und durch der Goͤtter Gunſt, Und der Tugend Einbrunſt, Von dem Poͤffel entzogen Zu dem Geſtirn geflogen. Der, deß Hertz mit Tugend gewaffnet iſt, Gleich wie, Potzheim, dein edles Hertz zu ſehen, Der kan des Gluͤcks Zorn, Wanckelmuth, und Liſt Veſt, wie ein Fels, unzaghafft widerſtehen: Er iſt allzeit forchtloß, Vor dem Strahl unverblichen, Weiß-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung09_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung09_1743/12
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung09_1743/12>, abgerufen am 23.11.2024.