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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743.

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als Verleger der deutsch. Aeneis.
gils in eben so viele deutsche Verse Zeile von Zeile
zu übersetzen, und dabey alle Regeln der cri-
tischen Reinigkeit
auf das genaueste zu beobach-
ten, damit er der studierenden Jugend ein Mu-
ster einer reinen Poesie vorlegete.
Er bat fer-
ner daß Hr. Jonquilie auf die künstliche Vermi-
schung der Selbstlauter und Mitlauter Acht ge-
ben mögte, welche in verständigen Ohren einen
so süssen Wohlklang verursachete. Dieser ant-
wortete ihm darauf: Es wäre nicht genug, daß
die schwartzische Aeneis eben so viel Zeilen hätte,
als die Römische, sie sollte ihr vielmehr an der
Anzahl der Begriffe, an dem Maasse, dem Nach-
druck, und Leben derselben gleichen; nichts wäre
leichter als ein Werck von eben so vielen Versen
machen, als Virgils hätte; man könnte die An-
zahl der Virgilianischen Verse vielleicht eben so
richtig im Hans Sachsen finden. Was den Wohl-
klang anlangete, so wäre wahr, daß die Ohren
so viel Verstand darinnen fänden, daß es schiene
aller Verstand und Witz des Uebersetzers wäre
in die Buchstaben und Sylben gefahren; man
würde in folgenden und tausend dergleichen Zeilen
nichts weiters antreffen, als künstlich vermischte
Selbstlauter und Mitlauter; und in dieser Be-
trachtung könnte eine jede von denselben für sich
selbst bestehen, ohne daß sie einen gewissermassen
bestimmten Verstand in sich fassete; oder die von
ihm gerühmte critische Reinigkeit verletzete, wel-
che sich nicht weiter als auf den Klang bezöge.
Wie rein und klingend, sagte er, sind zum
Exempel:

- - besetz-
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als Verleger der deutſch. Aeneis.
gils in eben ſo viele deutſche Verſe Zeile von Zeile
zu uͤberſetzen, und dabey alle Regeln der cri-
tiſchen Reinigkeit
auf das genaueſte zu beobach-
ten, damit er der ſtudierenden Jugend ein Mu-
ſter einer reinen Poeſie vorlegete.
Er bat fer-
ner daß Hr. Jonquilie auf die kuͤnſtliche Vermi-
ſchung der Selbſtlauter und Mitlauter Acht ge-
ben moͤgte, welche in verſtaͤndigen Ohren einen
ſo ſuͤſſen Wohlklang verurſachete. Dieſer ant-
wortete ihm darauf: Es waͤre nicht genug, daß
die ſchwartziſche Aeneis eben ſo viel Zeilen haͤtte,
als die Roͤmiſche, ſie ſollte ihr vielmehr an der
Anzahl der Begriffe, an dem Maaſſe, dem Nach-
druck, und Leben derſelben gleichen; nichts waͤre
leichter als ein Werck von eben ſo vielen Verſen
machen, als Virgils haͤtte; man koͤnnte die An-
zahl der Virgilianiſchen Verſe vielleicht eben ſo
richtig im Hans Sachſen finden. Was den Wohl-
klang anlangete, ſo waͤre wahr, daß die Ohren
ſo viel Verſtand darinnen faͤnden, daß es ſchiene
aller Verſtand und Witz des Ueberſetzers waͤre
in die Buchſtaben und Sylben gefahren; man
wuͤrde in folgenden und tauſend dergleichen Zeilen
nichts weiters antreffen, als kuͤnſtlich vermiſchte
Selbſtlauter und Mitlauter; und in dieſer Be-
trachtung koͤnnte eine jede von denſelben fuͤr ſich
ſelbſt beſtehen, ohne daß ſie einen gewiſſermaſſen
beſtimmten Verſtand in ſich faſſete; oder die von
ihm geruͤhmte critiſche Reinigkeit verletzete, wel-
che ſich nicht weiter als auf den Klang bezoͤge.
Wie rein und klingend, ſagte er, ſind zum
Exempel:

‒ ‒ beſetz-
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[41/0041] als Verleger der deutſch. Aeneis. gils in eben ſo viele deutſche Verſe Zeile von Zeile zu uͤberſetzen, und dabey alle Regeln der cri- tiſchen Reinigkeit auf das genaueſte zu beobach- ten, damit er der ſtudierenden Jugend ein Mu- ſter einer reinen Poeſie vorlegete. Er bat fer- ner daß Hr. Jonquilie auf die kuͤnſtliche Vermi- ſchung der Selbſtlauter und Mitlauter Acht ge- ben moͤgte, welche in verſtaͤndigen Ohren einen ſo ſuͤſſen Wohlklang verurſachete. Dieſer ant- wortete ihm darauf: Es waͤre nicht genug, daß die ſchwartziſche Aeneis eben ſo viel Zeilen haͤtte, als die Roͤmiſche, ſie ſollte ihr vielmehr an der Anzahl der Begriffe, an dem Maaſſe, dem Nach- druck, und Leben derſelben gleichen; nichts waͤre leichter als ein Werck von eben ſo vielen Verſen machen, als Virgils haͤtte; man koͤnnte die An- zahl der Virgilianiſchen Verſe vielleicht eben ſo richtig im Hans Sachſen finden. Was den Wohl- klang anlangete, ſo waͤre wahr, daß die Ohren ſo viel Verſtand darinnen faͤnden, daß es ſchiene aller Verſtand und Witz des Ueberſetzers waͤre in die Buchſtaben und Sylben gefahren; man wuͤrde in folgenden und tauſend dergleichen Zeilen nichts weiters antreffen, als kuͤnſtlich vermiſchte Selbſtlauter und Mitlauter; und in dieſer Be- trachtung koͤnnte eine jede von denſelben fuͤr ſich ſelbſt beſtehen, ohne daß ſie einen gewiſſermaſſen beſtimmten Verſtand in ſich faſſete; oder die von ihm geruͤhmte critiſche Reinigkeit verletzete, wel- che ſich nicht weiter als auf den Klang bezoͤge. Wie rein und klingend, ſagte er, ſind zum Exempel: ‒ ‒ beſetz- C 5

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743/41>, abgerufen am 24.11.2024.