[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743.Schreiben an Hrn. Zunkel multa Jura; in diesem Verstande sey Hr. Schwartzein Coctor Jurium; und was mehr dergleichen possierliche Einfälle sind, die wenigstens nicht so zauberisch herauskommen, als wenn dieser schertz- hafte Verfasser ein paar Schweitzerhosen ver- schlückt. Aber niemand hat die deutsche Aeneis ärger geschimpft, als der Herr von Jonquilie. Die gantze Stadt trägt sich mit der Execution, die er damit vorgenommen. Er lud am letzten Abend des vorigen Jahres eine grosse Anzahl Her- ren und Frauenzimmer zu sich, denselben eröffnete er beym Camin, daß er über Schwartzens Ae- neis Gericht gehalten hätte; und er hätte bey sei- nen richterlichen Amtspflichten gefunden, daß das göttliche Gedichte Virgils darinnen geschändet, entweyhet und entheiliget wäre; dafür habe er sie zum Feuer verurtheilet. Er hoffete daß niemand wider sein Richteramt oder sein Urtheil etwas ein- zuwenden haben werde, jenes habe er mit einem halben Reichsthaler rechtmässig gekauft, und die- ses wollte er gegen einen jeden behaupten, wo- fern jemand vorhanden wäre, der für die Ver- urtheilete reden wollte. Man billigte insgemein sein ausgesprochenes Urtheil, und lobete seinen Ei- fer für die Ehre des römischen Poeten. Es schien, daß sich niemand der deutschen Aeneis annehmen wollte, bis nach langem ein junger Magister, Nahmens Hr. Tulipe, ein bekannter Freund der Hrrn. Gottsched u. Schwartz, auf den jedermanns Augen gerichtet waren, ein Hertz fassete, und erstlich vorstellete, was vor saure Mühe es den Hrn. Schwartz gekostet hätte, die Aeneis Vir- gils
Schreiben an Hrn. Zunkel multa Jura; in dieſem Verſtande ſey Hr. Schwartzein Coctor Jurium; und was mehr dergleichen poſſierliche Einfaͤlle ſind, die wenigſtens nicht ſo zauberiſch herauskommen, als wenn dieſer ſchertz- hafte Verfaſſer ein paar Schweitzerhoſen ver- ſchluͤckt. Aber niemand hat die deutſche Aeneis aͤrger geſchimpft, als der Herr von Jonquilie. Die gantze Stadt traͤgt ſich mit der Execution, die er damit vorgenommen. Er lud am letzten Abend des vorigen Jahres eine groſſe Anzahl Her- ren und Frauenzimmer zu ſich, denſelben eroͤffnete er beym Camin, daß er uͤber Schwartzens Ae- neis Gericht gehalten haͤtte; und er haͤtte bey ſei- nen richterlichen Amtspflichten gefunden, daß das goͤttliche Gedichte Virgils darinnen geſchaͤndet, entweyhet und entheiliget waͤre; dafuͤr habe er ſie zum Feuer verurtheilet. Er hoffete daß niemand wider ſein Richteramt oder ſein Urtheil etwas ein- zuwenden haben werde, jenes habe er mit einem halben Reichsthaler rechtmaͤſſig gekauft, und die- ſes wollte er gegen einen jeden behaupten, wo- fern jemand vorhanden waͤre, der fuͤr die Ver- urtheilete reden wollte. Man billigte insgemein ſein ausgeſprochenes Urtheil, und lobete ſeinen Ei- fer fuͤr die Ehre des roͤmiſchen Poeten. Es ſchien, daß ſich niemand der deutſchen Aeneis annehmen wollte, bis nach langem ein junger Magiſter, Nahmens Hr. Tulipe, ein bekannter Freund der Hrrn. Gottſched u. Schwartz, auf den jedermanns Augen gerichtet waren, ein Hertz faſſete, und erſtlich vorſtellete, was vor ſaure Muͤhe es den Hrn. Schwartz gekoſtet haͤtte, die Aeneis Vir- gils
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Schreiben an Hrn. Zunkel
multa Jura; in dieſem Verſtande ſey Hr. Schwartz
ein Coctor Jurium; und was mehr dergleichen
poſſierliche Einfaͤlle ſind, die wenigſtens nicht ſo
zauberiſch herauskommen, als wenn dieſer ſchertz-
hafte Verfaſſer ein paar Schweitzerhoſen ver-
ſchluͤckt. Aber niemand hat die deutſche Aeneis
aͤrger geſchimpft, als der Herr von Jonquilie.
Die gantze Stadt traͤgt ſich mit der Execution,
die er damit vorgenommen. Er lud am letzten
Abend des vorigen Jahres eine groſſe Anzahl Her-
ren und Frauenzimmer zu ſich, denſelben eroͤffnete
er beym Camin, daß er uͤber Schwartzens Ae-
neis Gericht gehalten haͤtte; und er haͤtte bey ſei-
nen richterlichen Amtspflichten gefunden, daß das
goͤttliche Gedichte Virgils darinnen geſchaͤndet,
entweyhet und entheiliget waͤre; dafuͤr habe er ſie
zum Feuer verurtheilet. Er hoffete daß niemand
wider ſein Richteramt oder ſein Urtheil etwas ein-
zuwenden haben werde, jenes habe er mit einem
halben Reichsthaler rechtmaͤſſig gekauft, und die-
ſes wollte er gegen einen jeden behaupten, wo-
fern jemand vorhanden waͤre, der fuͤr die Ver-
urtheilete reden wollte. Man billigte insgemein
ſein ausgeſprochenes Urtheil, und lobete ſeinen Ei-
fer fuͤr die Ehre des roͤmiſchen Poeten. Es ſchien,
daß ſich niemand der deutſchen Aeneis annehmen
wollte, bis nach langem ein junger Magiſter,
Nahmens Hr. Tulipe, ein bekannter Freund der
Hrrn. Gottſched u. Schwartz, auf den jedermanns
Augen gerichtet waren, ein Hertz faſſete, und
erſtlich vorſtellete, was vor ſaure Muͤhe es den
Hrn. Schwartz gekoſtet haͤtte, die Aeneis Vir-
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