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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743.

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des sechszehnten Jahrhunderts.
men Sprung etc. - Darum ist ein Thor, wer
den, dem er nicht entrinnen mag, alle Tage
flieht, und meint, wann er seine Schellen
schüttere, daß ihn der Tod nicht sehen möge.
Es ist kaum um einen Rock zu thun, daß der
Sohn nach dem Vater lebe. Zuweilen stirbt
er vor dem Vater, und man findet auch viel
Kälberhäute."

Es ist eine Scharfsinnigkeit, die aus der
Sache selber entspringet, wenn er von dem
König Midas sagt, er habe recht gehabt,
daß er seinen Kopf gedeckt habe, damit man
ihm seine Eselsohren nicht sähe; wiewohl
diese hernach in den Rohren gewachsen
wären.

Und was vor Worte könnten erhabener für
folgende hohe Gedancken seyn, als diese, wel-
che er der Weisheit in den Mund giebt:
Durch mich, sagt sie, haben die Könige ihre
Kronen, durch mich entstehen alle rechtmässi-
ge Gesetze, durch mich haben die Fürsten ihr
Land, durch mich hat jede Obrigkeit ihre Rechts-
sprüche. Wer mich lieb hat, den liebe ich auch;
wer mich frühe sucht, der findet mich. Bey
mir ist Reichthum, Gut, und Ehre. Mich hat
Gott der Herr von Anbeginn in der Ewigkeit
besessen, Er hat alle Dinge durch mich zuberei-
tet; nichts ist ohne mich gemachet.

Und mit was vor starcken Zügen hat er den
weisen Menschen nach der Vorbildung Vir-
gils geschildert:

"Der Weise ist sein eigener
Richter, so oft er Abgang an Weisheit lei-
det,

des ſechszehnten Jahrhunderts.
men Sprung ꝛc. - Darum iſt ein Thor, wer
den, dem er nicht entrinnen mag, alle Tage
flieht, und meint, wann er ſeine Schellen
ſchuͤttere, daß ihn der Tod nicht ſehen moͤge.
Es iſt kaum um einen Rock zu thun, daß der
Sohn nach dem Vater lebe. Zuweilen ſtirbt
er vor dem Vater, und man findet auch viel
Kaͤlberhaͤute.„

Es iſt eine Scharfſinnigkeit, die aus der
Sache ſelber entſpringet, wenn er von dem
Koͤnig Midas ſagt, er habe recht gehabt,
daß er ſeinen Kopf gedeckt habe, damit man
ihm ſeine Eſelsohren nicht ſaͤhe; wiewohl
dieſe hernach in den Rohren gewachſen
waͤren.

Und was vor Worte koͤnnten erhabener fuͤr
folgende hohe Gedancken ſeyn, als dieſe, wel-
che er der Weisheit in den Mund giebt:
Durch mich, ſagt ſie, haben die Koͤnige ihre
Kronen, durch mich entſtehen alle rechtmaͤſſi-
ge Geſetze, durch mich haben die Fuͤrſten ihr
Land, durch mich hat jede Obrigkeit ihre Rechts-
ſpruͤche. Wer mich lieb hat, den liebe ich auch;
wer mich fruͤhe ſucht, der findet mich. Bey
mir iſt Reichthum, Gut, und Ehre. Mich hat
Gott der Herr von Anbeginn in der Ewigkeit
beſeſſen, Er hat alle Dinge durch mich zuberei-
tet; nichts iſt ohne mich gemachet.

Und mit was vor ſtarcken Zuͤgen hat er den
weiſen Menſchen nach der Vorbildung Vir-
gils geſchildert:

„Der Weiſe iſt ſein eigener
Richter, ſo oft er Abgang an Weisheit lei-
det,
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[15/0015] des ſechszehnten Jahrhunderts. men Sprung ꝛc. - Darum iſt ein Thor, wer den, dem er nicht entrinnen mag, alle Tage flieht, und meint, wann er ſeine Schellen ſchuͤttere, daß ihn der Tod nicht ſehen moͤge. Es iſt kaum um einen Rock zu thun, daß der Sohn nach dem Vater lebe. Zuweilen ſtirbt er vor dem Vater, und man findet auch viel Kaͤlberhaͤute.„ Es iſt eine Scharfſinnigkeit, die aus der Sache ſelber entſpringet, wenn er von dem Koͤnig Midas ſagt, er habe recht gehabt, daß er ſeinen Kopf gedeckt habe, damit man ihm ſeine Eſelsohren nicht ſaͤhe; wiewohl dieſe hernach in den Rohren gewachſen waͤren. Und was vor Worte koͤnnten erhabener fuͤr folgende hohe Gedancken ſeyn, als dieſe, wel- che er der Weisheit in den Mund giebt: Durch mich, ſagt ſie, haben die Koͤnige ihre Kronen, durch mich entſtehen alle rechtmaͤſſi- ge Geſetze, durch mich haben die Fuͤrſten ihr Land, durch mich hat jede Obrigkeit ihre Rechts- ſpruͤche. Wer mich lieb hat, den liebe ich auch; wer mich fruͤhe ſucht, der findet mich. Bey mir iſt Reichthum, Gut, und Ehre. Mich hat Gott der Herr von Anbeginn in der Ewigkeit beſeſſen, Er hat alle Dinge durch mich zuberei- tet; nichts iſt ohne mich gemachet. Und mit was vor ſtarcken Zuͤgen hat er den weiſen Menſchen nach der Vorbildung Vir- gils geſchildert: „Der Weiſe iſt ſein eigener Richter, ſo oft er Abgang an Weisheit lei- det,

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743/15>, abgerufen am 21.11.2024.