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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742.

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Neue Vorrede
freyen Künste bald wieder verdunckeln könnte,

uns
nicht
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ses Spielwerck, wenn es
auch noch so prächtig und
Königlich ist, kan zu keinen
grossen Leidenschaften Anlaß
geben, und folglich in kei-
nem Heldengedichte besungen
werden: So wenig als
Frischlinus in Beschreibung
der Würtenbergischen und
Hohenzollerischen Hochzeiten,
ein paar Heldengedichte ver-
fertiget hat. Die Franzosen
haben izo an ihrem Voltaire
einen Poeten, der ihre Ehre
gegen die vorerwähnten bey-
den Nationen durch seine
Henriade so gut behauptet,
als selbige durch den Chape-
lain war geschmälert wor-
den. Jn Tragödien und
Comödien aber sind sie die
grösten Meister, und kön-
nen durch ihre Corneille, Ra-
cine, Moliere und verschie-
dene neuere, nicht nur uns
Deutschen, sondern so gar
den alten Griechen und Rö-
mern trotzen.

[Spaltenumbruch]

ist nur eine Uebersetzung, und
kan uns also zu keiner Ehre
gereichen. Jn Trauerspielen
haben wir den Ausländern
nicht nur den Gryphius,
Hallmann und Lohenstein, son-
dern sehr viele andre neuere
Dichter entgegen zu setzen, die
sich seit zwölf Jahren, da diese
Dichtkunst zum erstenmal er-
schienen, (ich schreibe dieß
1741.) hervorgethan haben,
und schon im Begriffe stehen,
ans Licht zu treten. Thun es
diese schon einem Corneille
und Racine noch nicht in al-
lem gleich, so haben sie auch
viele Fehler dieser beyden
Franzosen nicht an sich;
und können es doch, theils
mit den neuern Franzosen,
theils so wohl mit den Wel-
schen als Engländern auf-
nehmen, deren Schaubühne
in sehr grosser Verwirrung ist.
Jn der Comödie haben wir
nicht nur Dedekinds, Gryphii,
Riemers, und Weisens, son-
dern eine grosse Menge an-
drer Stücke in Händen, die
seit 200. Jahren bey uns ge-
druckt worden. Und sind die-
se gleichfalls mit des Moliere
und Des Touches Lustspielen

[Ende Spaltensatz]

Neue Vorrede
freyen Kuͤnſte bald wieder verdunckeln koͤnnte,

uns
nicht
[Beginn Spaltensatz]

ſes Spielwerck, wenn es
auch noch ſo praͤchtig und
Koͤniglich iſt, kan zu keinen
groſſen Leidenſchaften Anlaß
geben, und folglich in kei-
nem Heldengedichte beſungen
werden: So wenig als
Friſchlinus in Beſchreibung
der Wuͤrtenbergiſchen und
Hohenzolleriſchen Hochzeiten,
ein paar Heldengedichte ver-
fertiget hat. Die Franzoſen
haben izo an ihrem Voltaire
einen Poeten, der ihre Ehre
gegen die vorerwaͤhnten bey-
den Nationen durch ſeine
Henriade ſo gut behauptet,
als ſelbige durch den Chape-
lain war geſchmaͤlert wor-
den. Jn Tragoͤdien und
Comoͤdien aber ſind ſie die
groͤſten Meiſter, und koͤn-
nen durch ihre Corneille, Ra-
cine, Moliere und verſchie-
dene neuere, nicht nur uns
Deutſchen, ſondern ſo gar
den alten Griechen und Roͤ-
mern trotzen.

[Spaltenumbruch]

iſt nur eine Ueberſetzung, und
kan uns alſo zu keiner Ehre
gereichen. Jn Trauerſpielen
haben wir den Auslaͤndern
nicht nur den Gryphius,
Hallmañ und Lohenſtein, ſon-
dern ſehr viele andre neuere
Dichter entgegen zu ſetzen, die
ſich ſeit zwoͤlf Jahren, da dieſe
Dichtkunſt zum erſtenmal er-
ſchienen, (ich ſchreibe dieß
1741.) hervorgethan haben,
und ſchon im Begriffe ſtehen,
ans Licht zu treten. Thun es
dieſe ſchon einem Corneille
und Racine noch nicht in al-
lem gleich, ſo haben ſie auch
viele Fehler dieſer beyden
Franzoſen nicht an ſich;
und koͤnnen es doch, theils
mit den neuern Franzoſen,
theils ſo wohl mit den Wel-
ſchen als Englaͤndern auf-
nehmen, deren Schaubuͤhne
in ſehr groſſer Verwirrung iſt.
Jn der Comoͤdie haben wir
nicht nur Dedekinds, Gryphii,
Riemers, und Weiſens, ſon-
dern eine groſſe Menge an-
drer Stuͤcke in Haͤnden, die
ſeit 200. Jahren bey uns ge-
druckt worden. Und ſind die-
ſe gleichfalls mit des Moliere
und Des Touches Luſtſpielen

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[132/0132] Neue Vorrede freyen Kuͤnſte bald wieder verdunckeln koͤnnte, uns y y ſes Spielwerck, wenn es auch noch ſo praͤchtig und Koͤniglich iſt, kan zu keinen groſſen Leidenſchaften Anlaß geben, und folglich in kei- nem Heldengedichte beſungen werden: So wenig als Friſchlinus in Beſchreibung der Wuͤrtenbergiſchen und Hohenzolleriſchen Hochzeiten, ein paar Heldengedichte ver- fertiget hat. Die Franzoſen haben izo an ihrem Voltaire einen Poeten, der ihre Ehre gegen die vorerwaͤhnten bey- den Nationen durch ſeine Henriade ſo gut behauptet, als ſelbige durch den Chape- lain war geſchmaͤlert wor- den. Jn Tragoͤdien und Comoͤdien aber ſind ſie die groͤſten Meiſter, und koͤn- nen durch ihre Corneille, Ra- cine, Moliere und verſchie- dene neuere, nicht nur uns Deutſchen, ſondern ſo gar den alten Griechen und Roͤ- mern trotzen. iſt nur eine Ueberſetzung, und kan uns alſo zu keiner Ehre gereichen. Jn Trauerſpielen haben wir den Auslaͤndern nicht nur den Gryphius, Hallmañ und Lohenſtein, ſon- dern ſehr viele andre neuere Dichter entgegen zu ſetzen, die ſich ſeit zwoͤlf Jahren, da dieſe Dichtkunſt zum erſtenmal er- ſchienen, (ich ſchreibe dieß 1741.) hervorgethan haben, und ſchon im Begriffe ſtehen, ans Licht zu treten. Thun es dieſe ſchon einem Corneille und Racine noch nicht in al- lem gleich, ſo haben ſie auch viele Fehler dieſer beyden Franzoſen nicht an ſich; und koͤnnen es doch, theils mit den neuern Franzoſen, theils ſo wohl mit den Wel- ſchen als Englaͤndern auf- nehmen, deren Schaubuͤhne in ſehr groſſer Verwirrung iſt. Jn der Comoͤdie haben wir nicht nur Dedekinds, Gryphii, Riemers, und Weiſens, ſon- dern eine groſſe Menge an- drer Stuͤcke in Haͤnden, die ſeit 200. Jahren bey uns ge- druckt worden. Und ſind die- ſe gleichfalls mit des Moliere und Des Touches Luſtſpielen nicht

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung06_1742/132>, abgerufen am 24.11.2024.