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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.

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von den Dichtungen.
rüke/ ein Paar schmutzige Schuhe/ oder ein alt-
fränckisches Kleid hinein käme/ so fiele selbiger.
Ja/ er gieng so weit/ daß er uns sagte: Wenn
er daneben stühnde/ und laut zu lachen anfienge/
sogleich stiege der Saft in die Höhe/ säncke aber
den Augenblick nieder, sobald er wieder ernsthaft
aussähe. Kurtz er sagte uns/ er könnte es vermit-
telst dieser Erfindung sehr wohl wissen/ ob er ei-
nen klugen Mann oder einen Gecken bey sich im
Zimmer hätte.

Dieses läßt sich der Zuschauer in einem Traume
erzehlen, und jedermann muß mir zugeben, daß es
eine Coquette trefflich characterisirt; aber der Pa-
triot nimmt sich mehrere Freyheit heraus, er thut
wachend, was jener kaum unter der Dichtung ei-
nes Traumes hat vorbringen dürffeu. Jch bitte
nun meine Leser, daß sie die Mühe nehmen, und
diese Stelle mit der 34. No. des Patrioten verglei-
chen: sie sind einander so ähnlich, als die beyden
Sosier in dem Amphitruo, und ich wäre bald auf
die Gedancken gerathen, die Erzehlung des Zu-
schauers müsse prophetisch von dem Patrioten ver-
standen werden. Jndessen wenn sie vorwitzig sind
zu wissen, ob er sich etwas auf diese Erfindung ein-
bilde, so dürffen sie nur die 52ste No. einsehen, in
welcher uns die zweyte von diesen Maschinen be-
schrieben wird, die genau zeiget, wer am meisten
nach der gesunden Vernunft und der Vorschrift
eines guten Gewissens lebe.
Er nennet sie die
Philosophische Uhr. Sie ist einer gemeinen Ta-
schenuhrnicht ungleich: sie hat ein Zieferblat mit
zween stählernen Zeigern: der äussere Cirkel ist
in 360. Grade vertheilet; dreyssig machen einen

philo-
F 5

von den Dichtungen.
ruͤke/ ein Paar ſchmutzige Schuhe/ oder ein alt-
fraͤnckiſches Kleid hinein kaͤme/ ſo fiele ſelbiger.
Ja/ er gieng ſo weit/ daß er uns ſagte: Wenn
er daneben ſtuͤhnde/ und laut zu lachen anfienge/
ſogleich ſtiege der Saft in die Hoͤhe/ ſaͤncke aber
den Augenblick nieder, ſobald er wieder ernſthaft
ausſaͤhe. Kurtz er ſagte uns/ er koͤnnte es vermit-
telſt dieſer Erfindung ſehr wohl wiſſen/ ob er ei-
nen klugen Mann oder einen Gecken bey ſich im
Zimmer haͤtte.

Dieſes laͤßt ſich der Zuſchauer in einem Traume
erzehlen, und jedermann muß mir zugeben, daß es
eine Coquette trefflich characteriſirt; aber der Pa-
triot nimmt ſich mehrere Freyheit heraus, er thut
wachend, was jener kaum unter der Dichtung ei-
nes Traumes hat vorbringen duͤrffeu. Jch bitte
nun meine Leſer, daß ſie die Muͤhe nehmen, und
dieſe Stelle mit der 34. No. des Patrioten verglei-
chen: ſie ſind einander ſo aͤhnlich, als die beyden
Soſier in dem Amphitruo, und ich waͤre bald auf
die Gedancken gerathen, die Erzehlung des Zu-
ſchauers muͤſſe prophetiſch von dem Patrioten ver-
ſtanden werden. Jndeſſen wenn ſie vorwitzig ſind
zu wiſſen, ob er ſich etwas auf dieſe Erfindung ein-
bilde, ſo duͤrffen ſie nur die 52ſte No. einſehen, in
welcher uns die zweyte von dieſen Maſchinen be-
ſchrieben wird, die genau zeiget, wer am meiſten
nach der geſunden Vernunft und der Vorſchrift
eines guten Gewiſſens lebe.
Er nennet ſie die
Philoſophiſche Uhr. Sie iſt einer gemeinen Ta-
ſchenuhrnicht ungleich: ſie hat ein Zieferblat mit
zween ſtaͤhlernen Zeigern: der aͤuſſere Cirkel iſt
in 360. Grade vertheilet; dreyſſig machen einen

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[89/0089] von den Dichtungen. ruͤke/ ein Paar ſchmutzige Schuhe/ oder ein alt- fraͤnckiſches Kleid hinein kaͤme/ ſo fiele ſelbiger. Ja/ er gieng ſo weit/ daß er uns ſagte: Wenn er daneben ſtuͤhnde/ und laut zu lachen anfienge/ ſogleich ſtiege der Saft in die Hoͤhe/ ſaͤncke aber den Augenblick nieder, ſobald er wieder ernſthaft ausſaͤhe. Kurtz er ſagte uns/ er koͤnnte es vermit- telſt dieſer Erfindung ſehr wohl wiſſen/ ob er ei- nen klugen Mann oder einen Gecken bey ſich im Zimmer haͤtte. Dieſes laͤßt ſich der Zuſchauer in einem Traume erzehlen, und jedermann muß mir zugeben, daß es eine Coquette trefflich characteriſirt; aber der Pa- triot nimmt ſich mehrere Freyheit heraus, er thut wachend, was jener kaum unter der Dichtung ei- nes Traumes hat vorbringen duͤrffeu. Jch bitte nun meine Leſer, daß ſie die Muͤhe nehmen, und dieſe Stelle mit der 34. No. des Patrioten verglei- chen: ſie ſind einander ſo aͤhnlich, als die beyden Soſier in dem Amphitruo, und ich waͤre bald auf die Gedancken gerathen, die Erzehlung des Zu- ſchauers muͤſſe prophetiſch von dem Patrioten ver- ſtanden werden. Jndeſſen wenn ſie vorwitzig ſind zu wiſſen, ob er ſich etwas auf dieſe Erfindung ein- bilde, ſo duͤrffen ſie nur die 52ſte No. einſehen, in welcher uns die zweyte von dieſen Maſchinen be- ſchrieben wird, die genau zeiget, wer am meiſten nach der geſunden Vernunft und der Vorſchrift eines guten Gewiſſens lebe. Er nennet ſie die Philoſophiſche Uhr. Sie iſt einer gemeinen Ta- ſchenuhrnicht ungleich: ſie hat ein Zieferblat mit zween ſtaͤhlernen Zeigern: der aͤuſſere Cirkel iſt in 360. Grade vertheilet; dreyſſig machen einen philo- F 5

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742/89>, abgerufen am 06.05.2024.