Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

von den deutschen Poeten.
Sprüchwort. Die Sprache ist nicht Schuld
daran, sondern diejenigen, welche solches ohne

Ge-
so will ich mit Anführung eines Dutzent Exempel zeigen,
wie so gar sehr die deutschen Dichter dieser poetischen Kranck-
heit, die man die fallende Sucht nennen kan, unterworf-
fen seyn. Amthor läßt den Jupiter auf seinen Adler stei-
gen, einen krähenden Hahn mit seinem Donner zu über-
täuben.
Komm nur! Verziehe nicht den Adler zu besteigen,
Und heiß als deutscher Jupiter
Doch einst des eiteln Hahns Geplärr
Vor deines Donners Knall und Drohen schweigen.
Jn der Zeile, die unmittelbar auf diese folget, trägt er
ihm das würdige Geschäfte auf:
Schleuß ihn in seinen Keficht ein.
Es ist bey diesem Poeten nichts ungewohntes, daß er die
Wörter und Redensarten aus der Haushaltungssprache
in die Heroische und Virgilische versetzet:
Wenn Cynthia die Flucht nach Latmus Höle nimmt,
Und nicht der kleinste Stern in seiner Ampel glimmt.
*
- Nach erhaltnem Zweck schien auch das Bündniß aus:
Drum war vor Dänemarck izt niemand mehr zu Haus.
*
Wahr ists, die Glocke schien gefährlich gnug gegossen.
*
Ein alter Wunderbau, den man Carthago hieß,
Worinn der Tyrier sich häuslich niederließ.
Dadurch wird öfters der Wohlstand auf eine possierliche
Art verletzet:
Bis Dewitz auch dem Feind noch in die Flancken brach,
Und mit der Dähnen Daus der Schweden König stach.
Die
D 3

von den deutſchen Poeten.
Spruͤchwort. Die Sprache iſt nicht Schuld
daran, ſondern diejenigen, welche ſolches ohne

Ge-
ſo will ich mit Anfuͤhrung eines Dutzent Exempel zeigen,
wie ſo gar ſehr die deutſchen Dichter dieſer poetiſchen Kranck-
heit, die man die fallende Sucht nennen kan, unterworf-
fen ſeyn. Amthor laͤßt den Jupiter auf ſeinen Adler ſtei-
gen, einen kraͤhenden Hahn mit ſeinem Donner zu uͤber-
taͤuben.
Komm nur! Verziehe nicht den Adler zu beſteigen,
Und heiß als deutſcher Jupiter
Doch einſt des eiteln Hahns Geplaͤrr
Vor deines Donners Knall und Drohen ſchweigen.
Jn der Zeile, die unmittelbar auf dieſe folget, traͤgt er
ihm das wuͤrdige Geſchaͤfte auf:
Schleuß ihn in ſeinen Keficht ein.
Es iſt bey dieſem Poeten nichts ungewohntes, daß er die
Woͤrter und Redensarten aus der Haushaltungsſprache
in die Heroiſche und Virgiliſche verſetzet:
Wenn Cynthia die Flucht nach Latmus Hoͤle nimmt,
Und nicht der kleinſte Stern in ſeiner Ampel glimmt.
*
‒ Nach erhaltnem Zweck ſchien auch das Buͤndniß aus:
Drum war vor Daͤnemarck izt niemand mehr zu Haus.
*
Wahr iſts, die Glocke ſchien gefaͤhrlich gnug gegoſſen.
*
Ein alter Wunderbau, den man Carthago hieß,
Worinn der Tyrier ſich haͤuslich niederließ.
Dadurch wird oͤfters der Wohlſtand auf eine poſſierliche
Art verletzet:
Bis Dewitz auch dem Feind noch in die Flancken brach,
Und mit der Daͤhnen Daus der Schweden Koͤnig ſtach.
Die
D 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0053" n="53"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von den deut&#x017F;chen Poeten.</hi></fw><lb/>
Spru&#x0364;chwort. Die Sprache i&#x017F;t nicht Schuld<lb/>
daran, &#x017F;ondern diejenigen, welche &#x017F;olches ohne<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Ge-</fw><lb/><note xml:id="a021b" prev="#a021" place="foot" next="#a021c">&#x017F;o will ich mit Anfu&#x0364;hrung eines Dutzent Exempel zeigen,<lb/>
wie &#x017F;o gar &#x017F;ehr die deut&#x017F;chen Dichter die&#x017F;er poeti&#x017F;chen Kranck-<lb/>
heit, die man die fallende Sucht nennen kan, unterworf-<lb/>
fen &#x017F;eyn. Amthor la&#x0364;ßt den Jupiter auf &#x017F;einen Adler &#x017F;tei-<lb/>
gen, einen kra&#x0364;henden Hahn mit &#x017F;einem Donner zu u&#x0364;ber-<lb/>
ta&#x0364;uben.<lb/><lg type="poem"><l>Komm nur! Verziehe nicht den Adler zu be&#x017F;teigen,</l><lb/><l>Und heiß als deut&#x017F;cher Jupiter</l><lb/><l>Doch ein&#x017F;t des eiteln <hi rendition="#fr">Hahns Gepla&#x0364;rr</hi></l><lb/><l>Vor deines Donners Knall und Drohen &#x017F;chweigen.</l></lg><lb/>
Jn der Zeile, die unmittelbar auf die&#x017F;e folget, tra&#x0364;gt er<lb/>
ihm das wu&#x0364;rdige Ge&#x017F;cha&#x0364;fte auf:<lb/><cit><quote><hi rendition="#et">Schleuß ihn in &#x017F;einen Keficht ein.</hi></quote></cit><lb/>
Es i&#x017F;t bey die&#x017F;em Poeten nichts ungewohntes, daß er die<lb/>
Wo&#x0364;rter und Redensarten aus der Haushaltungs&#x017F;prache<lb/>
in die Heroi&#x017F;che und Virgili&#x017F;che ver&#x017F;etzet:<lb/><lg type="poem"><l>Wenn Cynthia die Flucht nach Latmus Ho&#x0364;le nimmt,</l><lb/><l>Und nicht der klein&#x017F;te Stern in &#x017F;einer <hi rendition="#fr">Ampel</hi> glimmt.</l></lg><lb/>
*<lb/><lg type="poem"><l>&#x2012; Nach erhaltnem Zweck &#x017F;chien auch das Bu&#x0364;ndniß aus:</l><lb/><l>Drum war vor Da&#x0364;nemarck izt <hi rendition="#fr">niemand mehr zu Haus.</hi></l></lg><lb/>
*<lb/><cit><quote><hi rendition="#et">Wahr i&#x017F;ts, <hi rendition="#fr">die Glocke</hi> &#x017F;chien gefa&#x0364;hrlich gnug <hi rendition="#fr">gego&#x017F;&#x017F;en.</hi></hi></quote></cit><lb/>
*<lb/><lg type="poem"><l>Ein alter Wunderbau, den man Carthago hieß,</l><lb/><l>Worinn der Tyrier &#x017F;ich <hi rendition="#fr">ha&#x0364;uslich niederließ.</hi></l></lg><lb/>
Dadurch wird o&#x0364;fters der Wohl&#x017F;tand auf eine po&#x017F;&#x017F;ierliche<lb/>
Art verletzet:<lb/><lg type="poem"><l>Bis Dewitz auch dem Feind noch in die Flancken brach,</l><lb/><l>Und mit der Da&#x0364;hnen <hi rendition="#fr">Daus</hi> der Schweden <hi rendition="#fr">Ko&#x0364;nig &#x017F;tach.</hi></l></lg><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Die</fw></note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0053] von den deutſchen Poeten. Spruͤchwort. Die Sprache iſt nicht Schuld daran, ſondern diejenigen, welche ſolches ohne Ge- ſo will ich mit Anfuͤhrung eines Dutzent Exempel zeigen, wie ſo gar ſehr die deutſchen Dichter dieſer poetiſchen Kranck- heit, die man die fallende Sucht nennen kan, unterworf- fen ſeyn. Amthor laͤßt den Jupiter auf ſeinen Adler ſtei- gen, einen kraͤhenden Hahn mit ſeinem Donner zu uͤber- taͤuben. Komm nur! Verziehe nicht den Adler zu beſteigen, Und heiß als deutſcher Jupiter Doch einſt des eiteln Hahns Geplaͤrr Vor deines Donners Knall und Drohen ſchweigen. Jn der Zeile, die unmittelbar auf dieſe folget, traͤgt er ihm das wuͤrdige Geſchaͤfte auf: Schleuß ihn in ſeinen Keficht ein. Es iſt bey dieſem Poeten nichts ungewohntes, daß er die Woͤrter und Redensarten aus der Haushaltungsſprache in die Heroiſche und Virgiliſche verſetzet: Wenn Cynthia die Flucht nach Latmus Hoͤle nimmt, Und nicht der kleinſte Stern in ſeiner Ampel glimmt. * ‒ Nach erhaltnem Zweck ſchien auch das Buͤndniß aus: Drum war vor Daͤnemarck izt niemand mehr zu Haus. * Wahr iſts, die Glocke ſchien gefaͤhrlich gnug gegoſſen. * Ein alter Wunderbau, den man Carthago hieß, Worinn der Tyrier ſich haͤuslich niederließ. Dadurch wird oͤfters der Wohlſtand auf eine poſſierliche Art verletzet: Bis Dewitz auch dem Feind noch in die Flancken brach, Und mit der Daͤhnen Daus der Schweden Koͤnig ſtach. Die D 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742/53
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742/53>, abgerufen am 06.05.2024.