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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

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Von der Schreibart
auch dieser Nahme erlaubet seyn, welchen die
Franzosen noch gewöhnlich brauchen; und der in
Wikrams Veränderungen der Gestalten öfters vor-
kömmt.

Einsmahls als die Waldfeyen zugen
Jn obgemeldten Wald.

Jtem:

Zu den Waldfeyen schwamm sie dar,
Von welchen sie erzogen war.

Diejenigen, welchen diese Nahmen, sowohl als
diese Geister, welche dadurch benennet werden,
fremd und unbekannt sind, werden sie bald aus
den Eigenschaften und Handlungen, so ihnen zu-
geschrieben werden, kennen lernen, und sich da-
mit keine grössere Mühe geben dörffen, als die
Nahmen der Helden in einer Geschichte oder ei-
nem Gedichte ins Gedächtniß zu fassen.

Wenn wir denn in diesem Stüke der deutschen
Sprache eine gewisse Ungelenkigkeit beymessen
wollen, so ist diese nicht weiter in derselben, als
insoweit diejenigen, die darinnen reden, und
schreiben, ungelenkig sind. Sie selber ist des-
falls eben so wenig steif, und unbiegsam, als in
den folgenden Mitteln, die Schreibart zu erhö-
hen. Erstlich, da das Beywort nach dem Haupt-
worte gesezet wird. Unsere geschicktesten Poeten
haben dieses mit gutem Fortgange gethan; z. Ex.
Haller:

Ein Kind ist noch ein Baum von eiteln Blättern grün.
Ein

Von der Schreibart
auch dieſer Nahme erlaubet ſeyn, welchen die
Franzoſen noch gewoͤhnlich brauchen; und der in
Wikrams Veraͤnderungen der Geſtalten oͤfters vor-
koͤmmt.

Einsmahls als die Waldfeyen zugen
Jn obgemeldten Wald.

Jtem:

Zu den Waldfeyen ſchwamm ſie dar,
Von welchen ſie erzogen war.

Diejenigen, welchen dieſe Nahmen, ſowohl als
dieſe Geiſter, welche dadurch benennet werden,
fremd und unbekannt ſind, werden ſie bald aus
den Eigenſchaften und Handlungen, ſo ihnen zu-
geſchrieben werden, kennen lernen, und ſich da-
mit keine groͤſſere Muͤhe geben doͤrffen, als die
Nahmen der Helden in einer Geſchichte oder ei-
nem Gedichte ins Gedaͤchtniß zu faſſen.

Wenn wir denn in dieſem Stuͤke der deutſchen
Sprache eine gewiſſe Ungelenkigkeit beymeſſen
wollen, ſo iſt dieſe nicht weiter in derſelben, als
inſoweit diejenigen, die darinnen reden, und
ſchreiben, ungelenkig ſind. Sie ſelber iſt des-
falls eben ſo wenig ſteif, und unbiegſam, als in
den folgenden Mitteln, die Schreibart zu erhoͤ-
hen. Erſtlich, da das Beywort nach dem Haupt-
worte geſezet wird. Unſere geſchickteſten Poeten
haben dieſes mit gutem Fortgange gethan; z. Ex.
Haller:

Ein Kind iſt noch ein Baum von eiteln Blaͤttern gruͤn.
Ein
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[96/0098] Von der Schreibart auch dieſer Nahme erlaubet ſeyn, welchen die Franzoſen noch gewoͤhnlich brauchen; und der in Wikrams Veraͤnderungen der Geſtalten oͤfters vor- koͤmmt. Einsmahls als die Waldfeyen zugen Jn obgemeldten Wald. Jtem: Zu den Waldfeyen ſchwamm ſie dar, Von welchen ſie erzogen war. Diejenigen, welchen dieſe Nahmen, ſowohl als dieſe Geiſter, welche dadurch benennet werden, fremd und unbekannt ſind, werden ſie bald aus den Eigenſchaften und Handlungen, ſo ihnen zu- geſchrieben werden, kennen lernen, und ſich da- mit keine groͤſſere Muͤhe geben doͤrffen, als die Nahmen der Helden in einer Geſchichte oder ei- nem Gedichte ins Gedaͤchtniß zu faſſen. Wenn wir denn in dieſem Stuͤke der deutſchen Sprache eine gewiſſe Ungelenkigkeit beymeſſen wollen, ſo iſt dieſe nicht weiter in derſelben, als inſoweit diejenigen, die darinnen reden, und ſchreiben, ungelenkig ſind. Sie ſelber iſt des- falls eben ſo wenig ſteif, und unbiegſam, als in den folgenden Mitteln, die Schreibart zu erhoͤ- hen. Erſtlich, da das Beywort nach dem Haupt- worte geſezet wird. Unſere geſchickteſten Poeten haben dieſes mit gutem Fortgange gethan; z. Ex. Haller: Ein Kind iſt noch ein Baum von eiteln Blaͤttern gruͤn. Ein

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/98>, abgerufen am 23.11.2024.