[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.der herrschenden Poeten. noch lachenswürdig machen kan. Dadurch ge-winnet ihr den Vortheil, daß die Leute glauben, wenn die Schweizer eine Stelle in euren Schrif- ten in ihrer wahren und natürlichen Mißgestalt vor Augen gestellt haben, das Lustige und Aben- theurliche beruhe nur auf ihrem Ausdruke; wenn ihr hingegen ihrer Gedanken mit ungeheuren Vor- stellungen spottet, wird man ihre Gedanken selber vor ungeheuer halten. Das geschikteste Gespötte ist das, welches ein unmässiges Gelächter verur- sachet, das seinen Grund nur einzig in dem Ge- hirne des Spottenden hat, wozu man dem ver- spotteten Scribenten nicht das geringste abgebor- get hat. Dergleichen Lustigmachen hat nicht nur den Nuzen, daß es den Gegner schamroth ma- chet, ohne ihn zu bekehren, sondern es giebt über- dies eine gewisse Freudigkeit eines Menschen zu erkennen, der sich seiner gerechten Sache, und seiner Geschiklichkeit wol bewußt ist. Nun ha- ben unter den verschiedenen Arten zu spotten frey- lich die Gleichnisse, Parabeln, Allegorien, einen Vorzug, allermassen die meisten Leser ihnen eine Kraft dasjenige zu beweisen zueignen, was sie nur vor bekannt annehemen, und erklären. Man ist gantz geneigt, die Niedrigkeit, die Thorheit, die Boßheit der erdichteten Personen, die dann in eine Handlung verbunden werden, auf dieje- nigen daran gedacht: Eine Hand voll muthwilliger Einfälle sagt er, und die schädliche und elende Kunst alles lächer-, lich zu machen ist der ganze Grund, worauf diese sonder- bare theatralische Kunst beruhet. [Crit. Samml. III. St.] O
der herrſchenden Poeten. noch lachenswuͤrdig machen kan. Dadurch ge-winnet ihr den Vortheil, daß die Leute glauben, wenn die Schweizer eine Stelle in euren Schrif- ten in ihrer wahren und natuͤrlichen Mißgeſtalt vor Augen geſtellt haben, das Luſtige und Aben- theurliche beruhe nur auf ihrem Ausdruke; wenn ihr hingegen ihrer Gedanken mit ungeheuren Vor- ſtellungen ſpottet, wird man ihre Gedanken ſelber vor ungeheuer halten. Das geſchikteſte Geſpoͤtte iſt das, welches ein unmaͤſſiges Gelaͤchter verur- ſachet, das ſeinen Grund nur einzig in dem Ge- hirne des Spottenden hat, wozu man dem ver- ſpotteten Scribenten nicht das geringſte abgebor- get hat. Dergleichen Luſtigmachen hat nicht nur den Nuzen, daß es den Gegner ſchamroth ma- chet, ohne ihn zu bekehren, ſondern es giebt uͤber- dies eine gewiſſe Freudigkeit eines Menſchen zu erkennen, der ſich ſeiner gerechten Sache, und ſeiner Geſchiklichkeit wol bewußt iſt. Nun ha- ben unter den verſchiedenen Arten zu ſpotten frey- lich die Gleichniſſe, Parabeln, Allegorien, einen Vorzug, allermaſſen die meiſten Leſer ihnen eine Kraft dasjenige zu beweiſen zueignen, was ſie nur vor bekannt annehemen, und erklaͤren. Man iſt gantz geneigt, die Niedrigkeit, die Thorheit, die Boßheit der erdichteten Perſonen, die dann in eine Handlung verbunden werden, auf dieje- nigen daran gedacht: Eine Hand voll muthwilliger Einfaͤlle ſagt er, und die ſchaͤdliche und elende Kunſt alles laͤcher-, lich zu machen iſt der ganze Grund, worauf dieſe ſonder- bare theatraliſche Kunſt beruhet. [Crit. Sam̃l. III. St.] O
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der herrſchenden Poeten.
noch lachenswuͤrdig machen kan. Dadurch ge-
winnet ihr den Vortheil, daß die Leute glauben,
wenn die Schweizer eine Stelle in euren Schrif-
ten in ihrer wahren und natuͤrlichen Mißgeſtalt
vor Augen geſtellt haben, das Luſtige und Aben-
theurliche beruhe nur auf ihrem Ausdruke; wenn
ihr hingegen ihrer Gedanken mit ungeheuren Vor-
ſtellungen ſpottet, wird man ihre Gedanken ſelber
vor ungeheuer halten. Das geſchikteſte Geſpoͤtte
iſt das, welches ein unmaͤſſiges Gelaͤchter verur-
ſachet, das ſeinen Grund nur einzig in dem Ge-
hirne des Spottenden hat, wozu man dem ver-
ſpotteten Scribenten nicht das geringſte abgebor-
get hat. Dergleichen Luſtigmachen hat nicht nur
den Nuzen, daß es den Gegner ſchamroth ma-
chet, ohne ihn zu bekehren, ſondern es giebt uͤber-
dies eine gewiſſe Freudigkeit eines Menſchen zu
erkennen, der ſich ſeiner gerechten Sache, und
ſeiner Geſchiklichkeit wol bewußt iſt. Nun ha-
ben unter den verſchiedenen Arten zu ſpotten frey-
lich die Gleichniſſe, Parabeln, Allegorien, einen
Vorzug, allermaſſen die meiſten Leſer ihnen eine
Kraft dasjenige zu beweiſen zueignen, was ſie nur
vor bekannt annehemen, und erklaͤren. Man
iſt gantz geneigt, die Niedrigkeit, die Thorheit,
die Boßheit der erdichteten Perſonen, die dann
in eine Handlung verbunden werden, auf dieje-
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(*) daran gedacht: Eine Hand voll muthwilliger Einfaͤlle
ſagt er, und die ſchaͤdliche und elende Kunſt alles laͤcher-,
lich zu machen iſt der ganze Grund, worauf dieſe ſonder-
bare theatraliſche Kunſt beruhet.
[Crit. Sam̃l. III. St.] O
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