Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

der herrschenden Poeten.
tet haben. Tirller mag es sagen, dem sie neulich
so viel Kletten angeworffen haben, daß er damit
gantz behangen nach Hause gekommen, wie ein
muthwilliger Bube/
(+) der aus Uebermuth
im Unkraute herumgelaufen ist/ wo es am
dikesten ist; die sorgfältige Mutter rupfet die-
selben aus den Strümpfen und Falten/ kan
aber in ganzen Stunden nicht damit fertig
werden.
Das Glück, das ihnen ein wenig gün-
stig gewesen, hat sie unversöhnlich gemacht, Freund
und Feind gelten ihnen gleich, sie schonen weder
Lebendige noch Todte. Niemand ist ausgedun-
gen. Welcher von uns sieht seinen Nahmen nicht
in ihren beissenden Registern; welcher ist ohne ein
paar Ohrfeigen davon gekommen? Jn dieser an-
wachsenden Gefahr lasset uns vor allen Dingen
unsren absonderlichen kleinen Fehden, womit wir
nur uns selber durch innerliche Zertheilungen schwä-
chen, einen Anstand geben, lasset es Frieden
und Einigkeit unter uns seyn, damit wir uns den
verderblichen Anschlägen unsrer gemeinen Feinde
mit gemeinschaftlichem Rath und vereinigter Macht
wiedersezen. Wir wollen Lob und Tadel, Eh-
re und Schande, Schönheiten und Fehler, mit
einander gemein haben. Eines Ruhm soll Aller
Ruhm, eines Schmach Aller Schmach seyn.
Wenn einer getroffen wird, sollen Alle schreyen,
Alle sollen den Streich empfinden, und rächen.
Hierzu wollen wir uns erstlich mit feyerlichen Cere-
monien verbinden, hernach wollen wir Rath halten,

mit
(+) Dieses schöne Gleichniß ist ven dem Urheber des
Dichterkrieges erfunden worden, dem ich es aber genom-
men, weil er es nicht zu brauchen gewußt hat.
[Crit. Samml. III. St.] M

der herrſchenden Poeten.
tet haben. Tirller mag es ſagen, dem ſie neulich
ſo viel Kletten angeworffen haben, daß er damit
gantz behangen nach Hauſe gekommen, wie ein
muthwilliger Bube/
(†) der aus Uebermuth
im Unkraute herumgelaufen iſt/ wo es am
dikeſten iſt; die ſorgfaͤltige Mutter rupfet die-
ſelben aus den Struͤmpfen und Falten/ kan
aber in ganzen Stunden nicht damit fertig
werden.
Das Gluͤck, das ihnen ein wenig guͤn-
ſtig geweſen, hat ſie unverſoͤhnlich gemacht, Freund
und Feind gelten ihnen gleich, ſie ſchonen weder
Lebendige noch Todte. Niemand iſt ausgedun-
gen. Welcher von uns ſieht ſeinen Nahmen nicht
in ihren beiſſenden Regiſtern; welcher iſt ohne ein
paar Ohrfeigen davon gekommen? Jn dieſer an-
wachſenden Gefahr laſſet uns vor allen Dingen
unſren abſonderlichen kleinen Fehden, womit wir
nur uns ſelber durch innerliche Zertheilungen ſchwaͤ-
chen, einen Anſtand geben, laſſet es Frieden
und Einigkeit unter uns ſeyn, damit wir uns den
verderblichen Anſchlaͤgen unſrer gemeinen Feinde
mit gemeinſchaftlichem Rath und vereinigter Macht
wiederſezen. Wir wollen Lob und Tadel, Eh-
re und Schande, Schoͤnheiten und Fehler, mit
einander gemein haben. Eines Ruhm ſoll Aller
Ruhm, eines Schmach Aller Schmach ſeyn.
Wenn einer getroffen wird, ſollen Alle ſchreyen,
Alle ſollen den Streich empfinden, und raͤchen.
Hierzu wollen wir uns erſtlich mit feyerlichen Cere-
monien verbinden, hernach wollen wir Rath halten,

mit
(†) Dieſes ſchoͤne Gleichniß iſt ven dem Urheber des
Dichterkrieges erfunden worden, dem ich es aber genom-
men, weil er es nicht zu brauchen gewußt hat.
[Crit. Sam̃l. III. St.] M
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0179" n="177"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der herr&#x017F;chenden Poeten.</hi></fw><lb/>
tet haben. Tirller mag es &#x017F;agen, dem &#x017F;ie neulich<lb/>
&#x017F;o viel Kletten angeworffen haben, daß er damit<lb/>
gantz behangen nach Hau&#x017F;e gekommen, <hi rendition="#fr">wie ein<lb/>
muthwilliger Bube/</hi><note place="foot" n="(&#x2020;)">Die&#x017F;es &#x017F;cho&#x0364;ne Gleichniß i&#x017F;t ven dem Urheber des<lb/>
Dichterkrieges erfunden worden, dem ich es aber genom-<lb/>
men, weil er es nicht zu brauchen gewußt hat.</note> <hi rendition="#fr">der aus Uebermuth<lb/>
im Unkraute herumgelaufen i&#x017F;t/ wo es am<lb/>
dike&#x017F;ten i&#x017F;t; die &#x017F;orgfa&#x0364;ltige Mutter rupfet die-<lb/>
&#x017F;elben aus den Stru&#x0364;mpfen und Falten/ kan<lb/>
aber in ganzen Stunden nicht damit fertig<lb/>
werden.</hi> Das Glu&#x0364;ck, das ihnen ein wenig gu&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;tig gewe&#x017F;en, hat &#x017F;ie unver&#x017F;o&#x0364;hnlich gemacht, Freund<lb/>
und Feind gelten ihnen gleich, &#x017F;ie &#x017F;chonen weder<lb/>
Lebendige noch Todte. Niemand i&#x017F;t ausgedun-<lb/>
gen. Welcher von uns &#x017F;ieht &#x017F;einen Nahmen nicht<lb/>
in ihren bei&#x017F;&#x017F;enden Regi&#x017F;tern; welcher i&#x017F;t ohne ein<lb/>
paar Ohrfeigen davon gekommen? Jn die&#x017F;er an-<lb/>
wach&#x017F;enden Gefahr la&#x017F;&#x017F;et uns vor allen Dingen<lb/>
un&#x017F;ren ab&#x017F;onderlichen kleinen Fehden, womit wir<lb/>
nur uns &#x017F;elber durch innerliche Zertheilungen &#x017F;chwa&#x0364;-<lb/>
chen, einen An&#x017F;tand geben, la&#x017F;&#x017F;et es Frieden<lb/>
und Einigkeit unter uns &#x017F;eyn, damit wir uns den<lb/>
verderblichen An&#x017F;chla&#x0364;gen un&#x017F;rer gemeinen Feinde<lb/>
mit gemein&#x017F;chaftlichem Rath und vereinigter Macht<lb/>
wieder&#x017F;ezen. Wir wollen Lob und Tadel, Eh-<lb/>
re und Schande, Scho&#x0364;nheiten und Fehler, mit<lb/>
einander gemein haben. Eines Ruhm &#x017F;oll Aller<lb/>
Ruhm, eines Schmach Aller Schmach &#x017F;eyn.<lb/>
Wenn einer getroffen wird, &#x017F;ollen Alle &#x017F;chreyen,<lb/>
Alle &#x017F;ollen den Streich empfinden, und ra&#x0364;chen.<lb/>
Hierzu wollen wir uns er&#x017F;tlich mit feyerlichen Cere-<lb/>
monien verbinden, hernach wollen wir Rath halten,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">[Crit. Sam&#x0303;l. <hi rendition="#aq">III.</hi> St.] M</fw><fw place="bottom" type="catch">mit</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[177/0179] der herrſchenden Poeten. tet haben. Tirller mag es ſagen, dem ſie neulich ſo viel Kletten angeworffen haben, daß er damit gantz behangen nach Hauſe gekommen, wie ein muthwilliger Bube/ (†) der aus Uebermuth im Unkraute herumgelaufen iſt/ wo es am dikeſten iſt; die ſorgfaͤltige Mutter rupfet die- ſelben aus den Struͤmpfen und Falten/ kan aber in ganzen Stunden nicht damit fertig werden. Das Gluͤck, das ihnen ein wenig guͤn- ſtig geweſen, hat ſie unverſoͤhnlich gemacht, Freund und Feind gelten ihnen gleich, ſie ſchonen weder Lebendige noch Todte. Niemand iſt ausgedun- gen. Welcher von uns ſieht ſeinen Nahmen nicht in ihren beiſſenden Regiſtern; welcher iſt ohne ein paar Ohrfeigen davon gekommen? Jn dieſer an- wachſenden Gefahr laſſet uns vor allen Dingen unſren abſonderlichen kleinen Fehden, womit wir nur uns ſelber durch innerliche Zertheilungen ſchwaͤ- chen, einen Anſtand geben, laſſet es Frieden und Einigkeit unter uns ſeyn, damit wir uns den verderblichen Anſchlaͤgen unſrer gemeinen Feinde mit gemeinſchaftlichem Rath und vereinigter Macht wiederſezen. Wir wollen Lob und Tadel, Eh- re und Schande, Schoͤnheiten und Fehler, mit einander gemein haben. Eines Ruhm ſoll Aller Ruhm, eines Schmach Aller Schmach ſeyn. Wenn einer getroffen wird, ſollen Alle ſchreyen, Alle ſollen den Streich empfinden, und raͤchen. Hierzu wollen wir uns erſtlich mit feyerlichen Cere- monien verbinden, hernach wollen wir Rath halten, mit (†) Dieſes ſchoͤne Gleichniß iſt ven dem Urheber des Dichterkrieges erfunden worden, dem ich es aber genom- men, weil er es nicht zu brauchen gewußt hat. [Crit. Sam̃l. III. St.] M

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/179
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/179>, abgerufen am 02.05.2024.