Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Complot
freyen Willen zu danken haben, belustigen, daß
sie in unsern Gedichten finden, was sie darinnen
suchen; daher wir zu gleicher Zeit auch unsre
Absicht dabey erreichen, allermassen sie uns für
Lieder, Häuser und Güter, Aemter und Wei-
ber, geben. Das sind die Sachen, die izo auf
dem Spiel stehen, und es ist um dieselben ge-
schehen, wenn wir die Herrschaft verlieren;
wenn wir uns des willkürlichen Urtheiles von
dem, was Geschmak sey, berauben lassen; wir
müssen dann den Beyfall, den wir bisdahin un-
ter uns getheilt hatten, bey andern suchen, wel-
che nicht geneigt sind, uns denselben zu geben,
oder doch den theuren Preis darauf setzen, daß
wir ihn durch die Beobachtung ihrer schweren
und uns unerträglichen Regeln gewinnen müs-
sen. Können wir dieses nicht, so werden sie uns
durch ihre critischen Aussprüche, alle Schönheit,
allen Witz absprechen. So viel Witzes, Geistes,
Geschmakes sie dann uns wegnehmen eben so viel
muß ihnen als ein Erb von uns zufallen. Jch
kenne euch besser als daß ich fürchten sollte, ihr
würdet euern ungelenkigen Geist unter dem Jo-
che der Critik biegen können; euer Eifer für
den herrschenden Geschmak, der vielmehr un-
ter eurer, als ihr unter seiner Herrschaft, stehet,
gestattet es euch nicht: Und ihr habet noch Mu-
thes genug, die Hoheit desselben mit des Fein-
des oder eurer eigenen Schande zu versiegeln.
Unsre Gegner sind voll Hasses und Stoltzes; sie
geben und verlangen kein Quartier. Jhr sehet
und empfindet, wie übel sie uns schon zugerich-

tet

Das Complot
freyen Willen zu danken haben, beluſtigen, daß
ſie in unſern Gedichten finden, was ſie darinnen
ſuchen; daher wir zu gleicher Zeit auch unſre
Abſicht dabey erreichen, allermaſſen ſie uns fuͤr
Lieder, Haͤuſer und Guͤter, Aemter und Wei-
ber, geben. Das ſind die Sachen, die izo auf
dem Spiel ſtehen, und es iſt um dieſelben ge-
ſchehen, wenn wir die Herrſchaft verlieren;
wenn wir uns des willkuͤrlichen Urtheiles von
dem, was Geſchmak ſey, berauben laſſen; wir
muͤſſen dann den Beyfall, den wir bisdahin un-
ter uns getheilt hatten, bey andern ſuchen, wel-
che nicht geneigt ſind, uns denſelben zu geben,
oder doch den theuren Preis darauf ſetzen, daß
wir ihn durch die Beobachtung ihrer ſchweren
und uns unertraͤglichen Regeln gewinnen muͤſ-
ſen. Koͤnnen wir dieſes nicht, ſo werden ſie uns
durch ihre critiſchen Ausſpruͤche, alle Schoͤnheit,
allen Witz abſprechen. So viel Witzes, Geiſtes,
Geſchmakes ſie dann uns wegnehmen eben ſo viel
muß ihnen als ein Erb von uns zufallen. Jch
kenne euch beſſer als daß ich fuͤrchten ſollte, ihr
wuͤrdet euern ungelenkigen Geiſt unter dem Jo-
che der Critik biegen koͤnnen; euer Eifer fuͤr
den herrſchenden Geſchmak, der vielmehr un-
ter eurer, als ihr unter ſeiner Herrſchaft, ſtehet,
geſtattet es euch nicht: Und ihr habet noch Mu-
thes genug, die Hoheit deſſelben mit des Fein-
des oder eurer eigenen Schande zu verſiegeln.
Unſre Gegner ſind voll Haſſes und Stoltzes; ſie
geben und verlangen kein Quartier. Jhr ſehet
und empfindet, wie uͤbel ſie uns ſchon zugerich-

tet
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0178" n="176"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Complot</hi></fw><lb/>
freyen Willen zu danken haben, belu&#x017F;tigen, daß<lb/>
&#x017F;ie in un&#x017F;ern Gedichten finden, was &#x017F;ie darinnen<lb/>
&#x017F;uchen; daher wir zu gleicher Zeit auch un&#x017F;re<lb/>
Ab&#x017F;icht dabey erreichen, allerma&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie uns fu&#x0364;r<lb/>
Lieder, Ha&#x0364;u&#x017F;er und Gu&#x0364;ter, Aemter und Wei-<lb/>
ber, geben. Das &#x017F;ind die Sachen, die izo auf<lb/>
dem Spiel &#x017F;tehen, und es i&#x017F;t um die&#x017F;elben ge-<lb/>
&#x017F;chehen, wenn wir die Herr&#x017F;chaft verlieren;<lb/>
wenn wir uns des willku&#x0364;rlichen Urtheiles von<lb/>
dem, was Ge&#x017F;chmak &#x017F;ey, berauben la&#x017F;&#x017F;en; wir<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en dann den Beyfall, den wir bisdahin un-<lb/>
ter uns getheilt hatten, bey andern &#x017F;uchen, wel-<lb/>
che nicht geneigt &#x017F;ind, uns den&#x017F;elben zu geben,<lb/>
oder doch den theuren Preis darauf &#x017F;etzen, daß<lb/>
wir ihn durch die Beobachtung ihrer &#x017F;chweren<lb/>
und uns unertra&#x0364;glichen Regeln gewinnen mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en. Ko&#x0364;nnen wir die&#x017F;es nicht, &#x017F;o werden &#x017F;ie uns<lb/>
durch ihre criti&#x017F;chen Aus&#x017F;pru&#x0364;che, alle Scho&#x0364;nheit,<lb/>
allen Witz ab&#x017F;prechen. So viel Witzes, Gei&#x017F;tes,<lb/>
Ge&#x017F;chmakes &#x017F;ie dann uns wegnehmen eben &#x017F;o viel<lb/>
muß ihnen als ein Erb von uns zufallen. Jch<lb/>
kenne euch be&#x017F;&#x017F;er als daß ich fu&#x0364;rchten &#x017F;ollte, ihr<lb/>
wu&#x0364;rdet euern ungelenkigen Gei&#x017F;t unter dem Jo-<lb/>
che der Critik biegen ko&#x0364;nnen; euer Eifer fu&#x0364;r<lb/>
den <hi rendition="#fr">herr&#x017F;chenden Ge&#x017F;chmak,</hi> der vielmehr un-<lb/>
ter eurer, als ihr unter &#x017F;einer Herr&#x017F;chaft, &#x017F;tehet,<lb/>
ge&#x017F;tattet es euch nicht: Und ihr habet noch Mu-<lb/>
thes genug, die Hoheit de&#x017F;&#x017F;elben mit des Fein-<lb/>
des oder eurer eigenen Schande zu ver&#x017F;iegeln.<lb/>
Un&#x017F;re Gegner &#x017F;ind voll Ha&#x017F;&#x017F;es und Stoltzes; &#x017F;ie<lb/>
geben und verlangen kein Quartier. Jhr &#x017F;ehet<lb/>
und empfindet, wie u&#x0364;bel &#x017F;ie uns &#x017F;chon zugerich-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">tet</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0178] Das Complot freyen Willen zu danken haben, beluſtigen, daß ſie in unſern Gedichten finden, was ſie darinnen ſuchen; daher wir zu gleicher Zeit auch unſre Abſicht dabey erreichen, allermaſſen ſie uns fuͤr Lieder, Haͤuſer und Guͤter, Aemter und Wei- ber, geben. Das ſind die Sachen, die izo auf dem Spiel ſtehen, und es iſt um dieſelben ge- ſchehen, wenn wir die Herrſchaft verlieren; wenn wir uns des willkuͤrlichen Urtheiles von dem, was Geſchmak ſey, berauben laſſen; wir muͤſſen dann den Beyfall, den wir bisdahin un- ter uns getheilt hatten, bey andern ſuchen, wel- che nicht geneigt ſind, uns denſelben zu geben, oder doch den theuren Preis darauf ſetzen, daß wir ihn durch die Beobachtung ihrer ſchweren und uns unertraͤglichen Regeln gewinnen muͤſ- ſen. Koͤnnen wir dieſes nicht, ſo werden ſie uns durch ihre critiſchen Ausſpruͤche, alle Schoͤnheit, allen Witz abſprechen. So viel Witzes, Geiſtes, Geſchmakes ſie dann uns wegnehmen eben ſo viel muß ihnen als ein Erb von uns zufallen. Jch kenne euch beſſer als daß ich fuͤrchten ſollte, ihr wuͤrdet euern ungelenkigen Geiſt unter dem Jo- che der Critik biegen koͤnnen; euer Eifer fuͤr den herrſchenden Geſchmak, der vielmehr un- ter eurer, als ihr unter ſeiner Herrſchaft, ſtehet, geſtattet es euch nicht: Und ihr habet noch Mu- thes genug, die Hoheit deſſelben mit des Fein- des oder eurer eigenen Schande zu verſiegeln. Unſre Gegner ſind voll Haſſes und Stoltzes; ſie geben und verlangen kein Quartier. Jhr ſehet und empfindet, wie uͤbel ſie uns ſchon zugerich- tet

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/178
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/178>, abgerufen am 02.05.2024.