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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

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Von der Schreibart


- - Unbeschreiblich ist das Glänzen.


Der leichten Vogel Zwitschern.

Drollinger:

Jch will nicht, daß der Wolken Triefen.
Mein dürres Land zu oft begießt.

Auch die Versezung der Wörter aus der prosai-
schen Fügung kömmt mit dem Naturell unsrer
Sprache besser überein, als der furchtsame Wei-
se seinen Schülern vorgegeben hat. Man würde
in der gemeinen Prosa sagen, mache deinen Rau-
penstand nicht zu deinem Zwecke, und einen Tro-
pfen Zeit nicht zur Ewigkeit. Ein Poet versezet
diese Worte ohne Zwang:

Mach deinen Raupenstand und einen Tropfen Zeit,
Den nicht zu deinem Zweck, die nicht zur Ewigkeit.

Und mit eben dieser Herumwerffung hat ein and-
rer Poet gesagt:

Hier war ein schwarzer Hut, hier wehlte man Kamaschen,
Mit Silber den bebrämt, und schneeweiß die gewaschen.

Dieses hätte ein Prosaist von Weisens Phlegma
ohne dergleichen Herumschiebung gegeben: Hier
war ein schwarzer mit Silber bebrämter Hut, hier
wehlte man schneeweiß gewaschene Kamaschen.

Jn der ordentlichen Prosa heißt es: O das ge-
rechte Wesen hat mir recht in seinem Zorn dieses
ferne Land zur Wohnung auserlesen; wie folget
versezet, hat es mehr Affect in sich:

O recht
Von der Schreibart


‒ ‒ Unbeſchreiblich iſt das Glaͤnzen.


Der leichten Vogel Zwitſchern.

Drollinger:

Jch will nicht, daß der Wolken Triefen.
Mein duͤrres Land zu oft begießt.

Auch die Verſezung der Woͤrter aus der proſai-
ſchen Fuͤgung koͤmmt mit dem Naturell unſrer
Sprache beſſer uͤberein, als der furchtſame Wei-
ſe ſeinen Schuͤlern vorgegeben hat. Man wuͤrde
in der gemeinen Proſa ſagen, mache deinen Rau-
penſtand nicht zu deinem Zwecke, und einen Tro-
pfen Zeit nicht zur Ewigkeit. Ein Poet verſezet
dieſe Worte ohne Zwang:

Mach deinen Raupenſtand und einen Tropfen Zeit,
Den nicht zu deinem Zweck, die nicht zur Ewigkeit.

Und mit eben dieſer Herumwerffung hat ein and-
rer Poet geſagt:

Hier war ein ſchwarzer Hut, hier wehlte man Kamaſchen,
Mit Silber den bebraͤmt, und ſchneeweiß die gewaſchen.

Dieſes haͤtte ein Proſaiſt von Weiſens Phlegma
ohne dergleichen Herumſchiebung gegeben: Hier
war ein ſchwarzer mit Silber bebraͤmter Hut, hier
wehlte man ſchneeweiß gewaſchene Kamaſchen.

Jn der ordentlichen Proſa heißt es: O das ge-
rechte Weſen hat mir recht in ſeinem Zorn dieſes
ferne Land zur Wohnung auserleſen; wie folget
verſezet, hat es mehr Affect in ſich:

O recht
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[98/0100] Von der Schreibart ‒ ‒ Unbeſchreiblich iſt das Glaͤnzen. Der leichten Vogel Zwitſchern. Drollinger: Jch will nicht, daß der Wolken Triefen. Mein duͤrres Land zu oft begießt. Auch die Verſezung der Woͤrter aus der proſai- ſchen Fuͤgung koͤmmt mit dem Naturell unſrer Sprache beſſer uͤberein, als der furchtſame Wei- ſe ſeinen Schuͤlern vorgegeben hat. Man wuͤrde in der gemeinen Proſa ſagen, mache deinen Rau- penſtand nicht zu deinem Zwecke, und einen Tro- pfen Zeit nicht zur Ewigkeit. Ein Poet verſezet dieſe Worte ohne Zwang: Mach deinen Raupenſtand und einen Tropfen Zeit, Den nicht zu deinem Zweck, die nicht zur Ewigkeit. Und mit eben dieſer Herumwerffung hat ein and- rer Poet geſagt: Hier war ein ſchwarzer Hut, hier wehlte man Kamaſchen, Mit Silber den bebraͤmt, und ſchneeweiß die gewaſchen. Dieſes haͤtte ein Proſaiſt von Weiſens Phlegma ohne dergleichen Herumſchiebung gegeben: Hier war ein ſchwarzer mit Silber bebraͤmter Hut, hier wehlte man ſchneeweiß gewaſchene Kamaſchen. Jn der ordentlichen Proſa heißt es: O das ge- rechte Weſen hat mir recht in ſeinem Zorn dieſes ferne Land zur Wohnung auserleſen; wie folget verſezet, hat es mehr Affect in ſich: O recht

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/100>, abgerufen am 23.11.2024.