"Rosse einherzutraben pflegte, und einen "Knaben voran lauffen ließ, der dem sich "versammelnden Pöbel mit heller Stim- "me verkündigen muste, daß sein Herr und "Meister, das Wunder seiner Zeit, der "Phönix der Aerzte, die Sonne der Wis- "senschaften, ein unsterblicher Erhalter des "menschlichen Geschlechtes, der Bezwinger "aller Kranckheiten u. s. w. sey. Zu wel- "chem allem der Zahnarzt uur seinen Bart "streichelte, und zu Zeiten zu den Umste- "henden nur dieses sagte: Der Knabe "spricht nichts als die wahrheit: Jch rüh- "me mich nicht; aber er kennet mich."
Alleine unser Hr. D. Tr-ll-r ist eines weit edelmüthigern Sinns, er hat deswegen dem J. C. B. der die beyden Theile seiner Ge- dichte mit Vorreden versehen, ausdrücklich untersagt, daß er den Werth seiner Ge- dichte nicht anpreisen sollte: Aber eben die- ser Vorredner giebt nicht undeutlich zu ver- stehen, was für ein hartes Gebot dieses sey, und wie schwer es ihm falle, den Werth und die Verdienste eines Mannes oder einer Schrift, die jedermann so ausnehmend vor- kommen, als gleichgültig zu behandeln. Man muß es darum vor die Würckung ei- ner raren Bescheidenheit halten, daß Hr. Tr-ll-r bey der Ausgabe seiner Fabeln das Amt eines Vorredners keinem Fremden an-
ver-
Stuͤcke der Schutzvorrede
„Roſſe einherzutraben pflegte, und einen „Knaben voran lauffen ließ, der dem ſich „verſammelnden Poͤbel mit heller Stim- „me verkuͤndigen muſte, daß ſein Herr und „Meiſter, das Wunder ſeiner Zeit, der „Phoͤnix der Aerzte, die Sonne der Wiſ- „ſenſchaften, ein unſterblicher Erhalter des „menſchlichen Geſchlechtes, der Bezwinger „aller Kranckheiten u. ſ. w. ſey. Zu wel- „chem allem der Zahnarzt uur ſeinen Bart „ſtreichelte, und zu Zeiten zu den Umſte- „henden nur dieſes ſagte: Der Knabe „ſpricht nichts als die wahrheit: Jch ruͤh- „me mich nicht; aber er kennet mich.„
Alleine unſer Hr. D. Tr-ll-r iſt eines weit edelmuͤthigern Sinns, er hat deswegen dem J. C. B. der die beyden Theile ſeiner Ge- dichte mit Vorreden verſehen, ausdruͤcklich unterſagt, daß er den Werth ſeiner Ge- dichte nicht anpreiſen ſollte: Aber eben die- ſer Vorredner giebt nicht undeutlich zu ver- ſtehen, was fuͤr ein hartes Gebot dieſes ſey, und wie ſchwer es ihm falle, den Werth und die Verdienſte eines Mannes oder einer Schrift, die jedermann ſo ausnehmend vor- kommen, als gleichguͤltig zu behandeln. Man muß es darum vor die Wuͤrckung ei- ner raren Beſcheidenheit halten, daß Hr. Tr-ll-r bey der Ausgabe ſeiner Fabeln das Amt eines Vorredners keinem Fremden an-
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[20/0022]
Stuͤcke der Schutzvorrede
„Roſſe einherzutraben pflegte, und einen
„Knaben voran lauffen ließ, der dem ſich
„verſammelnden Poͤbel mit heller Stim-
„me verkuͤndigen muſte, daß ſein Herr und
„Meiſter, das Wunder ſeiner Zeit, der
„Phoͤnix der Aerzte, die Sonne der Wiſ-
„ſenſchaften, ein unſterblicher Erhalter des
„menſchlichen Geſchlechtes, der Bezwinger
„aller Kranckheiten u. ſ. w. ſey. Zu wel-
„chem allem der Zahnarzt uur ſeinen Bart
„ſtreichelte, und zu Zeiten zu den Umſte-
„henden nur dieſes ſagte: Der Knabe
„ſpricht nichts als die wahrheit: Jch ruͤh-
„me mich nicht; aber er kennet mich.„
Alleine unſer Hr. D. Tr-ll-r iſt eines weit
edelmuͤthigern Sinns, er hat deswegen dem
J. C. B. der die beyden Theile ſeiner Ge-
dichte mit Vorreden verſehen, ausdruͤcklich
unterſagt, daß er den Werth ſeiner Ge-
dichte nicht anpreiſen ſollte: Aber eben die-
ſer Vorredner giebt nicht undeutlich zu ver-
ſtehen, was fuͤr ein hartes Gebot dieſes ſey,
und wie ſchwer es ihm falle, den Werth und
die Verdienſte eines Mannes oder einer
Schrift, die jedermann ſo ausnehmend vor-
kommen, als gleichguͤltig zu behandeln.
Man muß es darum vor die Wuͤrckung ei-
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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/22>, abgerufen am 16.02.2025.
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