Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite
der Critik bey den Deutschen.
"träge gefallen, so werden sie dir weiter gefal-
"len."

Von dieser Art Zeugnisse könnte man
eine ziemliche Zahl zusammenlesen, welche alle von
demjenigen sorgfältig aufgehoben worden, dem
am meisten daran gelegen war, daß man sie wüßte.

Jndessen haben die richterlichen Sprüche in die-
sem Wercke etliche Jahre nach einander das
Schicksal der poetischen Schriften bey den Deut-
schen regiert. Scribenten, die ihnen an Einsich-
ten nichts nachgeben, erfuhren das eiserne Scep-
ter dieser Kunstrichter. Herr Heineken empfieng
wegen seiner Untersuchung vom Erhabenen, die
er zu seinem übersetzten Longinus gedrückt, folgen-
des Urtheil:

"Seine angehängte Abhandlung
"ist zwar mehr ein Zeugniß seines guten Willens
"und seines Eifers für die Verbesserung des Ge-
"schmackes, als ein Zeugniß von der Geschick-
"lichkeit und Einsicht, welche bey Untersuchung
"und Einrichtung etwas schwerer Begriffe nöthig
"ist."

Es thönet auch sehr vornehm, wenn
der Journaliste sagt:

"Ob ich gleich bekennen
"muß, daß ich nicht in allen Stücken mit dem
"Longin zufrieden bin, so muß ich doch auch sa-
"gen, daß indessen seine Schrift alle Hochach-
"tung bey mir erwecket."

Von dieser Schrift
hat Hr. Prof. Gottsched in der zweiten Auflage
seiner Dichtkunst weiter geurtheilet, daß Herr
Heineken die Ursachen und Regeln seiner Urtheile
nicht angeben können. Er hatte eben dieses von
dem Pater Buhurs gesagt, und darauf hinzugese-
zet:

"Und so gehet es auch denen, die uns im
"Deutschen haben lehren wollen, was Longin
durch
L 5
der Critik bey den Deutſchen.
„traͤge gefallen, ſo werden ſie dir weiter gefal-
„len.„

Von dieſer Art Zeugniſſe koͤnnte man
eine ziemliche Zahl zuſammenleſen, welche alle von
demjenigen ſorgfaͤltig aufgehoben worden, dem
am meiſten daran gelegen war, daß man ſie wuͤßte.

Jndeſſen haben die richterlichen Spruͤche in die-
ſem Wercke etliche Jahre nach einander das
Schickſal der poetiſchen Schriften bey den Deut-
ſchen regiert. Scribenten, die ihnen an Einſich-
ten nichts nachgeben, erfuhren das eiſerne Scep-
ter dieſer Kunſtrichter. Herr Heineken empfieng
wegen ſeiner Unterſuchung vom Erhabenen, die
er zu ſeinem uͤberſetzten Longinus gedruͤckt, folgen-
des Urtheil:

„Seine angehaͤngte Abhandlung
„iſt zwar mehr ein Zeugniß ſeines guten Willens
„und ſeines Eifers fuͤr die Verbeſſerung des Ge-
„ſchmackes, als ein Zeugniß von der Geſchick-
„lichkeit und Einſicht, welche bey Unterſuchung
„und Einrichtung etwas ſchwerer Begriffe noͤthig
„iſt.„

Es thoͤnet auch ſehr vornehm, wenn
der Journaliſte ſagt:

„Ob ich gleich bekennen
„muß, daß ich nicht in allen Stuͤcken mit dem
„Longin zufrieden bin, ſo muß ich doch auch ſa-
„gen, daß indeſſen ſeine Schrift alle Hochach-
„tung bey mir erwecket.„

Von dieſer Schrift
hat Hr. Prof. Gottſched in der zweiten Auflage
ſeiner Dichtkunſt weiter geurtheilet, daß Herr
Heineken die Urſachen und Regeln ſeiner Urtheile
nicht angeben koͤnnen. Er hatte eben dieſes von
dem Pater Buhurs geſagt, und darauf hinzugeſe-
zet:

„Und ſo gehet es auch denen, die uns im
„Deutſchen haben lehren wollen, was Longin
durch
L 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <cit>
            <quote><pb facs="#f0171" n="169"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der Critik bey den Deut&#x017F;chen.</hi></fw><lb/>
&#x201E;tra&#x0364;ge gefallen, &#x017F;o werden &#x017F;ie dir weiter gefal-<lb/>
&#x201E;len.&#x201E;</quote>
          </cit><lb/>
          <p>Von die&#x017F;er Art Zeugni&#x017F;&#x017F;e ko&#x0364;nnte man<lb/>
eine ziemliche Zahl zu&#x017F;ammenle&#x017F;en, welche alle von<lb/>
demjenigen &#x017F;orgfa&#x0364;ltig aufgehoben worden, dem<lb/>
am mei&#x017F;ten daran gelegen war, daß man &#x017F;ie wu&#x0364;ßte.</p><lb/>
          <p>Jnde&#x017F;&#x017F;en haben die richterlichen Spru&#x0364;che in die-<lb/>
&#x017F;em Wercke etliche Jahre nach einander das<lb/>
Schick&#x017F;al der poeti&#x017F;chen Schriften bey den Deut-<lb/>
&#x017F;chen regiert. Scribenten, die ihnen an Ein&#x017F;ich-<lb/>
ten nichts nachgeben, erfuhren das ei&#x017F;erne Scep-<lb/>
ter die&#x017F;er Kun&#x017F;trichter. Herr Heineken empfieng<lb/>
wegen &#x017F;einer Unter&#x017F;uchung vom Erhabenen, die<lb/>
er zu &#x017F;einem u&#x0364;ber&#x017F;etzten Longinus gedru&#x0364;ckt, folgen-<lb/>
des Urtheil:</p><lb/>
          <cit>
            <quote>&#x201E;Seine angeha&#x0364;ngte Abhandlung<lb/>
&#x201E;i&#x017F;t zwar mehr ein Zeugniß &#x017F;eines guten Willens<lb/>
&#x201E;und &#x017F;eines Eifers fu&#x0364;r die Verbe&#x017F;&#x017F;erung des Ge-<lb/>
&#x201E;&#x017F;chmackes, als ein Zeugniß von der Ge&#x017F;chick-<lb/>
&#x201E;lichkeit und Ein&#x017F;icht, welche bey Unter&#x017F;uchung<lb/>
&#x201E;und Einrichtung etwas &#x017F;chwerer Begriffe no&#x0364;thig<lb/>
&#x201E;i&#x017F;t.&#x201E;</quote>
          </cit><lb/>
          <p>Es tho&#x0364;net auch &#x017F;ehr vornehm, wenn<lb/>
der Journali&#x017F;te &#x017F;agt:</p><lb/>
          <cit>
            <quote>&#x201E;Ob ich gleich bekennen<lb/>
&#x201E;muß, daß ich nicht in allen Stu&#x0364;cken mit dem<lb/>
&#x201E;Longin zufrieden bin, &#x017F;o muß ich doch auch &#x017F;a-<lb/>
&#x201E;gen, daß inde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eine Schrift alle Hochach-<lb/>
&#x201E;tung bey mir erwecket.&#x201E;</quote>
          </cit><lb/>
          <p>Von die&#x017F;er Schrift<lb/>
hat Hr. Prof. Gott&#x017F;ched in der zweiten Auflage<lb/>
&#x017F;einer Dichtkun&#x017F;t weiter geurtheilet, daß Herr<lb/>
Heineken die Ur&#x017F;achen und Regeln &#x017F;einer Urtheile<lb/>
nicht angeben ko&#x0364;nnen. Er hatte eben die&#x017F;es von<lb/>
dem Pater Buhurs ge&#x017F;agt, und darauf hinzuge&#x017F;e-<lb/>
zet:</p><lb/>
          <cit>
            <quote>&#x201E;Und &#x017F;o gehet es auch denen, die uns im<lb/>
&#x201E;Deut&#x017F;chen haben lehren wollen, was Longin<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L 5</fw><fw place="bottom" type="catch">durch</fw><lb/></quote>
          </cit>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0171] der Critik bey den Deutſchen. „traͤge gefallen, ſo werden ſie dir weiter gefal- „len.„ Von dieſer Art Zeugniſſe koͤnnte man eine ziemliche Zahl zuſammenleſen, welche alle von demjenigen ſorgfaͤltig aufgehoben worden, dem am meiſten daran gelegen war, daß man ſie wuͤßte. Jndeſſen haben die richterlichen Spruͤche in die- ſem Wercke etliche Jahre nach einander das Schickſal der poetiſchen Schriften bey den Deut- ſchen regiert. Scribenten, die ihnen an Einſich- ten nichts nachgeben, erfuhren das eiſerne Scep- ter dieſer Kunſtrichter. Herr Heineken empfieng wegen ſeiner Unterſuchung vom Erhabenen, die er zu ſeinem uͤberſetzten Longinus gedruͤckt, folgen- des Urtheil: „Seine angehaͤngte Abhandlung „iſt zwar mehr ein Zeugniß ſeines guten Willens „und ſeines Eifers fuͤr die Verbeſſerung des Ge- „ſchmackes, als ein Zeugniß von der Geſchick- „lichkeit und Einſicht, welche bey Unterſuchung „und Einrichtung etwas ſchwerer Begriffe noͤthig „iſt.„ Es thoͤnet auch ſehr vornehm, wenn der Journaliſte ſagt: „Ob ich gleich bekennen „muß, daß ich nicht in allen Stuͤcken mit dem „Longin zufrieden bin, ſo muß ich doch auch ſa- „gen, daß indeſſen ſeine Schrift alle Hochach- „tung bey mir erwecket.„ Von dieſer Schrift hat Hr. Prof. Gottſched in der zweiten Auflage ſeiner Dichtkunſt weiter geurtheilet, daß Herr Heineken die Urſachen und Regeln ſeiner Urtheile nicht angeben koͤnnen. Er hatte eben dieſes von dem Pater Buhurs geſagt, und darauf hinzugeſe- zet: „Und ſo gehet es auch denen, die uns im „Deutſchen haben lehren wollen, was Longin durch L 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/171
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/171>, abgerufen am 02.05.2024.