Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite
Nachrichten von dem Ursprunge
"sich in ihren Critiken so lange aufhalten, sind
"noch gar nicht bey uns gewürdiget worden, daß
"man sie durchgelesen hätte."

Er gedencket bey
diesem Anlasse des grossen Wittekinds, von dem
er meldet, daß er seinem Verleger zu Maculatur
worden, wodurch seine Landesleute eine bessere
und nachdrucklichere Probe ihres feinen Geschmackes
gegeben, als wenn sie viele Bücher dagegen ge-
schrieben hätten. Er meint man habe in der Zu-
schrift gern etlichen Widersachern eines versetzen
wollen, welches eine rechte schweitzerische Gat-
tung von Artigkeit sey, so die ungeschliffenen Ober-
und Nieder-Sachsen mögen nachahmen lernen;
er fraget sehr geschickt, ob eben die Schweitzer die-
jenigen seyn, welche den Deutschen zuerst entde-
ken müssen, daß eine wahre Beredtsamkeit sich
auf eine gute Philosophie gründen müsse, und son-
derlich eine gesunde Vernunftlehre voraussetze; ja
daß ein Redner und Poete aus der Psychologie
und Moral die Kräfte des Verstandes und Wil-
lens wohl inne haben müsse, ehe er im Stande
ist, was tüchtiges zu schreiben.

Dieser Philologus hatte die Anmerckungen wi-
der den Patrioten zu Leipzig in Manuscripto gele-
sen, und war so gütig daß er ihn in seinen Schutz
nahm, eh er noch gedruckt war, er that dieses mit
der theuren Versicherung, daß des vortrefflichen
Patrioten Papiere, so diese scharfen Zuchtmei-
ster so verächtlich tractiert hätten, ihnen und
allen Schweitzern zu Trotze in- und ausser
Deutschland Beyfall finden würden.
Solcher
seltsame Trotz einer einzeln Person, die sich vor

den
Nachrichten von dem Urſprunge
„ſich in ihren Critiken ſo lange aufhalten, ſind
„noch gar nicht bey uns gewuͤrdiget worden, daß
„man ſie durchgeleſen haͤtte.„

Er gedencket bey
dieſem Anlaſſe des groſſen Wittekinds, von dem
er meldet, daß er ſeinem Verleger zu Maculatur
worden, wodurch ſeine Landesleute eine beſſere
und nachdrucklichere Probe ihres feinen Geſchmackes
gegeben, als wenn ſie viele Buͤcher dagegen ge-
ſchrieben haͤtten. Er meint man habe in der Zu-
ſchrift gern etlichen Widerſachern eines verſetzen
wollen, welches eine rechte ſchweitzeriſche Gat-
tung von Artigkeit ſey, ſo die ungeſchliffenen Ober-
und Nieder-Sachſen moͤgen nachahmen lernen;
er fraget ſehr geſchickt, ob eben die Schweitzer die-
jenigen ſeyn, welche den Deutſchen zuerſt entde-
ken muͤſſen, daß eine wahre Beredtſamkeit ſich
auf eine gute Philoſophie gruͤnden muͤſſe, und ſon-
derlich eine geſunde Vernunftlehre vorausſetze; ja
daß ein Redner und Poete aus der Pſychologie
und Moral die Kraͤfte des Verſtandes und Wil-
lens wohl inne haben muͤſſe, ehe er im Stande
iſt, was tuͤchtiges zu ſchreiben.

Dieſer Philologus hatte die Anmerckungen wi-
der den Patrioten zu Leipzig in Manuſcripto gele-
ſen, und war ſo guͤtig daß er ihn in ſeinen Schutz
nahm, eh er noch gedruckt war, er that dieſes mit
der theuren Verſicherung, daß des vortrefflichen
Patrioten Papiere, ſo dieſe ſcharfen Zuchtmei-
ſter ſo veraͤchtlich tractiert haͤtten, ihnen und
allen Schweitzern zu Trotze in- und auſſer
Deutſchland Beyfall finden wuͤrden.
Solcher
ſeltſame Trotz einer einzeln Perſon, die ſich vor

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <cit>
            <quote><pb facs="#f0156" n="154"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Nachrichten von dem Ur&#x017F;prunge</hi></fw><lb/>
&#x201E;&#x017F;ich in ihren Critiken &#x017F;o lange aufhalten, &#x017F;ind<lb/>
&#x201E;noch gar nicht bey uns gewu&#x0364;rdiget worden, daß<lb/>
&#x201E;man &#x017F;ie durchgele&#x017F;en ha&#x0364;tte.&#x201E;</quote>
          </cit><lb/>
          <p>Er gedencket bey<lb/>
die&#x017F;em Anla&#x017F;&#x017F;e des gro&#x017F;&#x017F;en Wittekinds, von dem<lb/>
er meldet, daß er &#x017F;einem Verleger zu Maculatur<lb/>
worden, wodurch &#x017F;eine Landesleute eine be&#x017F;&#x017F;ere<lb/>
und nachdrucklichere Probe ihres feinen Ge&#x017F;chmackes<lb/>
gegeben, als wenn &#x017F;ie viele Bu&#x0364;cher dagegen ge-<lb/>
&#x017F;chrieben ha&#x0364;tten. Er meint man habe in der Zu-<lb/>
&#x017F;chrift gern etlichen Wider&#x017F;achern eines ver&#x017F;etzen<lb/>
wollen, welches eine rechte &#x017F;chweitzeri&#x017F;che Gat-<lb/>
tung von Artigkeit &#x017F;ey, &#x017F;o die unge&#x017F;chliffenen Ober-<lb/>
und Nieder-Sach&#x017F;en mo&#x0364;gen nachahmen lernen;<lb/>
er fraget &#x017F;ehr ge&#x017F;chickt, ob eben die Schweitzer die-<lb/>
jenigen &#x017F;eyn, welche den Deut&#x017F;chen zuer&#x017F;t entde-<lb/>
ken mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, daß eine wahre Beredt&#x017F;amkeit &#x017F;ich<lb/>
auf eine gute Philo&#x017F;ophie gru&#x0364;nden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, und &#x017F;on-<lb/>
derlich eine ge&#x017F;unde Vernunftlehre voraus&#x017F;etze; ja<lb/>
daß ein Redner und Poete aus der P&#x017F;ychologie<lb/>
und Moral die Kra&#x0364;fte des Ver&#x017F;tandes und Wil-<lb/>
lens wohl inne haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, ehe er im Stande<lb/>
i&#x017F;t, was tu&#x0364;chtiges zu &#x017F;chreiben.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;er Philologus hatte die Anmerckungen wi-<lb/>
der den Patrioten zu Leipzig in <hi rendition="#aq">Manu&#x017F;cripto</hi> gele-<lb/>
&#x017F;en, und war &#x017F;o gu&#x0364;tig daß er ihn in &#x017F;einen Schutz<lb/>
nahm, eh er noch gedruckt war, er that die&#x017F;es mit<lb/>
der theuren Ver&#x017F;icherung, <hi rendition="#fr">daß des vortrefflichen<lb/>
Patrioten Papiere, &#x017F;o die&#x017F;e &#x017F;charfen Zuchtmei-<lb/>
&#x017F;ter &#x017F;o vera&#x0364;chtlich tractiert ha&#x0364;tten, ihnen und<lb/>
allen Schweitzern zu Trotze in- und au&#x017F;&#x017F;er<lb/>
Deut&#x017F;chland Beyfall finden wu&#x0364;rden.</hi> Solcher<lb/>
&#x017F;elt&#x017F;ame Trotz einer einzeln Per&#x017F;on, die &#x017F;ich vor<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0156] Nachrichten von dem Urſprunge „ſich in ihren Critiken ſo lange aufhalten, ſind „noch gar nicht bey uns gewuͤrdiget worden, daß „man ſie durchgeleſen haͤtte.„ Er gedencket bey dieſem Anlaſſe des groſſen Wittekinds, von dem er meldet, daß er ſeinem Verleger zu Maculatur worden, wodurch ſeine Landesleute eine beſſere und nachdrucklichere Probe ihres feinen Geſchmackes gegeben, als wenn ſie viele Buͤcher dagegen ge- ſchrieben haͤtten. Er meint man habe in der Zu- ſchrift gern etlichen Widerſachern eines verſetzen wollen, welches eine rechte ſchweitzeriſche Gat- tung von Artigkeit ſey, ſo die ungeſchliffenen Ober- und Nieder-Sachſen moͤgen nachahmen lernen; er fraget ſehr geſchickt, ob eben die Schweitzer die- jenigen ſeyn, welche den Deutſchen zuerſt entde- ken muͤſſen, daß eine wahre Beredtſamkeit ſich auf eine gute Philoſophie gruͤnden muͤſſe, und ſon- derlich eine geſunde Vernunftlehre vorausſetze; ja daß ein Redner und Poete aus der Pſychologie und Moral die Kraͤfte des Verſtandes und Wil- lens wohl inne haben muͤſſe, ehe er im Stande iſt, was tuͤchtiges zu ſchreiben. Dieſer Philologus hatte die Anmerckungen wi- der den Patrioten zu Leipzig in Manuſcripto gele- ſen, und war ſo guͤtig daß er ihn in ſeinen Schutz nahm, eh er noch gedruckt war, er that dieſes mit der theuren Verſicherung, daß des vortrefflichen Patrioten Papiere, ſo dieſe ſcharfen Zuchtmei- ſter ſo veraͤchtlich tractiert haͤtten, ihnen und allen Schweitzern zu Trotze in- und auſſer Deutſchland Beyfall finden wuͤrden. Solcher ſeltſame Trotz einer einzeln Perſon, die ſich vor den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/156
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/156>, abgerufen am 02.05.2024.