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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

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der Critik bey den Deutschen.
te, mit welcher Lob und Tadel ohne Ansehen der
Personen, sie mogten noch im Leben, oder schon
gestorben seyn, nach Verdienen ausgetheilet ward.
Jn den gelehrten Zeitungen von Leipzig hat man
davon dieses Urtheil gefället: Die Beurtheilun-
gen der Autoren, sagt man, sind bisweilen etwas
herbe abgefasset; ihre Critik aber gründet sich
auf gute Regeln. Daselbst wurden die Verfasser
auch das erste mahl mit Nahmen genannt:

"Die
"Autoren sollen, wie man sagt, Hr. Professor
"Bodmer und Herr Breitinger, von dem wir
"die neue Auflage der LXX. Dollmetscher zu hof-
"fen haben, seyn."

Man hat sie in der That
errathen. Diese beyde sind es, die mit gemein-
schaftlichen Anschlägen erstlich die moralische Wo-
chenschrift nach der Art des Englichen Zuschauers,
hernach die andern oben erzählten critischen Schrif-
ten verfasset haben, und wir verstehen eben die-
selben, wenn wir die schweitzerischen Kunstrichter
anführen. Die Scribenten, die in ihrem langen
Besitze eines niemahls untersuchten Ruhmes ge-
störet worden, mußten nothwendig ein Mißfallen
an diesen Critiken haben, und warum sollten sie
den gefaßten Unwillen nicht öffentlich zu erkennen
gegeben haben? Jn dem Biedermanne, einem
moralischen Wochenblate von Leipzig, stellte der
verkappte Philologus, dessen eigenes Geständniß
seiner Schwäche in critischen Dingen man mit sei-
nen vermessenen Urtheilen zusammen gehalten hat-
te (*), die Zürchischen Kunstrichter unter einer

Ge-
(*) Er hatte in dem 34sten St. der Tadlerinnen ge-
sagt:
K 4

der Critik bey den Deutſchen.
te, mit welcher Lob und Tadel ohne Anſehen der
Perſonen, ſie mogten noch im Leben, oder ſchon
geſtorben ſeyn, nach Verdienen ausgetheilet ward.
Jn den gelehrten Zeitungen von Leipzig hat man
davon dieſes Urtheil gefaͤllet: Die Beurtheilun-
gen der Autoren, ſagt man, ſind bisweilen etwas
herbe abgefaſſet; ihre Critik aber gruͤndet ſich
auf gute Regeln. Daſelbſt wurden die Verfaſſer
auch das erſte mahl mit Nahmen genannt:

„Die
„Autoren ſollen, wie man ſagt, Hr. Profeſſor
„Bodmer und Herr Breitinger, von dem wir
„die neue Auflage der LXX. Dollmetſcher zu hof-
„fen haben, ſeyn.„

Man hat ſie in der That
errathen. Dieſe beyde ſind es, die mit gemein-
ſchaftlichen Anſchlaͤgen erſtlich die moraliſche Wo-
chenſchrift nach der Art des Englichen Zuſchauers,
hernach die andern oben erzaͤhlten critiſchen Schrif-
ten verfaſſet haben, und wir verſtehen eben die-
ſelben, wenn wir die ſchweitzeriſchen Kunſtrichter
anfuͤhren. Die Scribenten, die in ihrem langen
Beſitze eines niemahls unterſuchten Ruhmes ge-
ſtoͤret worden, mußten nothwendig ein Mißfallen
an dieſen Critiken haben, und warum ſollten ſie
den gefaßten Unwillen nicht oͤffentlich zu erkennen
gegeben haben? Jn dem Biedermanne, einem
moraliſchen Wochenblate von Leipzig, ſtellte der
verkappte Philologus, deſſen eigenes Geſtaͤndniß
ſeiner Schwaͤche in critiſchen Dingen man mit ſei-
nen vermeſſenen Urtheilen zuſammen gehalten hat-
te (*), die Zuͤrchiſchen Kunſtrichter unter einer

Ge-
(*) Er hatte in dem 34ſten St. der Tadlerinnen ge-
ſagt:
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[151/0153] der Critik bey den Deutſchen. te, mit welcher Lob und Tadel ohne Anſehen der Perſonen, ſie mogten noch im Leben, oder ſchon geſtorben ſeyn, nach Verdienen ausgetheilet ward. Jn den gelehrten Zeitungen von Leipzig hat man davon dieſes Urtheil gefaͤllet: Die Beurtheilun- gen der Autoren, ſagt man, ſind bisweilen etwas herbe abgefaſſet; ihre Critik aber gruͤndet ſich auf gute Regeln. Daſelbſt wurden die Verfaſſer auch das erſte mahl mit Nahmen genannt: „Die „Autoren ſollen, wie man ſagt, Hr. Profeſſor „Bodmer und Herr Breitinger, von dem wir „die neue Auflage der LXX. Dollmetſcher zu hof- „fen haben, ſeyn.„ Man hat ſie in der That errathen. Dieſe beyde ſind es, die mit gemein- ſchaftlichen Anſchlaͤgen erſtlich die moraliſche Wo- chenſchrift nach der Art des Englichen Zuſchauers, hernach die andern oben erzaͤhlten critiſchen Schrif- ten verfaſſet haben, und wir verſtehen eben die- ſelben, wenn wir die ſchweitzeriſchen Kunſtrichter anfuͤhren. Die Scribenten, die in ihrem langen Beſitze eines niemahls unterſuchten Ruhmes ge- ſtoͤret worden, mußten nothwendig ein Mißfallen an dieſen Critiken haben, und warum ſollten ſie den gefaßten Unwillen nicht oͤffentlich zu erkennen gegeben haben? Jn dem Biedermanne, einem moraliſchen Wochenblate von Leipzig, ſtellte der verkappte Philologus, deſſen eigenes Geſtaͤndniß ſeiner Schwaͤche in critiſchen Dingen man mit ſei- nen vermeſſenen Urtheilen zuſammen gehalten hat- te (*), die Zuͤrchiſchen Kunſtrichter unter einer Ge- (*) Er hatte in dem 34ſten St. der Tadlerinnen ge- ſagt: K 4

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/153>, abgerufen am 02.05.2024.