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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

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der Critik bey den Deutschen.
"Beywörter dienen ihnen für die Kunst Beschrei-
"bungen zu machen. Erst jüngst haben sich ei-
"nige unterstanden absonderliche Stellen zu beur-
"theilen: Aber es fehlet ihnen an der critischen
"Waage; sie urtheilen nicht auf einen gewissen
"Grund; sondern auf gerathewohl."

Jn die-
sem Thone fahren sie noch etliche Seiten fort;
darnach geben sie uns einige Nachrichten von der
Gemüthesart, womit sie ihr Vorhaben unterneh-
men, und fallen dann auf die nähere Bestimmung
und Eintheilung ihres Werckes:

"Diese Ge-
"müthesart habe ich zu meinem lange überlegten
"und späth beschlossenen Vornehmen gebracht,
"alle Theile der Beredtsamkeit in mathematischer
"Gewißheit auszuführen, und den wahren Quel-
"len sowohl des Ergetzens, das uns gute Schrif-
"ten mittheilen, als der Kaltsinnigkeit, in welcher
"uns schlimme Wercke stehen lassen, nachzuspü-
"ren. Was ich dießmahl an das Licht stelle,
"ist allein der erste Theil von dem gantzen Wer-
"ke, welchem noch vier andre Theile folgen sol-
"len. Diese Eintheilung gründet sich auf die
"verschiedene Kräfte der Seele, von welchen die
"unterschiedene Stücke der Wohlredenheit und
"Poesie hervorgebracht werden. Der gegen-
"wärtige Theil handelt von dem Einfluß, welchen
"die Einbildungskraft auf die Beredtsamkeit hat,
"und begreiffet also alle Gattungen Beschreibungen
"deren Dinge, so die Natur oder die Kunst her-
"vorbringt; auch selbst die Beschreibungen des
"menschlichen Gemüthes, welche mit einem eigenen
"Nahmen Character der Sitten genannt werden,
"und
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der Critik bey den Deutſchen.
„Beywoͤrter dienen ihnen fuͤr die Kunſt Beſchrei-
„bungen zu machen. Erſt juͤngſt haben ſich ei-
„nige unterſtanden abſonderliche Stellen zu beur-
„theilen: Aber es fehlet ihnen an der critiſchen
„Waage; ſie urtheilen nicht auf einen gewiſſen
„Grund; ſondern auf gerathewohl.„

Jn die-
ſem Thone fahren ſie noch etliche Seiten fort;
darnach geben ſie uns einige Nachrichten von der
Gemuͤthesart, womit ſie ihr Vorhaben unterneh-
men, und fallen dann auf die naͤhere Beſtimmung
und Eintheilung ihres Werckes:

„Dieſe Ge-
„muͤthesart habe ich zu meinem lange uͤberlegten
„und ſpaͤth beſchloſſenen Vornehmen gebracht,
„alle Theile der Beredtſamkeit in mathematiſcher
„Gewißheit auszufuͤhren, und den wahren Quel-
„len ſowohl des Ergetzens, das uns gute Schrif-
„ten mittheilen, als der Kaltſinnigkeit, in welcher
„uns ſchlimme Wercke ſtehen laſſen, nachzuſpuͤ-
„ren. Was ich dießmahl an das Licht ſtelle,
„iſt allein der erſte Theil von dem gantzen Wer-
„ke, welchem noch vier andre Theile folgen ſol-
„len. Dieſe Eintheilung gruͤndet ſich auf die
„verſchiedene Kraͤfte der Seele, von welchen die
„unterſchiedene Stuͤcke der Wohlredenheit und
„Poeſie hervorgebracht werden. Der gegen-
„waͤrtige Theil handelt von dem Einfluß, welchen
„die Einbildungskraft auf die Beredtſamkeit hat,
„und begreiffet alſo alle Gattungen Beſchreibungen
„deren Dinge, ſo die Natur oder die Kunſt her-
„vorbringt; auch ſelbſt die Beſchreibungen des
„menſchlichen Gemuͤthes, welche mit einem eigenen
„Nahmen Character der Sitten genannt werden,
„und
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[149/0151] der Critik bey den Deutſchen. „Beywoͤrter dienen ihnen fuͤr die Kunſt Beſchrei- „bungen zu machen. Erſt juͤngſt haben ſich ei- „nige unterſtanden abſonderliche Stellen zu beur- „theilen: Aber es fehlet ihnen an der critiſchen „Waage; ſie urtheilen nicht auf einen gewiſſen „Grund; ſondern auf gerathewohl.„ Jn die- ſem Thone fahren ſie noch etliche Seiten fort; darnach geben ſie uns einige Nachrichten von der Gemuͤthesart, womit ſie ihr Vorhaben unterneh- men, und fallen dann auf die naͤhere Beſtimmung und Eintheilung ihres Werckes: „Dieſe Ge- „muͤthesart habe ich zu meinem lange uͤberlegten „und ſpaͤth beſchloſſenen Vornehmen gebracht, „alle Theile der Beredtſamkeit in mathematiſcher „Gewißheit auszufuͤhren, und den wahren Quel- „len ſowohl des Ergetzens, das uns gute Schrif- „ten mittheilen, als der Kaltſinnigkeit, in welcher „uns ſchlimme Wercke ſtehen laſſen, nachzuſpuͤ- „ren. Was ich dießmahl an das Licht ſtelle, „iſt allein der erſte Theil von dem gantzen Wer- „ke, welchem noch vier andre Theile folgen ſol- „len. Dieſe Eintheilung gruͤndet ſich auf die „verſchiedene Kraͤfte der Seele, von welchen die „unterſchiedene Stuͤcke der Wohlredenheit und „Poeſie hervorgebracht werden. Der gegen- „waͤrtige Theil handelt von dem Einfluß, welchen „die Einbildungskraft auf die Beredtſamkeit hat, „und begreiffet alſo alle Gattungen Beſchreibungen „deren Dinge, ſo die Natur oder die Kunſt her- „vorbringt; auch ſelbſt die Beſchreibungen des „menſchlichen Gemuͤthes, welche mit einem eigenen „Nahmen Character der Sitten genannt werden, „und K 3

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/151>, abgerufen am 02.05.2024.