"Beywörter dienen ihnen für die Kunst Beschrei- "bungen zu machen. Erst jüngst haben sich ei- "nige unterstanden absonderliche Stellen zu beur- "theilen: Aber es fehlet ihnen an der critischen "Waage; sie urtheilen nicht auf einen gewissen "Grund; sondern auf gerathewohl."
Jn die- sem Thone fahren sie noch etliche Seiten fort; darnach geben sie uns einige Nachrichten von der Gemüthesart, womit sie ihr Vorhaben unterneh- men, und fallen dann auf die nähere Bestimmung und Eintheilung ihres Werckes:
"Diese Ge- "müthesart habe ich zu meinem lange überlegten "und späth beschlossenen Vornehmen gebracht, "alle Theile der Beredtsamkeit in mathematischer "Gewißheit auszuführen, und den wahren Quel- "len sowohl des Ergetzens, das uns gute Schrif- "ten mittheilen, als der Kaltsinnigkeit, in welcher "uns schlimme Wercke stehen lassen, nachzuspü- "ren. Was ich dießmahl an das Licht stelle, "ist allein der erste Theil von dem gantzen Wer- "ke, welchem noch vier andre Theile folgen sol- "len. Diese Eintheilung gründet sich auf die "verschiedene Kräfte der Seele, von welchen die "unterschiedene Stücke der Wohlredenheit und "Poesie hervorgebracht werden. Der gegen- "wärtige Theil handelt von dem Einfluß, welchen "die Einbildungskraft auf die Beredtsamkeit hat, "und begreiffet also alle Gattungen Beschreibungen "deren Dinge, so die Natur oder die Kunst her- "vorbringt; auch selbst die Beschreibungen des "menschlichen Gemüthes, welche mit einem eigenen "Nahmen Character der Sitten genannt werden,
"und
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der Critik bey den Deutſchen.
„Beywoͤrter dienen ihnen fuͤr die Kunſt Beſchrei- „bungen zu machen. Erſt juͤngſt haben ſich ei- „nige unterſtanden abſonderliche Stellen zu beur- „theilen: Aber es fehlet ihnen an der critiſchen „Waage; ſie urtheilen nicht auf einen gewiſſen „Grund; ſondern auf gerathewohl.„
Jn die- ſem Thone fahren ſie noch etliche Seiten fort; darnach geben ſie uns einige Nachrichten von der Gemuͤthesart, womit ſie ihr Vorhaben unterneh- men, und fallen dann auf die naͤhere Beſtimmung und Eintheilung ihres Werckes:
„Dieſe Ge- „muͤthesart habe ich zu meinem lange uͤberlegten „und ſpaͤth beſchloſſenen Vornehmen gebracht, „alle Theile der Beredtſamkeit in mathematiſcher „Gewißheit auszufuͤhren, und den wahren Quel- „len ſowohl des Ergetzens, das uns gute Schrif- „ten mittheilen, als der Kaltſinnigkeit, in welcher „uns ſchlimme Wercke ſtehen laſſen, nachzuſpuͤ- „ren. Was ich dießmahl an das Licht ſtelle, „iſt allein der erſte Theil von dem gantzen Wer- „ke, welchem noch vier andre Theile folgen ſol- „len. Dieſe Eintheilung gruͤndet ſich auf die „verſchiedene Kraͤfte der Seele, von welchen die „unterſchiedene Stuͤcke der Wohlredenheit und „Poeſie hervorgebracht werden. Der gegen- „waͤrtige Theil handelt von dem Einfluß, welchen „die Einbildungskraft auf die Beredtſamkeit hat, „und begreiffet alſo alle Gattungen Beſchreibungen „deren Dinge, ſo die Natur oder die Kunſt her- „vorbringt; auch ſelbſt die Beſchreibungen des „menſchlichen Gemuͤthes, welche mit einem eigenen „Nahmen Character der Sitten genannt werden,
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der Critik bey den Deutſchen.
„Beywoͤrter dienen ihnen fuͤr die Kunſt Beſchrei-
„bungen zu machen. Erſt juͤngſt haben ſich ei-
„nige unterſtanden abſonderliche Stellen zu beur-
„theilen: Aber es fehlet ihnen an der critiſchen
„Waage; ſie urtheilen nicht auf einen gewiſſen
„Grund; ſondern auf gerathewohl.„
Jn die-
ſem Thone fahren ſie noch etliche Seiten fort;
darnach geben ſie uns einige Nachrichten von der
Gemuͤthesart, womit ſie ihr Vorhaben unterneh-
men, und fallen dann auf die naͤhere Beſtimmung
und Eintheilung ihres Werckes:
„Dieſe Ge-
„muͤthesart habe ich zu meinem lange uͤberlegten
„und ſpaͤth beſchloſſenen Vornehmen gebracht,
„alle Theile der Beredtſamkeit in mathematiſcher
„Gewißheit auszufuͤhren, und den wahren Quel-
„len ſowohl des Ergetzens, das uns gute Schrif-
„ten mittheilen, als der Kaltſinnigkeit, in welcher
„uns ſchlimme Wercke ſtehen laſſen, nachzuſpuͤ-
„ren. Was ich dießmahl an das Licht ſtelle,
„iſt allein der erſte Theil von dem gantzen Wer-
„ke, welchem noch vier andre Theile folgen ſol-
„len. Dieſe Eintheilung gruͤndet ſich auf die
„verſchiedene Kraͤfte der Seele, von welchen die
„unterſchiedene Stuͤcke der Wohlredenheit und
„Poeſie hervorgebracht werden. Der gegen-
„waͤrtige Theil handelt von dem Einfluß, welchen
„die Einbildungskraft auf die Beredtſamkeit hat,
„und begreiffet alſo alle Gattungen Beſchreibungen
„deren Dinge, ſo die Natur oder die Kunſt her-
„vorbringt; auch ſelbſt die Beſchreibungen des
„menſchlichen Gemuͤthes, welche mit einem eigenen
„Nahmen Character der Sitten genannt werden,
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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/151>, abgerufen am 16.02.2025.
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