Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite
Nachrichten von dem Ursprunge
"Rose ist zierlich genug, und drückt des Poeten
"Meinung gnugsam aus; die übrigen aber schei-
"nen nicht allein nur lauter Flickwörter zu seyn,
"die Verse damit zu füllen, sondern zeigen auch
"gar nicht an, was sie hier sonst bedeuten sollten.
"Denn daß die Liebe Gold mit Stahl, das ist,
"Reichthum mit Dapferkeit verbinde, ist gar nichts
"ungemeines. Aus Garn kan man fast so zarte
"und kostbare Tücher, als aus Seide machen:
"Und ich finde keinen andern Unterscheid zwischen
"den Kolen und den Kreiden, als daß die eine
"weiß, die andere schwartz, und im übrigen bey-
"de ungefehr einerley Werthes sind. Jch ge-
"schweige der Perlen und des Grases, welche
"mit einander gar keine Vergleichung haben.
"Denn ich schreibe es dem Drucker zu, welcher
"vielleicht Gras vor Glas mag gesetzet haben."

Hierauf sagt Menantes zur Vertheidigung der
zwey erstern Verse:

"Die wunderlichsten Ge-
"danken machen des Hrn. Autors unzeitige Gril-
"len; denn wenn gleich sonsten des Geheimschrei-
"bers Kieselstein zu der Princessin ihrem Dia-
"mant gekommen wäre, sie würden einander kei-
"nen Schaden gethan haben. Aber vernünftiger
"zu reden; die Glut steiget zu hoch, und ein Kie-
"selstein will zu Diamanten, oder was schlechtes
"zu was kostbares, sind Metaphoren, die abge-
"schmackte Meistersänger nicht verstehen, aber
"bey verständigen längst mit Approbation gele-
"sen worden.

Zur Rettung der drey letztern Verse sagt er:

"Daß er diese Metaphoren nicht versteht, ist
"daraus
Nachrichten von dem Urſprunge
„Roſe iſt zierlich genug, und druͤckt des Poeten
„Meinung gnugſam aus; die uͤbrigen aber ſchei-
„nen nicht allein nur lauter Flickwoͤrter zu ſeyn,
„die Verſe damit zu fuͤllen, ſondern zeigen auch
„gar nicht an, was ſie hier ſonſt bedeuten ſollten.
„Denn daß die Liebe Gold mit Stahl, das iſt,
„Reichthum mit Dapferkeit verbinde, iſt gar nichts
„ungemeines. Aus Garn kan man faſt ſo zarte
„und koſtbare Tuͤcher, als aus Seide machen:
„Und ich finde keinen andern Unterſcheid zwiſchen
„den Kolen und den Kreiden, als daß die eine
„weiß, die andere ſchwartz, und im uͤbrigen bey-
„de ungefehr einerley Werthes ſind. Jch ge-
„ſchweige der Perlen und des Graſes, welche
„mit einander gar keine Vergleichung haben.
„Denn ich ſchreibe es dem Drucker zu, welcher
„vielleicht Gras vor Glas mag geſetzet haben.„

Hierauf ſagt Menantes zur Vertheidigung der
zwey erſtern Verſe:

„Die wunderlichſten Ge-
„danken machen des Hrn. Autors unzeitige Gril-
„len; denn wenn gleich ſonſten des Geheimſchrei-
„bers Kieſelſtein zu der Princeſſin ihrem Dia-
„mant gekommen waͤre, ſie wuͤrden einander kei-
„nen Schaden gethan haben. Aber vernuͤnftiger
„zu reden; die Glut ſteiget zu hoch, und ein Kie-
„ſelſtein will zu Diamanten, oder was ſchlechtes
„zu was koſtbares, ſind Metaphoren, die abge-
„ſchmackte Meiſterſaͤnger nicht verſtehen, aber
„bey verſtaͤndigen laͤngſt mit Approbation gele-
„ſen worden.

Zur Rettung der drey letztern Verſe ſagt er:

„Daß er dieſe Metaphoren nicht verſteht, iſt
„daraus
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <cit>
            <quote><pb facs="#f0120" n="118"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Nachrichten von dem Ur&#x017F;prunge</hi></fw><lb/>
&#x201E;Ro&#x017F;e i&#x017F;t zierlich genug, und dru&#x0364;ckt des Poeten<lb/>
&#x201E;Meinung gnug&#x017F;am aus; die u&#x0364;brigen aber &#x017F;chei-<lb/>
&#x201E;nen nicht allein nur lauter Flickwo&#x0364;rter zu &#x017F;eyn,<lb/>
&#x201E;die Ver&#x017F;e damit zu fu&#x0364;llen, &#x017F;ondern zeigen auch<lb/>
&#x201E;gar nicht an, was &#x017F;ie hier &#x017F;on&#x017F;t bedeuten &#x017F;ollten.<lb/>
&#x201E;Denn daß die Liebe Gold mit Stahl, das i&#x017F;t,<lb/>
&#x201E;Reichthum mit Dapferkeit verbinde, i&#x017F;t gar nichts<lb/>
&#x201E;ungemeines. Aus Garn kan man fa&#x017F;t &#x017F;o zarte<lb/>
&#x201E;und ko&#x017F;tbare Tu&#x0364;cher, als aus Seide machen:<lb/>
&#x201E;Und ich finde keinen andern Unter&#x017F;cheid zwi&#x017F;chen<lb/>
&#x201E;den Kolen und den Kreiden, als daß die eine<lb/>
&#x201E;weiß, die andere &#x017F;chwartz, und im u&#x0364;brigen bey-<lb/>
&#x201E;de ungefehr einerley Werthes &#x017F;ind. Jch ge-<lb/>
&#x201E;&#x017F;chweige der Perlen und des Gra&#x017F;es, welche<lb/>
&#x201E;mit einander gar keine Vergleichung haben.<lb/>
&#x201E;Denn ich &#x017F;chreibe es dem Drucker zu, welcher<lb/>
&#x201E;vielleicht Gras vor Glas mag ge&#x017F;etzet haben.&#x201E;</quote>
          </cit><lb/>
          <p>Hierauf &#x017F;agt Menantes zur Vertheidigung der<lb/>
zwey er&#x017F;tern Ver&#x017F;e:</p>
          <cit>
            <quote>&#x201E;Die wunderlich&#x017F;ten Ge-<lb/>
&#x201E;danken machen des Hrn. Autors unzeitige Gril-<lb/>
&#x201E;len; denn wenn gleich &#x017F;on&#x017F;ten des Geheim&#x017F;chrei-<lb/>
&#x201E;bers Kie&#x017F;el&#x017F;tein zu der Prince&#x017F;&#x017F;in ihrem Dia-<lb/>
&#x201E;mant gekommen wa&#x0364;re, &#x017F;ie wu&#x0364;rden einander kei-<lb/>
&#x201E;nen Schaden gethan haben. Aber vernu&#x0364;nftiger<lb/>
&#x201E;zu reden; die Glut &#x017F;teiget zu hoch, und ein Kie-<lb/>
&#x201E;&#x017F;el&#x017F;tein will zu Diamanten, oder was &#x017F;chlechtes<lb/>
&#x201E;zu was ko&#x017F;tbares, &#x017F;ind Metaphoren, die abge-<lb/>
&#x201E;&#x017F;chmackte Mei&#x017F;ter&#x017F;a&#x0364;nger nicht ver&#x017F;tehen, aber<lb/>
&#x201E;bey ver&#x017F;ta&#x0364;ndigen la&#x0364;ng&#x017F;t mit <hi rendition="#aq">Approbation</hi> gele-<lb/>
&#x201E;&#x017F;en worden.</quote>
          </cit><lb/>
          <p>Zur Rettung der drey letztern Ver&#x017F;e &#x017F;agt er:</p><lb/>
          <cit>
            <quote>&#x201E;Daß er die&#x017F;e Metaphoren nicht ver&#x017F;teht, i&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;daraus</fw><lb/></quote>
          </cit>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0120] Nachrichten von dem Urſprunge „Roſe iſt zierlich genug, und druͤckt des Poeten „Meinung gnugſam aus; die uͤbrigen aber ſchei- „nen nicht allein nur lauter Flickwoͤrter zu ſeyn, „die Verſe damit zu fuͤllen, ſondern zeigen auch „gar nicht an, was ſie hier ſonſt bedeuten ſollten. „Denn daß die Liebe Gold mit Stahl, das iſt, „Reichthum mit Dapferkeit verbinde, iſt gar nichts „ungemeines. Aus Garn kan man faſt ſo zarte „und koſtbare Tuͤcher, als aus Seide machen: „Und ich finde keinen andern Unterſcheid zwiſchen „den Kolen und den Kreiden, als daß die eine „weiß, die andere ſchwartz, und im uͤbrigen bey- „de ungefehr einerley Werthes ſind. Jch ge- „ſchweige der Perlen und des Graſes, welche „mit einander gar keine Vergleichung haben. „Denn ich ſchreibe es dem Drucker zu, welcher „vielleicht Gras vor Glas mag geſetzet haben.„ Hierauf ſagt Menantes zur Vertheidigung der zwey erſtern Verſe: „Die wunderlichſten Ge- „danken machen des Hrn. Autors unzeitige Gril- „len; denn wenn gleich ſonſten des Geheimſchrei- „bers Kieſelſtein zu der Princeſſin ihrem Dia- „mant gekommen waͤre, ſie wuͤrden einander kei- „nen Schaden gethan haben. Aber vernuͤnftiger „zu reden; die Glut ſteiget zu hoch, und ein Kie- „ſelſtein will zu Diamanten, oder was ſchlechtes „zu was koſtbares, ſind Metaphoren, die abge- „ſchmackte Meiſterſaͤnger nicht verſtehen, aber „bey verſtaͤndigen laͤngſt mit Approbation gele- „ſen worden. Zur Rettung der drey letztern Verſe ſagt er: „Daß er dieſe Metaphoren nicht verſteht, iſt „daraus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/120
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/120>, abgerufen am 03.05.2024.