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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

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Nachrichten von dem Ursprunge
Sache gewesen; indem er dieselben izo selbst ver-
wirfft, zeiget er uns zugleich an, warum er sie
ausgelöschet habe; und wie er bey einer Verände-
rung nicht nur gesucht, den ersten Fehler zu he-
ben, sondern an statt des ungeschickten Gedankens
einen trefflichen zu ersinnen. Unter einer grossen
Anzahl Ueberschriften gehen nun eine ziemliche
Menge auf die deutschen Poeten, den Witz der
Deutschen, die Vorrückungen des Vater Bu-
hurs, und dergleichen Dinge. Der Autor ist
dann beflissen, die Urtheile, so er in den sticheln-
den Ueberschriften gefällt hat, in den Anmerckun-
gen zu erklären und zu bekräftigen. Wir wollen
ihn seine Begriffe von der Poesie, der Critik,
und ihrem Gebrauche selber entdecken lassen.

"Etliche Ueberschriften, sagt er, sind wider un-
"sere deutschen Poeten, oder daß man seine Mei-
"nung deutlicher ausdrücke, mehr wider die ein-
"geführte Schreibart, als die Poeten selbst ge-
"richtet. Man hält davor, und man hoffet,
"es werde dem Verfasser von keinem vernünfti-
"gen Menschen übel gedeutet werden, daß er sei-
"ne Meinung so frey heraussaget; man hält da-
"vor, daß wir bisher in unfern Versen mit eiteln
"und falschen Wörtern zuviel gespielet, und sehr
"wenig auf das bedacht gewesen, was die Wel-
"schen Concetti, die Franzosen Pensees, die
"Engelländer Thoughts, und wir füglich Ein-
"fälle nennen können; da doch dieselbe die Seele
"eines Gedichtes sind. Ja daß auch eben die,
"welche sinnreich zu seyn gewußt, dennoch nicht
"eine nachdrückliche und männliche Art zu schrei-
"ben

Nachrichten von dem Urſprunge
Sache geweſen; indem er dieſelben izo ſelbſt ver-
wirfft, zeiget er uns zugleich an, warum er ſie
ausgeloͤſchet habe; und wie er bey einer Veraͤnde-
rung nicht nur geſucht, den erſten Fehler zu he-
ben, ſondern an ſtatt des ungeſchickten Gedankens
einen trefflichen zu erſinnen. Unter einer groſſen
Anzahl Ueberſchriften gehen nun eine ziemliche
Menge auf die deutſchen Poeten, den Witz der
Deutſchen, die Vorruͤckungen des Vater Bu-
hurs, und dergleichen Dinge. Der Autor iſt
dann befliſſen, die Urtheile, ſo er in den ſticheln-
den Ueberſchriften gefaͤllt hat, in den Anmerckun-
gen zu erklaͤren und zu bekraͤftigen. Wir wollen
ihn ſeine Begriffe von der Poeſie, der Critik,
und ihrem Gebrauche ſelber entdecken laſſen.

„Etliche Ueberſchriften, ſagt er, ſind wider un-
„ſere deutſchen Poeten, oder daß man ſeine Mei-
„nung deutlicher ausdruͤcke, mehr wider die ein-
„gefuͤhrte Schreibart, als die Poeten ſelbſt ge-
„richtet. Man haͤlt davor, und man hoffet,
„es werde dem Verfaſſer von keinem vernuͤnfti-
„gen Menſchen uͤbel gedeutet werden, daß er ſei-
„ne Meinung ſo frey herausſaget; man haͤlt da-
„vor, daß wir bisher in unfern Verſen mit eiteln
„und falſchen Woͤrtern zuviel geſpielet, und ſehr
„wenig auf das bedacht geweſen, was die Wel-
„ſchen Concetti, die Franzoſen Penſées, die
„Engellaͤnder Thoughts, und wir fuͤglich Ein-
„faͤlle nennen koͤnnen; da doch dieſelbe die Seele
„eines Gedichtes ſind. Ja daß auch eben die,
„welche ſinnreich zu ſeyn gewußt, dennoch nicht
„eine nachdruͤckliche und maͤnnliche Art zu ſchrei-
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[104/0106] Nachrichten von dem Urſprunge Sache geweſen; indem er dieſelben izo ſelbſt ver- wirfft, zeiget er uns zugleich an, warum er ſie ausgeloͤſchet habe; und wie er bey einer Veraͤnde- rung nicht nur geſucht, den erſten Fehler zu he- ben, ſondern an ſtatt des ungeſchickten Gedankens einen trefflichen zu erſinnen. Unter einer groſſen Anzahl Ueberſchriften gehen nun eine ziemliche Menge auf die deutſchen Poeten, den Witz der Deutſchen, die Vorruͤckungen des Vater Bu- hurs, und dergleichen Dinge. Der Autor iſt dann befliſſen, die Urtheile, ſo er in den ſticheln- den Ueberſchriften gefaͤllt hat, in den Anmerckun- gen zu erklaͤren und zu bekraͤftigen. Wir wollen ihn ſeine Begriffe von der Poeſie, der Critik, und ihrem Gebrauche ſelber entdecken laſſen. „Etliche Ueberſchriften, ſagt er, ſind wider un- „ſere deutſchen Poeten, oder daß man ſeine Mei- „nung deutlicher ausdruͤcke, mehr wider die ein- „gefuͤhrte Schreibart, als die Poeten ſelbſt ge- „richtet. Man haͤlt davor, und man hoffet, „es werde dem Verfaſſer von keinem vernuͤnfti- „gen Menſchen uͤbel gedeutet werden, daß er ſei- „ne Meinung ſo frey herausſaget; man haͤlt da- „vor, daß wir bisher in unfern Verſen mit eiteln „und falſchen Woͤrtern zuviel geſpielet, und ſehr „wenig auf das bedacht geweſen, was die Wel- „ſchen Concetti, die Franzoſen Penſées, die „Engellaͤnder Thoughts, und wir fuͤglich Ein- „faͤlle nennen koͤnnen; da doch dieſelbe die Seele „eines Gedichtes ſind. Ja daß auch eben die, „welche ſinnreich zu ſeyn gewußt, dennoch nicht „eine nachdruͤckliche und maͤnnliche Art zu ſchrei- „ben

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/106>, abgerufen am 03.05.2024.