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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.

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ein Heldengedichte.
Wenn ich, mit Tint' und Pech besudelt, Vers' erdacht,
Und manchen Schuh zu kurtz, und Fuß zu lang gemacht:
So must' ein Dudelsak mir meinen Unmuth stillen,
Und mein allduldend Ohr mit seinem Schnarren füllen.
Doch war mein Dudelsak ein Vorspiel nur von dir,
Und deinem hellern Thon, wenn du schlägst dein Clavier (i).
Mich dünkt, ich hör' anizt dich neuen Orpheus spielen,
Weil deiner Finger Wink die scharfe Seiten fühlen;
Man singt. Das Lied ist dein, und K - -rs (k) die Musick,
Der in des Stümpers Reim erweißt ein Meisterstück;
Der mit dem Thon ersezt, was den Verstand verrüket,
Und uns mit deinem Wahn und Aberwiz entzüket;
Der dir zu Nuz die Sinn' uns oft verwirrt gemacht,
Und deine falsche Münz' im Klang' hat angebracht.
Zudem so stehen dir drey Nymphen noch zur Seiten (l),
Die was man nicht begreift, durch ihre Stimm ausdeuten:
O wer ist so verstokt, der diesen Vers nicht schäzt,
Den Schönheit selber singt, und Kunst in Noten sezt?
Jch höre mit Begier die Clytemnestra (m) singen
Die durch Gebärd' und Stimm' ins Herze weiß zu dringen;
Die dein gebrechlich Lied durch ihren Schall beschirmt,
Und wie du die Vernunft, so sie den Himmel stürmt;
Die durch die Raserey des Schreibers Wahn beschönet,
Und dich dem Neid zu Troz, zum Dichter singend krönet.
Die
(i) Postel spielte etwas mittelmässig auf dem Clavier, wo-
mit er sich aber in Gesellschaft breit zu machen pflegte.
(k) Jst der berühmte Capellmeister Keyser, ein vortreffli-
cher Componist, ohne dessen Musik Postels Singspiele, wie
man sagt, unmöglich hätten gefallen können.
(l) Zielt auf drey berühmte Sängerinnen aus der Opera
in Hamburg.
(m) Clytemnestra ist eine Rolle aus der Opera Jphigenia,
welche von einer Sängerinn, Nahmens Conradine, gesungen
ward, die eine Stimme wie eine Trompete hatte, und eine
vortreffliche Aetrice in wütenden Partien war.
ein Heldengedichte.
Wenn ich, mit Tint’ und Pech beſudelt, Verſ’ erdacht,
Und manchen Schuh zu kurtz, und Fuß zu lang gemacht:
So muſt’ ein Dudelſak mir meinen Unmuth ſtillen,
Und mein allduldend Ohr mit ſeinem Schnarren fuͤllen.
Doch war mein Dudelſak ein Vorſpiel nur von dir,
Und deinem hellern Thon, wenn du ſchlaͤgſt dein Clavier (i).
Mich duͤnkt, ich hoͤr’ anizt dich neuen Orpheus ſpielen,
Weil deiner Finger Wink die ſcharfe Seiten fuͤhlen;
Man ſingt. Das Lied iſt dein, und K ‒ -rs (k) die Muſick,
Der in des Stuͤmpers Reim erweißt ein Meiſterſtuͤck;
Der mit dem Thon erſezt, was den Verſtand verruͤket,
Und uns mit deinem Wahn und Aberwiz entzuͤket;
Der dir zu Nuz die Sinn’ uns oft verwirrt gemacht,
Und deine falſche Muͤnz’ im Klang’ hat angebracht.
Zudem ſo ſtehen dir drey Nymphen noch zur Seiten (l),
Die was man nicht begreift, durch ihre Stimm ausdeuten:
O wer iſt ſo verſtokt, der dieſen Vers nicht ſchaͤzt,
Den Schoͤnheit ſelber ſingt, und Kunſt in Noten ſezt?
Jch hoͤre mit Begier die Clytemneſtra (m) ſingen
Die durch Gebaͤrd’ und Stimm’ ins Herze weiß zu dringen;
Die dein gebrechlich Lied durch ihren Schall beſchirmt,
Und wie du die Vernunft, ſo ſie den Himmel ſtuͤrmt;
Die durch die Raſerey des Schreibers Wahn beſchoͤnet,
Und dich dem Neid zu Troz, zum Dichter ſingend kroͤnet.
Die
(i) Poſtel ſpielte etwas mittelmaͤſſig auf dem Clavier, wo-
mit er ſich aber in Geſellſchaft breit zu machen pflegte.
(k) Jſt der beruͤhmte Capellmeiſter Keyſer, ein vortreffli-
cher Componiſt, ohne deſſen Muſik Poſtels Singſpiele, wie
man ſagt, unmoͤglich haͤtten gefallen koͤnnen.
(l) Zielt auf drey beruͤhmte Saͤngerinnen aus der Opera
in Hamburg.
(m) Clytemneſtra iſt eine Rolle aus der Opera Jphigenia,
welche von einer Saͤngerinn, Nahmens Conradine, geſungen
ward, die eine Stimme wie eine Trompete hatte, und eine
vortreffliche Aetrice in wuͤtenden Partien war.
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[123/0139] ein Heldengedichte. Wenn ich, mit Tint’ und Pech beſudelt, Verſ’ erdacht, Und manchen Schuh zu kurtz, und Fuß zu lang gemacht: So muſt’ ein Dudelſak mir meinen Unmuth ſtillen, Und mein allduldend Ohr mit ſeinem Schnarren fuͤllen. Doch war mein Dudelſak ein Vorſpiel nur von dir, Und deinem hellern Thon, wenn du ſchlaͤgſt dein Clavier (i). Mich duͤnkt, ich hoͤr’ anizt dich neuen Orpheus ſpielen, Weil deiner Finger Wink die ſcharfe Seiten fuͤhlen; Man ſingt. Das Lied iſt dein, und K ‒ -rs (k) die Muſick, Der in des Stuͤmpers Reim erweißt ein Meiſterſtuͤck; Der mit dem Thon erſezt, was den Verſtand verruͤket, Und uns mit deinem Wahn und Aberwiz entzuͤket; Der dir zu Nuz die Sinn’ uns oft verwirrt gemacht, Und deine falſche Muͤnz’ im Klang’ hat angebracht. Zudem ſo ſtehen dir drey Nymphen noch zur Seiten (l), Die was man nicht begreift, durch ihre Stimm ausdeuten: O wer iſt ſo verſtokt, der dieſen Vers nicht ſchaͤzt, Den Schoͤnheit ſelber ſingt, und Kunſt in Noten ſezt? Jch hoͤre mit Begier die Clytemneſtra (m) ſingen Die durch Gebaͤrd’ und Stimm’ ins Herze weiß zu dringen; Die dein gebrechlich Lied durch ihren Schall beſchirmt, Und wie du die Vernunft, ſo ſie den Himmel ſtuͤrmt; Die durch die Raſerey des Schreibers Wahn beſchoͤnet, Und dich dem Neid zu Troz, zum Dichter ſingend kroͤnet. Die (i) Poſtel ſpielte etwas mittelmaͤſſig auf dem Clavier, wo- mit er ſich aber in Geſellſchaft breit zu machen pflegte. (k) Jſt der beruͤhmte Capellmeiſter Keyſer, ein vortreffli- cher Componiſt, ohne deſſen Muſik Poſtels Singſpiele, wie man ſagt, unmoͤglich haͤtten gefallen koͤnnen. (l) Zielt auf drey beruͤhmte Saͤngerinnen aus der Opera in Hamburg. (m) Clytemneſtra iſt eine Rolle aus der Opera Jphigenia, welche von einer Saͤngerinn, Nahmens Conradine, geſungen ward, die eine Stimme wie eine Trompete hatte, und eine vortreffliche Aetrice in wuͤtenden Partien war.

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/139>, abgerufen am 05.05.2024.