sclavischer, sondern durch die bestehende Rechtsordnung und die Grundprincipien der Sittlichkeit näher begrenzter und be- stimmter. Im Einzelnen freilich gehört die Frage, ob und inwieweit der Beamte zum Gehorsam verpflichtet sei, zu den schwierigen.
a) In formeller Beziehung versteht sich, dasz der Be- amte nur die innerhalb der Competenz der Oberbehörde und in gehöriger Form erlassenen Befehle und Aufträge derselben seinem Amte gemäsz zu vollziehen hat, dagegen Zumuthun- gen, welche auszerhalb der geordneten Amtssphäre liegen, und vielleicht aus bloszen Privatgelüsten eines Vorgesetzten entspringen, oder in ungehöriger Form, z. B. ohne Unter- schrift, wo diese erforderlich ist, erlassen sind, ablehnen kann, denn er ist kein Privatdiener, sondern ein Statsdiener, und die Prüfung der formellen Beschaffenheit des Auftrags ist schon darum unerläszlich, weil daran allein seine Wirklich- keit und Rechtmäszigkeit zu erkennen ist.
Wo jedoch die Competenzfrage streitig und zweifelhaft ist, da kann es unmöglich in dem Ermessen des untern Be- amten stehen, diese Frage zu verneinen, wenn die vorgesetzte Behörde dieselbe bejaht, und dadurch die öffentlichen Func- tionen ins Stocken zu bringen. In solchen Fällen ist dem subalternen Beamten nur das Recht offen, und wo nach der Ueberzeugung desselben für die Rechtsordnung oder die Wohl- fahrt des States Schaden aus rücksichtsloser Befolgung ent- stehen könnte, die Pflicht auferlegt, seine Bedenken der Ober- behörde vorzutragen, und die weiteren Entschlieszungen der- selben nach erneuerter Prüfung abzuwarten.
b) In keinem Falle ist der Gehorsam des Beamten so ausgedehnt, dasz er durch höheren Befehl angehalten werden kann, die obersten Principien der Religion und der Sittlichkeit zu verletzen, oder an einem Verbrechen Theil zu nehmen. Jene zu verletzen, oder dieses zu begehen, kann niemals Auf- gabe des States und der amtlichen Functionen sein. Von dem
Siebentes Buch. Statshoheit und Statsgewalt etc.
sclavischer, sondern durch die bestehende Rechtsordnung und die Grundprincipien der Sittlichkeit näher begrenzter und be- stimmter. Im Einzelnen freilich gehört die Frage, ob und inwieweit der Beamte zum Gehorsam verpflichtet sei, zu den schwierigen.
a) In formeller Beziehung versteht sich, dasz der Be- amte nur die innerhalb der Competenz der Oberbehörde und in gehöriger Form erlassenen Befehle und Aufträge derselben seinem Amte gemäsz zu vollziehen hat, dagegen Zumuthun- gen, welche auszerhalb der geordneten Amtssphäre liegen, und vielleicht aus bloszen Privatgelüsten eines Vorgesetzten entspringen, oder in ungehöriger Form, z. B. ohne Unter- schrift, wo diese erforderlich ist, erlassen sind, ablehnen kann, denn er ist kein Privatdiener, sondern ein Statsdiener, und die Prüfung der formellen Beschaffenheit des Auftrags ist schon darum unerläszlich, weil daran allein seine Wirklich- keit und Rechtmäszigkeit zu erkennen ist.
Wo jedoch die Competenzfrage streitig und zweifelhaft ist, da kann es unmöglich in dem Ermessen des untern Be- amten stehen, diese Frage zu verneinen, wenn die vorgesetzte Behörde dieselbe bejaht, und dadurch die öffentlichen Func- tionen ins Stocken zu bringen. In solchen Fällen ist dem subalternen Beamten nur das Recht offen, und wo nach der Ueberzeugung desselben für die Rechtsordnung oder die Wohl- fahrt des States Schaden aus rücksichtsloser Befolgung ent- stehen könnte, die Pflicht auferlegt, seine Bedenken der Ober- behörde vorzutragen, und die weiteren Entschlieszungen der- selben nach erneuerter Prüfung abzuwarten.
b) In keinem Falle ist der Gehorsam des Beamten so ausgedehnt, dasz er durch höheren Befehl angehalten werden kann, die obersten Principien der Religion und der Sittlichkeit zu verletzen, oder an einem Verbrechen Theil zu nehmen. Jene zu verletzen, oder dieses zu begehen, kann niemals Auf- gabe des States und der amtlichen Functionen sein. Von dem
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Siebentes Buch. Statshoheit und Statsgewalt etc.
sclavischer, sondern durch die bestehende Rechtsordnung und
die Grundprincipien der Sittlichkeit näher begrenzter und be-
stimmter. Im Einzelnen freilich gehört die Frage, ob und
inwieweit der Beamte zum Gehorsam verpflichtet sei, zu den
schwierigen.
a) In formeller Beziehung versteht sich, dasz der Be-
amte nur die innerhalb der Competenz der Oberbehörde und
in gehöriger Form erlassenen Befehle und Aufträge derselben
seinem Amte gemäsz zu vollziehen hat, dagegen Zumuthun-
gen, welche auszerhalb der geordneten Amtssphäre liegen,
und vielleicht aus bloszen Privatgelüsten eines Vorgesetzten
entspringen, oder in ungehöriger Form, z. B. ohne Unter-
schrift, wo diese erforderlich ist, erlassen sind, ablehnen kann,
denn er ist kein Privatdiener, sondern ein Statsdiener, und
die Prüfung der formellen Beschaffenheit des Auftrags ist
schon darum unerläszlich, weil daran allein seine Wirklich-
keit und Rechtmäszigkeit zu erkennen ist.
Wo jedoch die Competenzfrage streitig und zweifelhaft
ist, da kann es unmöglich in dem Ermessen des untern Be-
amten stehen, diese Frage zu verneinen, wenn die vorgesetzte
Behörde dieselbe bejaht, und dadurch die öffentlichen Func-
tionen ins Stocken zu bringen. In solchen Fällen ist dem
subalternen Beamten nur das Recht offen, und wo nach der
Ueberzeugung desselben für die Rechtsordnung oder die Wohl-
fahrt des States Schaden aus rücksichtsloser Befolgung ent-
stehen könnte, die Pflicht auferlegt, seine Bedenken der Ober-
behörde vorzutragen, und die weiteren Entschlieszungen der-
selben nach erneuerter Prüfung abzuwarten.
b) In keinem Falle ist der Gehorsam des Beamten so
ausgedehnt, dasz er durch höheren Befehl angehalten werden
kann, die obersten Principien der Religion und der Sittlichkeit
zu verletzen, oder an einem Verbrechen Theil zu nehmen.
Jene zu verletzen, oder dieses zu begehen, kann niemals Auf-
gabe des States und der amtlichen Functionen sein. Von dem
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 620. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/638>, abgerufen am 22.11.2024.
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