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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Sechstes Buch. Die Statsformen.

h) Die Institution eines gemeinsamen Hauses von Re-
präsentanten
, die in jeder Colonie von den freien Männern
gewählt wurden, und die Landesstatuten gemeinsam mit
den Senaten feststellten, die Landessteuern bewilligten und
die Landesverwaltung controlirten.

i) Die Sitte kurzer Amtsdauern für die öffentlichen
Aemter, so dasz leicht ein Wechsel eintrat.

k) Endlich die allmähliche Entwicklung der Presz- und
der Vereinsfreiheit.

Auf solchen Grundlagen gestaltete sich, anfangs unter
dem Schutze der Königlichen Regierung, ein selbständiges
repräsentatives Gemeinwesen in jeder Colonie, schon vor der
Lostrennung vom Mutterland. Als in Folge der Unabhängig-
keitserklärung der Colonien 1776 der Zusammenhang mit dem
englischen König und Parlament zerrissen wurde, waren die
neuen Republiken da.

Diese Statsform erhielt dann in der Unionsverfassung
von 1787 eine groszartige und logisch durchgebildete Anwen-
dung auf den Gesammtstat der Union.

2. Die neue Statsform wurde zuerst von dem französi-
schen Volke
in den Verfassungen von 1793 und 1795 und
dann wieder 1848 und 1870 nachgebildet, aber ohne dauern-
den Erfolg. Die politischen Ideen der Freiheit, Gleichheit,
Brüderlichkeit wurden wohl von den Franzosen mit Leiden-
schaft verkündet und geliebt; aber ihre geschichtlichen Er-
innerungen waren monarchisch und ihre Sitten waren wenig
republikanisch. Sie waren jeder Zeit geneigter, die Stats-
hülfe anzusprechen als die Selbsthülfe zu üben und zogen
die Statsmacht und den Statsruhm der Gesetzlichkeit und
der bescheidenen Bürgerarbeit vor. Die Tendenz ihres Stats
zur Centralisation begünstigte eher die Monarchie als die
Republik.

3. Dagegen fand die amerikanische Statsform der reprä-
sentativen Demokratie einen geschichtlich vorbereiteten Boden

Sechstes Buch. Die Statsformen.

h) Die Institution eines gemeinsamen Hauses von Re-
präsentanten
, die in jeder Colonie von den freien Männern
gewählt wurden, und die Landesstatuten gemeinsam mit
den Senaten feststellten, die Landessteuern bewilligten und
die Landesverwaltung controlirten.

i) Die Sitte kurzer Amtsdauern für die öffentlichen
Aemter, so dasz leicht ein Wechsel eintrat.

k) Endlich die allmähliche Entwicklung der Presz- und
der Vereinsfreiheit.

Auf solchen Grundlagen gestaltete sich, anfangs unter
dem Schutze der Königlichen Regierung, ein selbständiges
repräsentatives Gemeinwesen in jeder Colonie, schon vor der
Lostrennung vom Mutterland. Als in Folge der Unabhängig-
keitserklärung der Colonien 1776 der Zusammenhang mit dem
englischen König und Parlament zerrissen wurde, waren die
neuen Republiken da.

Diese Statsform erhielt dann in der Unionsverfassung
von 1787 eine groszartige und logisch durchgebildete Anwen-
dung auf den Gesammtstat der Union.

2. Die neue Statsform wurde zuerst von dem französi-
schen Volke
in den Verfassungen von 1793 und 1795 und
dann wieder 1848 und 1870 nachgebildet, aber ohne dauern-
den Erfolg. Die politischen Ideen der Freiheit, Gleichheit,
Brüderlichkeit wurden wohl von den Franzosen mit Leiden-
schaft verkündet und geliebt; aber ihre geschichtlichen Er-
innerungen waren monarchisch und ihre Sitten waren wenig
republikanisch. Sie waren jeder Zeit geneigter, die Stats-
hülfe anzusprechen als die Selbsthülfe zu üben und zogen
die Statsmacht und den Statsruhm der Gesetzlichkeit und
der bescheidenen Bürgerarbeit vor. Die Tendenz ihres Stats
zur Centralisation begünstigte eher die Monarchie als die
Republik.

3. Dagegen fand die amerikanische Statsform der reprä-
sentativen Demokratie einen geschichtlich vorbereiteten Boden

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[542/0560] Sechstes Buch. Die Statsformen. h) Die Institution eines gemeinsamen Hauses von Re- präsentanten, die in jeder Colonie von den freien Männern gewählt wurden, und die Landesstatuten gemeinsam mit den Senaten feststellten, die Landessteuern bewilligten und die Landesverwaltung controlirten. i) Die Sitte kurzer Amtsdauern für die öffentlichen Aemter, so dasz leicht ein Wechsel eintrat. k) Endlich die allmähliche Entwicklung der Presz- und der Vereinsfreiheit. Auf solchen Grundlagen gestaltete sich, anfangs unter dem Schutze der Königlichen Regierung, ein selbständiges repräsentatives Gemeinwesen in jeder Colonie, schon vor der Lostrennung vom Mutterland. Als in Folge der Unabhängig- keitserklärung der Colonien 1776 der Zusammenhang mit dem englischen König und Parlament zerrissen wurde, waren die neuen Republiken da. Diese Statsform erhielt dann in der Unionsverfassung von 1787 eine groszartige und logisch durchgebildete Anwen- dung auf den Gesammtstat der Union. 2. Die neue Statsform wurde zuerst von dem französi- schen Volke in den Verfassungen von 1793 und 1795 und dann wieder 1848 und 1870 nachgebildet, aber ohne dauern- den Erfolg. Die politischen Ideen der Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit wurden wohl von den Franzosen mit Leiden- schaft verkündet und geliebt; aber ihre geschichtlichen Er- innerungen waren monarchisch und ihre Sitten waren wenig republikanisch. Sie waren jeder Zeit geneigter, die Stats- hülfe anzusprechen als die Selbsthülfe zu üben und zogen die Statsmacht und den Statsruhm der Gesetzlichkeit und der bescheidenen Bürgerarbeit vor. Die Tendenz ihres Stats zur Centralisation begünstigte eher die Monarchie als die Republik. 3. Dagegen fand die amerikanische Statsform der reprä- sentativen Demokratie einen geschichtlich vorbereiteten Boden

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 542. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/560>, abgerufen am 22.11.2024.