Zweiundzwanzigstes Cap. IV. Demokr. Statsformen. B. Repräsentat. Demokr.
welche im Mutterlande noch die Macht besasz. Allerdings gab es auch in Amerika noch starke Unterschiede der Rassen. Die rothen Indianer, die alte Urbevölkerung des Landes, wurden keineswegs als Genossen der weiszen Männer in der Gemeinde betrachtet, sondern standen auszerhalb des Self- government; es wurde ihnen eigenthümliches Sonderrecht zugestanden. Tiefer standen die dunkelfarbigen Neger, die Abkömmlinge der importirten Sclavenbevölkerung aus Afrika. Diese waren in der Regel im Eigenthum der weiszen Pflanzer, und selbst wenn sie ausnahmsweise freigelassen wur- den, so galten sie doch nicht als politisch vollberechtigte Bürger.
c) Fortwährende Uebung in der Selbsthülfe schon bei der ersten Ansiedlung in Blockhäusern, welche die Nachbarn bauen halfen, im Gegensatz zur Statshülfe.
d) Allgemeine Volksbildung durch Volksschulen, die frühzeitig von den Gemeinden für die gesammte Jugend des Orts gegründet und erhalten und in manchen Colonien durch die Vorschrift der Schulpflicht wirksam gemacht wurden.
e) Ueberall freie Gemeindeverfassung und Selbst- verwaltung der Grafschaften.
f) Nur wenige obrigkeitliche Beamte, wie vor allen der Governor der gesammten Colonie, der je nach der besonderen Verfassung einer Colonie entweder von den Pflan- zern selber gewählt wurde (Freibriefregierung) oder von den Landherren gesetzt wurde (Landherrliche Regie- rung) oder von der Königlichen Regierung ernannt wurde (Königliche Provincialregierung) und die Proceszleitenden Richter; aber immer Mitwirkung von Repräsentanten aus den Bürgern, dort der beisitzenden Räthe, die öfter einen Senat bilden, hier der Geschwornen. Die Friedens- richter, in England von den Königen aus der Gentry er- nannt, waren in Amerika durchweg bürgerliche Landwirthe.
g) Fast keine stehende Truppen, und statt der- selben Milizen zur Vertheidigung des Landes.
Zweiundzwanzigstes Cap. IV. Demokr. Statsformen. B. Repräsentat. Demokr.
welche im Mutterlande noch die Macht besasz. Allerdings gab es auch in Amerika noch starke Unterschiede der Rassen. Die rothen Indianer, die alte Urbevölkerung des Landes, wurden keineswegs als Genossen der weiszen Männer in der Gemeinde betrachtet, sondern standen auszerhalb des Self- government; es wurde ihnen eigenthümliches Sonderrecht zugestanden. Tiefer standen die dunkelfarbigen Neger, die Abkömmlinge der importirten Sclavenbevölkerung aus Afrika. Diese waren in der Regel im Eigenthum der weiszen Pflanzer, und selbst wenn sie ausnahmsweise freigelassen wur- den, so galten sie doch nicht als politisch vollberechtigte Bürger.
c) Fortwährende Uebung in der Selbsthülfe schon bei der ersten Ansiedlung in Blockhäusern, welche die Nachbarn bauen halfen, im Gegensatz zur Statshülfe.
d) Allgemeine Volksbildung durch Volksschulen, die frühzeitig von den Gemeinden für die gesammte Jugend des Orts gegründet und erhalten und in manchen Colonien durch die Vorschrift der Schulpflicht wirksam gemacht wurden.
e) Ueberall freie Gemeindeverfassung und Selbst- verwaltung der Grafschaften.
f) Nur wenige obrigkeitliche Beamte, wie vor allen der Governor der gesammten Colonie, der je nach der besonderen Verfassung einer Colonie entweder von den Pflan- zern selber gewählt wurde (Freibriefregierung) oder von den Landherren gesetzt wurde (Landherrliche Regie- rung) oder von der Königlichen Regierung ernannt wurde (Königliche Provincialregierung) und die Proceszleitenden Richter; aber immer Mitwirkung von Repräsentanten aus den Bürgern, dort der beisitzenden Räthe, die öfter einen Senat bilden, hier der Geschwornen. Die Friedens- richter, in England von den Königen aus der Gentry er- nannt, waren in Amerika durchweg bürgerliche Landwirthe.
g) Fast keine stehende Truppen, und statt der- selben Milizen zur Vertheidigung des Landes.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0559"n="541"/><fwplace="top"type="header">Zweiundzwanzigstes Cap. IV. Demokr. Statsformen. B. Repräsentat. Demokr.</fw><lb/>
welche im Mutterlande noch die Macht besasz. Allerdings<lb/>
gab es auch in Amerika noch starke Unterschiede der Rassen.<lb/>
Die <hirendition="#g">rothen Indianer</hi>, die alte Urbevölkerung des Landes,<lb/>
wurden keineswegs als Genossen der weiszen Männer in der<lb/>
Gemeinde betrachtet, sondern standen auszerhalb des Self-<lb/>
government; es wurde ihnen eigenthümliches <hirendition="#g">Sonderrecht</hi><lb/>
zugestanden. Tiefer standen die <hirendition="#g">dunkelfarbigen Neger</hi>,<lb/>
die Abkömmlinge der importirten Sclavenbevölkerung aus<lb/>
Afrika. Diese waren in der Regel im Eigenthum der weiszen<lb/>
Pflanzer, und selbst wenn sie ausnahmsweise freigelassen wur-<lb/>
den, so galten sie doch nicht als politisch vollberechtigte Bürger.</p><lb/><p>c) Fortwährende Uebung in der <hirendition="#g">Selbsthülfe</hi> schon bei<lb/>
der ersten Ansiedlung in Blockhäusern, welche die Nachbarn<lb/>
bauen halfen, im Gegensatz zur <hirendition="#g">Statshülfe</hi>.</p><lb/><p>d) Allgemeine <hirendition="#g">Volksbildung</hi> durch <hirendition="#g">Volksschulen</hi>,<lb/>
die frühzeitig von den Gemeinden für die gesammte Jugend<lb/>
des Orts gegründet und erhalten und in manchen Colonien<lb/>
durch die Vorschrift der Schulpflicht wirksam gemacht wurden.</p><lb/><p>e) Ueberall <hirendition="#g">freie Gemeindeverfassung</hi> und <hirendition="#g">Selbst-<lb/>
verwaltung</hi> der <hirendition="#g">Grafschaften</hi>.</p><lb/><p>f) Nur <hirendition="#g">wenige obrigkeitliche Beamte</hi>, wie vor<lb/>
allen der <hirendition="#g">Governor</hi> der gesammten Colonie, der je nach der<lb/>
besonderen Verfassung einer Colonie entweder von den Pflan-<lb/>
zern selber gewählt wurde (<hirendition="#g">Freibriefregierung</hi>) oder von<lb/>
den Landherren gesetzt wurde (<hirendition="#g">Landherrliche Regie-<lb/>
rung)</hi> oder von der Königlichen Regierung ernannt wurde<lb/>
(Königliche <hirendition="#g">Provincialregierung</hi>) und die Proceszleitenden<lb/><hirendition="#g">Richter</hi>; aber immer Mitwirkung von Repräsentanten aus<lb/>
den Bürgern, dort der <hirendition="#g">beisitzenden Räthe</hi>, die öfter einen<lb/><hirendition="#g">Senat</hi> bilden, hier der <hirendition="#g">Geschwornen</hi>. Die <hirendition="#g">Friedens-<lb/>
richter</hi>, in England von den Königen aus der Gentry er-<lb/>
nannt, waren in Amerika durchweg bürgerliche Landwirthe.</p><lb/><p>g) <hirendition="#g">Fast keine stehende Truppen</hi>, und statt der-<lb/>
selben <hirendition="#g">Milizen</hi> zur Vertheidigung des Landes.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[541/0559]
Zweiundzwanzigstes Cap. IV. Demokr. Statsformen. B. Repräsentat. Demokr.
welche im Mutterlande noch die Macht besasz. Allerdings
gab es auch in Amerika noch starke Unterschiede der Rassen.
Die rothen Indianer, die alte Urbevölkerung des Landes,
wurden keineswegs als Genossen der weiszen Männer in der
Gemeinde betrachtet, sondern standen auszerhalb des Self-
government; es wurde ihnen eigenthümliches Sonderrecht
zugestanden. Tiefer standen die dunkelfarbigen Neger,
die Abkömmlinge der importirten Sclavenbevölkerung aus
Afrika. Diese waren in der Regel im Eigenthum der weiszen
Pflanzer, und selbst wenn sie ausnahmsweise freigelassen wur-
den, so galten sie doch nicht als politisch vollberechtigte Bürger.
c) Fortwährende Uebung in der Selbsthülfe schon bei
der ersten Ansiedlung in Blockhäusern, welche die Nachbarn
bauen halfen, im Gegensatz zur Statshülfe.
d) Allgemeine Volksbildung durch Volksschulen,
die frühzeitig von den Gemeinden für die gesammte Jugend
des Orts gegründet und erhalten und in manchen Colonien
durch die Vorschrift der Schulpflicht wirksam gemacht wurden.
e) Ueberall freie Gemeindeverfassung und Selbst-
verwaltung der Grafschaften.
f) Nur wenige obrigkeitliche Beamte, wie vor
allen der Governor der gesammten Colonie, der je nach der
besonderen Verfassung einer Colonie entweder von den Pflan-
zern selber gewählt wurde (Freibriefregierung) oder von
den Landherren gesetzt wurde (Landherrliche Regie-
rung) oder von der Königlichen Regierung ernannt wurde
(Königliche Provincialregierung) und die Proceszleitenden
Richter; aber immer Mitwirkung von Repräsentanten aus
den Bürgern, dort der beisitzenden Räthe, die öfter einen
Senat bilden, hier der Geschwornen. Die Friedens-
richter, in England von den Königen aus der Gentry er-
nannt, waren in Amerika durchweg bürgerliche Landwirthe.
g) Fast keine stehende Truppen, und statt der-
selben Milizen zur Vertheidigung des Landes.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/559>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.