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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Achtzehntes Capitel. III. Die Aristokratie. B. Die römische Aristokratie.
der durch die obrigkeitlichen Aemter erprobten römischen
Statsmänner. Eben in der Geschichte des Senates zeigte sich
die Umwandlung des patricischen Adels, der auch später
noch immer als die Quelle der Auspicien verehrt wurde und
die heilige Ueberlieferung der Vorzeit bewahrte, in den neuen
römischen Amtsadel. Man darf die hohen Magistrate der
römischen Republik wohl Königen vergleichen, und eben aus
den gewesenen Magistraten bestand der Senat, den die Alten
selbst "eine Versammlung von Königen" nannten; so hoch
stand diese politische Aristokratie. Den Censoren als Wäch-
tern der guten Sitten war die ehrenvolle Aufgabe anvertraut,
die Listen der Senatsmitglieder aus den gewesenen Magistraten
zu verfassen und unwürdige Individuen von dem Senate aus-
zuschlieszen. In der Versammlung saszen und stimmten die
Senatoren nach den Abstufungen des Ranges, den sie vordem
als Magistrate des römischen Volkes, als gewesene Consuln,
Censoren, Prätoren, Aedilen, Quästoren eingenommen hatten.
Auch die Verhandlung bewegte sich in den strengen Formen
römischer Autorität. Mit Opfer und Gebet wurde sie eröffnet,
von den regierenden Magistraten, welche die Anträge machten
und zur Abstimmung brachten, geleitet, und durch den Ein-
spruch bald der Volkstribunen, bald der eigentlichen Magistrate
gegen Ausschweifung und Uebergriffe gehemmt.

Alle groszen Statsangelegenheiten wurden in dem Senate
entweder vorbereitet oder entschieden. Die Sorge für die re-
ligiöse Verehrung der Götter, und deren Feste und Opfer
war vorzüglich bei dem Senate. Er leitete die Unterhand-
lungen mit den fremden Staten und deren Gesandten, und
hatte die ganze groszartige Diplomatie des römischen States
in seiner Hand. Die erfolgreiche Begutachtung der Gesetze
und Zustimmung zu den Gesetzen kam ihm zu und war
in der Regel maszgebend. Seine eigenen Beschlüsse (Senatus-
Consulta) hatten überdem in der Verwaltungssphäre eine ge-
setzähnliche Autorität. Die Finanzgewalt stand bei ihm. Er

Bluntschli, allgemeine Statslehre. 33

Achtzehntes Capitel. III. Die Aristokratie. B. Die römische Aristokratie.
der durch die obrigkeitlichen Aemter erprobten römischen
Statsmänner. Eben in der Geschichte des Senates zeigte sich
die Umwandlung des patricischen Adels, der auch später
noch immer als die Quelle der Auspicien verehrt wurde und
die heilige Ueberlieferung der Vorzeit bewahrte, in den neuen
römischen Amtsadel. Man darf die hohen Magistrate der
römischen Republik wohl Königen vergleichen, und eben aus
den gewesenen Magistraten bestand der Senat, den die Alten
selbst „eine Versammlung von Königen“ nannten; so hoch
stand diese politische Aristokratie. Den Censoren als Wäch-
tern der guten Sitten war die ehrenvolle Aufgabe anvertraut,
die Listen der Senatsmitglieder aus den gewesenen Magistraten
zu verfassen und unwürdige Individuen von dem Senate aus-
zuschlieszen. In der Versammlung saszen und stimmten die
Senatoren nach den Abstufungen des Ranges, den sie vordem
als Magistrate des römischen Volkes, als gewesene Consuln,
Censoren, Prätoren, Aedilen, Quästoren eingenommen hatten.
Auch die Verhandlung bewegte sich in den strengen Formen
römischer Autorität. Mit Opfer und Gebet wurde sie eröffnet,
von den regierenden Magistraten, welche die Anträge machten
und zur Abstimmung brachten, geleitet, und durch den Ein-
spruch bald der Volkstribunen, bald der eigentlichen Magistrate
gegen Ausschweifung und Uebergriffe gehemmt.

Alle groszen Statsangelegenheiten wurden in dem Senate
entweder vorbereitet oder entschieden. Die Sorge für die re-
ligiöse Verehrung der Götter, und deren Feste und Opfer
war vorzüglich bei dem Senate. Er leitete die Unterhand-
lungen mit den fremden Staten und deren Gesandten, und
hatte die ganze groszartige Diplomatie des römischen States
in seiner Hand. Die erfolgreiche Begutachtung der Gesetze
und Zustimmung zu den Gesetzen kam ihm zu und war
in der Regel maszgebend. Seine eigenen Beschlüsse (Senatus-
Consulta) hatten überdem in der Verwaltungssphäre eine ge-
setzähnliche Autorität. Die Finanzgewalt stand bei ihm. Er

Bluntschli, allgemeine Statslehre. 33
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[513/0531] Achtzehntes Capitel. III. Die Aristokratie. B. Die römische Aristokratie. der durch die obrigkeitlichen Aemter erprobten römischen Statsmänner. Eben in der Geschichte des Senates zeigte sich die Umwandlung des patricischen Adels, der auch später noch immer als die Quelle der Auspicien verehrt wurde und die heilige Ueberlieferung der Vorzeit bewahrte, in den neuen römischen Amtsadel. Man darf die hohen Magistrate der römischen Republik wohl Königen vergleichen, und eben aus den gewesenen Magistraten bestand der Senat, den die Alten selbst „eine Versammlung von Königen“ nannten; so hoch stand diese politische Aristokratie. Den Censoren als Wäch- tern der guten Sitten war die ehrenvolle Aufgabe anvertraut, die Listen der Senatsmitglieder aus den gewesenen Magistraten zu verfassen und unwürdige Individuen von dem Senate aus- zuschlieszen. In der Versammlung saszen und stimmten die Senatoren nach den Abstufungen des Ranges, den sie vordem als Magistrate des römischen Volkes, als gewesene Consuln, Censoren, Prätoren, Aedilen, Quästoren eingenommen hatten. Auch die Verhandlung bewegte sich in den strengen Formen römischer Autorität. Mit Opfer und Gebet wurde sie eröffnet, von den regierenden Magistraten, welche die Anträge machten und zur Abstimmung brachten, geleitet, und durch den Ein- spruch bald der Volkstribunen, bald der eigentlichen Magistrate gegen Ausschweifung und Uebergriffe gehemmt. Alle groszen Statsangelegenheiten wurden in dem Senate entweder vorbereitet oder entschieden. Die Sorge für die re- ligiöse Verehrung der Götter, und deren Feste und Opfer war vorzüglich bei dem Senate. Er leitete die Unterhand- lungen mit den fremden Staten und deren Gesandten, und hatte die ganze groszartige Diplomatie des römischen States in seiner Hand. Die erfolgreiche Begutachtung der Gesetze und Zustimmung zu den Gesetzen kam ihm zu und war in der Regel maszgebend. Seine eigenen Beschlüsse (Senatus- Consulta) hatten überdem in der Verwaltungssphäre eine ge- setzähnliche Autorität. Die Finanzgewalt stand bei ihm. Er Bluntschli, allgemeine Statslehre. 33

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/531>, abgerufen am 17.05.2024.