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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Sechstes Buch. Die Statsformen.
nationale Bewusztsein. Auch alle spätern Versuche besonders
Preuszens einen engern Bund als constitutionelle Monarchie
zu gestalten, scheiterte an dem Widerstand jener Kräfte. Erst
der deutsche Krieg von 1866 überwand die zähen Hindernisse,
welche Oesterreich und die Dynastieen erhoben hatten.

Die Verfassung des norddeutschen Bundes vom
16. April 1867 kann nur mit einigen Vorbehalten und Be-
schränkungen als constitutionelle Monarchie bezeichnet wer-
den. Allerdings wird die Hauptleitung der gemeinsamen Bun-
despolitik von dem jeweiligen Könige von Preuszen als
erblichem Bundespräsidium und geborenen Bundes-
feldherrn
in Gemeinschaft mit dem von dem Bundeshaupte
ernannten Bundeskanzler, welcher verantwortlich ist, aus-
geübt. Die eigentliche Verwaltung wird von dem Bundes-
kanzleramte besorgt, das dem Bundeskanzler untergeordnet
ist. Insofern ist die Vollzugsgewalt des Bundes constitutionell-
monarchisch organisirt. Hinwieder ist das Bundeshaupt be-
schränkt sowohl durch den Bundesrath, in welchem die
Regierungen aller verbündeten Staten Sitz und Stimme haben
als durch den Reichstag als Vertretung des deutschen
Volkes, welcher gemeinsam mit dem Bundesrath die gesetz-
gebende Gewalt ausübt und welchem auch eine Controle der
Bundesverwaltung zukommt.

Die deutsche Reichsverfassung vom 16. April 1871
hat den monarchischen Charakter des Reichs noch durch die
Majestät des deutschen Kaisertitels erhöht. Aber auch
heute noch hat der deutsche Kaiser nur ein sehr beschränktes
Veto gegenüber einzelnen militärischen und financiellen Reichs-
gesetzen, nicht einen selbständigen unmittelbaren Antheil an
der Gesetzgebungsgewalt; und heute noch erscheint der Bun-
desrath nicht blosz als ein Reichssenat mit gesetzgeberischen
Befugnissen, sondern als ein Institut zur Mitregierung des
Reichs, die sich insofern wieder als Collectivregierung
sämmtlicher deutschen Fürsten und Landesobrigkeiten dar-

Sechstes Buch. Die Statsformen.
nationale Bewusztsein. Auch alle spätern Versuche besonders
Preuszens einen engern Bund als constitutionelle Monarchie
zu gestalten, scheiterte an dem Widerstand jener Kräfte. Erst
der deutsche Krieg von 1866 überwand die zähen Hindernisse,
welche Oesterreich und die Dynastieen erhoben hatten.

Die Verfassung des norddeutschen Bundes vom
16. April 1867 kann nur mit einigen Vorbehalten und Be-
schränkungen als constitutionelle Monarchie bezeichnet wer-
den. Allerdings wird die Hauptleitung der gemeinsamen Bun-
despolitik von dem jeweiligen Könige von Preuszen als
erblichem Bundespräsidium und geborenen Bundes-
feldherrn
in Gemeinschaft mit dem von dem Bundeshaupte
ernannten Bundeskanzler, welcher verantwortlich ist, aus-
geübt. Die eigentliche Verwaltung wird von dem Bundes-
kanzleramte besorgt, das dem Bundeskanzler untergeordnet
ist. Insofern ist die Vollzugsgewalt des Bundes constitutionell-
monarchisch organisirt. Hinwieder ist das Bundeshaupt be-
schränkt sowohl durch den Bundesrath, in welchem die
Regierungen aller verbündeten Staten Sitz und Stimme haben
als durch den Reichstag als Vertretung des deutschen
Volkes, welcher gemeinsam mit dem Bundesrath die gesetz-
gebende Gewalt ausübt und welchem auch eine Controle der
Bundesverwaltung zukommt.

Die deutsche Reichsverfassung vom 16. April 1871
hat den monarchischen Charakter des Reichs noch durch die
Majestät des deutschen Kaisertitels erhöht. Aber auch
heute noch hat der deutsche Kaiser nur ein sehr beschränktes
Veto gegenüber einzelnen militärischen und financiellen Reichs-
gesetzen, nicht einen selbständigen unmittelbaren Antheil an
der Gesetzgebungsgewalt; und heute noch erscheint der Bun-
desrath nicht blosz als ein Reichssenat mit gesetzgeberischen
Befugnissen, sondern als ein Institut zur Mitregierung des
Reichs, die sich insofern wieder als Collectivregierung
sämmtlicher deutschen Fürsten und Landesobrigkeiten dar-

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[482/0500] Sechstes Buch. Die Statsformen. nationale Bewusztsein. Auch alle spätern Versuche besonders Preuszens einen engern Bund als constitutionelle Monarchie zu gestalten, scheiterte an dem Widerstand jener Kräfte. Erst der deutsche Krieg von 1866 überwand die zähen Hindernisse, welche Oesterreich und die Dynastieen erhoben hatten. Die Verfassung des norddeutschen Bundes vom 16. April 1867 kann nur mit einigen Vorbehalten und Be- schränkungen als constitutionelle Monarchie bezeichnet wer- den. Allerdings wird die Hauptleitung der gemeinsamen Bun- despolitik von dem jeweiligen Könige von Preuszen als erblichem Bundespräsidium und geborenen Bundes- feldherrn in Gemeinschaft mit dem von dem Bundeshaupte ernannten Bundeskanzler, welcher verantwortlich ist, aus- geübt. Die eigentliche Verwaltung wird von dem Bundes- kanzleramte besorgt, das dem Bundeskanzler untergeordnet ist. Insofern ist die Vollzugsgewalt des Bundes constitutionell- monarchisch organisirt. Hinwieder ist das Bundeshaupt be- schränkt sowohl durch den Bundesrath, in welchem die Regierungen aller verbündeten Staten Sitz und Stimme haben als durch den Reichstag als Vertretung des deutschen Volkes, welcher gemeinsam mit dem Bundesrath die gesetz- gebende Gewalt ausübt und welchem auch eine Controle der Bundesverwaltung zukommt. Die deutsche Reichsverfassung vom 16. April 1871 hat den monarchischen Charakter des Reichs noch durch die Majestät des deutschen Kaisertitels erhöht. Aber auch heute noch hat der deutsche Kaiser nur ein sehr beschränktes Veto gegenüber einzelnen militärischen und financiellen Reichs- gesetzen, nicht einen selbständigen unmittelbaren Antheil an der Gesetzgebungsgewalt; und heute noch erscheint der Bun- desrath nicht blosz als ein Reichssenat mit gesetzgeberischen Befugnissen, sondern als ein Institut zur Mitregierung des Reichs, die sich insofern wieder als Collectivregierung sämmtlicher deutschen Fürsten und Landesobrigkeiten dar-

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/500>, abgerufen am 24.11.2024.