Druck des absoluten Fürstenthums los. Mochte noch die Ver- fassung der Napoleonischen Königreiche Italien und Neapel als eine beschränkte Autokratie angesehen werden, so wurde doch der später restaurirte Absolutismus der bour- bonischen und habsburgischen Fürsten überall nur ungern ertragen. Geheime Verschwörungen und offene Aufstände kämpften mit grausamen Reactionen. Nur mit fremder Waffen- gewalt konnte man das Streben der Völker unterdrücken. Als der König von Neapel 1820 sich bequemt hatte, seinem Lande die spanische Verfassung von 1812 zu gewähren, stellten österreichische Truppen die alte Willkürherrschaft wieder her. Auch die Bewegungen der Dreiszigerjahre hatten keinen gröszern Erfolg. Immer wieder gelang es der massiven Ge- walt Oesterreichs, an welcher die Dynastien sich anlehnten, jeden Versuch zu vereiteln, welcher die constitutionelle Mon- archie einführen wollte.
Erst in den Vierzigerjahren erwies sich der Geist der Reform stärker in Italien, nachdem er sich mit dem Geiste der nationalen Befreiung von der Fremdherrschaft verbündet hatte. Schon im Jahre 1847 war ganz Italien in einer mäch- tigen Aufregung begriffen, welche damals auch von dem neuen Papste Pius IX. gebilligt schien; und noch bevor in Paris die Revolution ausbrach, sahen sich der König Ferdinand II. von Neapel und der König Karl Albert von Piemont veranlaszt, die constitutionelle Regierungsform einzuführen. Aber unge- achtet der erstere "in dem ehrfurchtgebietenden Namen des dreieinigen Gottes" bezeugte mit Aufrichtigkeit und Redlich- keit diese neue Bahn der politischen Ordnung zu betreten, 19 so beeilte er sich doch, sobald er es ungefährlich konnte, die Verfassung wieder zu brechen. Die Folge der wiederholten Treubrüche war, dasz im Jahre 1860, als der Sohn Ferdinands Franz II. in neuer Noth sich entschlosz, die constitutionelle
19 Verkündigung vom 8. Februar 1848 in dem Portfolio I, S. 64.
Sechstes Buch. Die Statsformen.
Druck des absoluten Fürstenthums los. Mochte noch die Ver- fassung der Napoleonischen Königreiche Italien und Neapel als eine beschränkte Autokratie angesehen werden, so wurde doch der später restaurirte Absolutismus der bour- bonischen und habsburgischen Fürsten überall nur ungern ertragen. Geheime Verschwörungen und offene Aufstände kämpften mit grausamen Reactionen. Nur mit fremder Waffen- gewalt konnte man das Streben der Völker unterdrücken. Als der König von Neapel 1820 sich bequemt hatte, seinem Lande die spanische Verfassung von 1812 zu gewähren, stellten österreichische Truppen die alte Willkürherrschaft wieder her. Auch die Bewegungen der Dreiszigerjahre hatten keinen gröszern Erfolg. Immer wieder gelang es der massiven Ge- walt Oesterreichs, an welcher die Dynastien sich anlehnten, jeden Versuch zu vereiteln, welcher die constitutionelle Mon- archie einführen wollte.
Erst in den Vierzigerjahren erwies sich der Geist der Reform stärker in Italien, nachdem er sich mit dem Geiste der nationalen Befreiung von der Fremdherrschaft verbündet hatte. Schon im Jahre 1847 war ganz Italien in einer mäch- tigen Aufregung begriffen, welche damals auch von dem neuen Papste Pius IX. gebilligt schien; und noch bevor in Paris die Revolution ausbrach, sahen sich der König Ferdinand II. von Neapel und der König Karl Albert von Piemont veranlaszt, die constitutionelle Regierungsform einzuführen. Aber unge- achtet der erstere „in dem ehrfurchtgebietenden Namen des dreieinigen Gottes“ bezeugte mit Aufrichtigkeit und Redlich- keit diese neue Bahn der politischen Ordnung zu betreten, 19 so beeilte er sich doch, sobald er es ungefährlich konnte, die Verfassung wieder zu brechen. Die Folge der wiederholten Treubrüche war, dasz im Jahre 1860, als der Sohn Ferdinands Franz II. in neuer Noth sich entschlosz, die constitutionelle
19 Verkündigung vom 8. Februar 1848 in dem Portfolio I, S. 64.
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Sechstes Buch. Die Statsformen.
Druck des absoluten Fürstenthums los. Mochte noch die Ver-
fassung der Napoleonischen Königreiche Italien und
Neapel als eine beschränkte Autokratie angesehen werden,
so wurde doch der später restaurirte Absolutismus der bour-
bonischen und habsburgischen Fürsten überall nur ungern
ertragen. Geheime Verschwörungen und offene Aufstände
kämpften mit grausamen Reactionen. Nur mit fremder Waffen-
gewalt konnte man das Streben der Völker unterdrücken.
Als der König von Neapel 1820 sich bequemt hatte, seinem
Lande die spanische Verfassung von 1812 zu gewähren, stellten
österreichische Truppen die alte Willkürherrschaft wieder her.
Auch die Bewegungen der Dreiszigerjahre hatten keinen
gröszern Erfolg. Immer wieder gelang es der massiven Ge-
walt Oesterreichs, an welcher die Dynastien sich anlehnten,
jeden Versuch zu vereiteln, welcher die constitutionelle Mon-
archie einführen wollte.
Erst in den Vierzigerjahren erwies sich der Geist der
Reform stärker in Italien, nachdem er sich mit dem Geiste
der nationalen Befreiung von der Fremdherrschaft verbündet
hatte. Schon im Jahre 1847 war ganz Italien in einer mäch-
tigen Aufregung begriffen, welche damals auch von dem neuen
Papste Pius IX. gebilligt schien; und noch bevor in Paris die
Revolution ausbrach, sahen sich der König Ferdinand II. von
Neapel und der König Karl Albert von Piemont veranlaszt,
die constitutionelle Regierungsform einzuführen. Aber unge-
achtet der erstere „in dem ehrfurchtgebietenden Namen des
dreieinigen Gottes“ bezeugte mit Aufrichtigkeit und Redlich-
keit diese neue Bahn der politischen Ordnung zu betreten, 19
so beeilte er sich doch, sobald er es ungefährlich konnte, die
Verfassung wieder zu brechen. Die Folge der wiederholten
Treubrüche war, dasz im Jahre 1860, als der Sohn Ferdinands
Franz II. in neuer Noth sich entschlosz, die constitutionelle
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/484>, abgerufen am 24.11.2024.
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