Elftes Capitel. II. Monarch. Statsformen. D. Fränkisches Königthum.
meister (venatores principales) und des Falkners (falco- narius). 9)
Die königlichen Sendboten (missi dominici), die jährlich mit besonderer Vollmacht nach der freien und wech- selnden Ernennung des Königs die einzelnen Länder des wei- ten Reichs bereisten, waren hier seine Stellvertreter. Sie waren seine Augen, durch deren Hülfe er Einsicht erlangte in die öffentlichen Zustände, in den Stat und in die Kirche, seine Ohren, mit denen er die Beschwerden und Wünsche der Bevölkerung vernahm, zuweilen auch seine Arme, durch die er dem Gesetze Gehorsam verschaffte und der öffentlichen Ordnung Schutz verlieh. 10)
Die Gaugrafen, welche in den Gauen die hohe, und die Zentgrafen, welche in den Zenten die mittlere Gerichts- barkeit ausübten, leiteten nun ihre Richtergewalt von dem Könige ab, als dem obersten Richter auf Erden, die ersten unmittelbar, die letztern mittelbar, ebenso ihre militärische Gewalt; und obwohl allerdings schon unter den Nachkommen Karls des Groszen die Neigung zur Erblichkeit der Grafen- ämter theilweise zu einem Rechte auf Erblichkeit erwachsen war, so galt in der noch frischen Periode der ausgebildeten fränkischen Monarchie die Würde der Grafen als ein wahres Reichsamt, auf dessen Besetzung dem Könige ein entschei- dender Einflusz zukam, noch nicht als eine feste Erbherrschaft.
Als das Institut der Sendboten auszer Uebung kam, die Herzogthümer hergestellt wurden und die Reichsämter zu Fa- milienrechten wurden, da war es auch um die Macht des neuen romano-germanischen Königthums geschehen, und die Aristokratie der zahlreichen Fürsten und Herren trat an seine Stelle.
4. Endlich ist noch die enge Beziehung des fränkischen
9) Vgl. darüber Hincmar 16-24.
10) Capit. Caroli M. a. 802. I. et II. et a. 810. Guizot, Essais sur l'hist, de France. p. 191 ff.
Elftes Capitel. II. Monarch. Statsformen. D. Fränkisches Königthum.
meister (venatores principales) und des Falkners (falco- narius). 9)
Die königlichen Sendboten (missi dominici), die jährlich mit besonderer Vollmacht nach der freien und wech- selnden Ernennung des Königs die einzelnen Länder des wei- ten Reichs bereisten, waren hier seine Stellvertreter. Sie waren seine Augen, durch deren Hülfe er Einsicht erlangte in die öffentlichen Zustände, in den Stat und in die Kirche, seine Ohren, mit denen er die Beschwerden und Wünsche der Bevölkerung vernahm, zuweilen auch seine Arme, durch die er dem Gesetze Gehorsam verschaffte und der öffentlichen Ordnung Schutz verlieh. 10)
Die Gaugrafen, welche in den Gauen die hohe, und die Zentgrafen, welche in den Zenten die mittlere Gerichts- barkeit ausübten, leiteten nun ihre Richtergewalt von dem Könige ab, als dem obersten Richter auf Erden, die ersten unmittelbar, die letztern mittelbar, ebenso ihre militärische Gewalt; und obwohl allerdings schon unter den Nachkommen Karls des Groszen die Neigung zur Erblichkeit der Grafen- ämter theilweise zu einem Rechte auf Erblichkeit erwachsen war, so galt in der noch frischen Periode der ausgebildeten fränkischen Monarchie die Würde der Grafen als ein wahres Reichsamt, auf dessen Besetzung dem Könige ein entschei- dender Einflusz zukam, noch nicht als eine feste Erbherrschaft.
Als das Institut der Sendboten auszer Uebung kam, die Herzogthümer hergestellt wurden und die Reichsämter zu Fa- milienrechten wurden, da war es auch um die Macht des neuen romano-germanischen Königthums geschehen, und die Aristokratie der zahlreichen Fürsten und Herren trat an seine Stelle.
4. Endlich ist noch die enge Beziehung des fränkischen
9) Vgl. darüber Hincmar 16-24.
10) Capit. Caroli M. a. 802. I. et II. et a. 810. Guizot, Essais sur l'hist, de France. p. 191 ff.
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narius). 9)
Die königlichen Sendboten (missi dominici), die
jährlich mit besonderer Vollmacht nach der freien und wech-
selnden Ernennung des Königs die einzelnen Länder des wei-
ten Reichs bereisten, waren hier seine Stellvertreter. Sie
waren seine Augen, durch deren Hülfe er Einsicht erlangte
in die öffentlichen Zustände, in den Stat und in die Kirche,
seine Ohren, mit denen er die Beschwerden und Wünsche
der Bevölkerung vernahm, zuweilen auch seine Arme, durch
die er dem Gesetze Gehorsam verschaffte und der öffentlichen
Ordnung Schutz verlieh. 10)
Die Gaugrafen, welche in den Gauen die hohe, und
die Zentgrafen, welche in den Zenten die mittlere Gerichts-
barkeit ausübten, leiteten nun ihre Richtergewalt von dem
Könige ab, als dem obersten Richter auf Erden, die ersten
unmittelbar, die letztern mittelbar, ebenso ihre militärische
Gewalt; und obwohl allerdings schon unter den Nachkommen
Karls des Groszen die Neigung zur Erblichkeit der Grafen-
ämter theilweise zu einem Rechte auf Erblichkeit erwachsen
war, so galt in der noch frischen Periode der ausgebildeten
fränkischen Monarchie die Würde der Grafen als ein wahres
Reichsamt, auf dessen Besetzung dem Könige ein entschei-
dender Einflusz zukam, noch nicht als eine feste Erbherrschaft.
Als das Institut der Sendboten auszer Uebung kam, die
Herzogthümer hergestellt wurden und die Reichsämter zu Fa-
milienrechten wurden, da war es auch um die Macht des
neuen romano-germanischen Königthums geschehen, und die
Aristokratie der zahlreichen Fürsten und Herren trat an seine
Stelle.
4. Endlich ist noch die enge Beziehung des fränkischen
9) Vgl. darüber Hincmar 16-24.
10) Capit. Caroli M. a. 802. I. et II. et a. 810. Guizot, Essais sur
l'hist, de France. p. 191 ff.
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/445>, abgerufen am 23.11.2024.
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