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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Siebentes Capitel. VII. Verhältnisz des Stats zum Privateigenthum.
überhaupt alle individuellen Rechte schützt. Er übt statliche
Herrschaft darüber wie über die Menschen, die im Lande
wohnen. Die Hauptgrundsätze über das Verhältnisz des States
zum Privateigenthum sind demnach:

1. Der Stat gewährleistet die Freiheit und Sicher-
heit des Eigenthums
. 4

2. Dem State kommt keine willkürliche Dispo-
sition
zu über das Eigenthum.

3. Der Stat hat das Recht, das Eigenthum für öffentliche
Zwecke zu besteuern.

Indessen wird damit das Verhältnisz des Stats zu dem
Privateigenthum nicht erschöpft. Die Freiheit des Privateigen-
thums erleidet Beschränkungen unter Voraussetzungen,
welche zugleich das Recht des States erweitern:

1. Aus der Natur der Sachen selbst ergeben sich
solche.

Gewisse Sachen nämlich sind um ihrer natürlichen Be-
schaffenheit willen dem ausschlieszlichen Privatbesitz und
Privateigenthum entrückt und dem gemeinen öffentlichen Ge-
brauche hingegeben. Oeffentliche Sachen (res publicae).
So die öffentlichen Flüsse und Gewässer, die Seeküsten, wo
Ebbe und Fluth wechseln, Seehäfen. 5


4 Eine Reihe von Verfassungen sprechen diesen Satz ausdrücklich
aus. Schon die Magna Charta König Heinrichs III. von England von
1225 enthält mehrere Einzelbestimmungen der Art. Auch die republi-
kanische Verfassung von Frankreich von 1848. A. 11. enthält wie die
Charte von 1814 (8) den Satz: "Toutes les proprietes sont inviolables;"
ebenso die preuszische Verfassung von 1850. Art. 9: "Das Eigenthum ist
unverletzlich."
5 Marcianus in L. 4. §. 1. de div. Rer.: "Flumina paene omnia et
portus publica sunt." Ulpianus in L. 1. §. 3. eod.
"Publicum flumen
esse Cassius definit, quod perenne sit." Enger ist der Begriff des öffent-
lichen Flusses nach dem Code Napol. §. 538: Les chemins, routes et rues
a la charge de l'Etat, les fleuves et rivieres
navigables ou flottables, les
rivages, lais et relais de la mer, les ports, les havres, les rades, et
generalement toutes les portions du territoire francais qui ne sont pas
Bluntschli, allgemeine Statslehre. 19

Siebentes Capitel. VII. Verhältnisz des Stats zum Privateigenthum.
überhaupt alle individuellen Rechte schützt. Er übt statliche
Herrschaft darüber wie über die Menschen, die im Lande
wohnen. Die Hauptgrundsätze über das Verhältnisz des States
zum Privateigenthum sind demnach:

1. Der Stat gewährleistet die Freiheit und Sicher-
heit des Eigenthums
. 4

2. Dem State kommt keine willkürliche Dispo-
sition
zu über das Eigenthum.

3. Der Stat hat das Recht, das Eigenthum für öffentliche
Zwecke zu besteuern.

Indessen wird damit das Verhältnisz des Stats zu dem
Privateigenthum nicht erschöpft. Die Freiheit des Privateigen-
thums erleidet Beschränkungen unter Voraussetzungen,
welche zugleich das Recht des States erweitern:

1. Aus der Natur der Sachen selbst ergeben sich
solche.

Gewisse Sachen nämlich sind um ihrer natürlichen Be-
schaffenheit willen dem ausschlieszlichen Privatbesitz und
Privateigenthum entrückt und dem gemeinen öffentlichen Ge-
brauche hingegeben. Oeffentliche Sachen (res publicae).
So die öffentlichen Flüsse und Gewässer, die Seeküsten, wo
Ebbe und Fluth wechseln, Seehäfen. 5


4 Eine Reihe von Verfassungen sprechen diesen Satz ausdrücklich
aus. Schon die Magna Charta König Heinrichs III. von England von
1225 enthält mehrere Einzelbestimmungen der Art. Auch die republi-
kanische Verfassung von Frankreich von 1848. A. 11. enthält wie die
Charte von 1814 (8) den Satz: „Toutes les propriétés sont inviolables;“
ebenso die preuszische Verfassung von 1850. Art. 9: „Das Eigenthum ist
unverletzlich.“
5 Marcianus in L. 4. §. 1. de div. Rer.: „Flumina paene omnia et
portus publica sunt.“ Ulpianus in L. 1. §. 3. eod.
„Publicum flumen
esse Cassius definit, quod perenne sit.“ Enger ist der Begriff des öffent-
lichen Flusses nach dem Code Napol. §. 538: Les chemins, routes et rues
à la charge de l'État, les fleuves et rivières
navigables ou flottables, les
rivages, lais et relais de la mer, les ports, les havres, les rades, et
généralement toutes les portions du territoire français qui ne sont pas
Bluntschli, allgemeine Statslehre. 19
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[289/0307] Siebentes Capitel. VII. Verhältnisz des Stats zum Privateigenthum. überhaupt alle individuellen Rechte schützt. Er übt statliche Herrschaft darüber wie über die Menschen, die im Lande wohnen. Die Hauptgrundsätze über das Verhältnisz des States zum Privateigenthum sind demnach: 1. Der Stat gewährleistet die Freiheit und Sicher- heit des Eigenthums. 4 2. Dem State kommt keine willkürliche Dispo- sition zu über das Eigenthum. 3. Der Stat hat das Recht, das Eigenthum für öffentliche Zwecke zu besteuern. Indessen wird damit das Verhältnisz des Stats zu dem Privateigenthum nicht erschöpft. Die Freiheit des Privateigen- thums erleidet Beschränkungen unter Voraussetzungen, welche zugleich das Recht des States erweitern: 1. Aus der Natur der Sachen selbst ergeben sich solche. Gewisse Sachen nämlich sind um ihrer natürlichen Be- schaffenheit willen dem ausschlieszlichen Privatbesitz und Privateigenthum entrückt und dem gemeinen öffentlichen Ge- brauche hingegeben. Oeffentliche Sachen (res publicae). So die öffentlichen Flüsse und Gewässer, die Seeküsten, wo Ebbe und Fluth wechseln, Seehäfen. 5 4 Eine Reihe von Verfassungen sprechen diesen Satz ausdrücklich aus. Schon die Magna Charta König Heinrichs III. von England von 1225 enthält mehrere Einzelbestimmungen der Art. Auch die republi- kanische Verfassung von Frankreich von 1848. A. 11. enthält wie die Charte von 1814 (8) den Satz: „Toutes les propriétés sont inviolables;“ ebenso die preuszische Verfassung von 1850. Art. 9: „Das Eigenthum ist unverletzlich.“ 5 Marcianus in L. 4. §. 1. de div. Rer.: „Flumina paene omnia et portus publica sunt.“ Ulpianus in L. 1. §. 3. eod. „Publicum flumen esse Cassius definit, quod perenne sit.“ Enger ist der Begriff des öffent- lichen Flusses nach dem Code Napol. §. 538: Les chemins, routes et rues à la charge de l'État, les fleuves et rivières navigables ou flottables, les rivages, lais et relais de la mer, les ports, les havres, les rades, et généralement toutes les portions du territoire français qui ne sont pas Bluntschli, allgemeine Statslehre. 19

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/307>, abgerufen am 23.11.2024.