Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Drittes Capitel. III. Fruchtbarkeit des Bodens.
aus der einen Classe in die andere. Dadurch wird der Zusam-
menhang in der Nation und ihr Gemeingefühl gewahrt und
zugleich eine grosze Mannichfaltigkeit von Berufsarten hervor-
gerufen. Die unteren Classen können weniger leicht in die
Sclaverei niedergedrückt, die obersten weniger leicht zu einer
privilegirten Kaste werden.

Freilich überzeugt uns die Geschichte, dasz nicht mit
mathematischer Nothwendigkeit eine gleichmäszige Verthei-
lung des Vermögens und gesunde Volkszustände daraus her-
vorgehen. Es kommen noch viele andere, sogar mächtigere
Factoren mit in Betracht. Aber nicht blosz eine Vergleichung
von Europa mit West- und Süd-Asien oder von Nordamerika
mit Mittel- und Südamerika, sondern sogar die Vergleichung
von Süditalien mit der Lombardei oder der Schweiz, von
Spanien mit Frankreich und Belgien, weist deutlich auf den
Vorzug hin, welchen die Verbindung eines mäszig frucht-
baren Bodens mit mäsziger Arbeit vor jeder einseitigen Be-
günstigung des Bodens hat.

Die Thätigkeit der Politik soll hier vornehmlich darauf
gerichtet sein, gesunde Zustände, wo sie in der Natur be-
gründet sind, gegen die menschliche Zerstörung zu bewahren
und das Gleichgewicht der Kräfte so weit zu erhalten, als es
zugleich zu wechselseitiger Ergänzung und Förderung dient.
Eine Reihe von gesetzgeberischen und wirthschaftlichen Masz-
regeln können dazu beitragen, die fortdauernde Fruchtbarkeit
des Bodens gegen Verwüstung und Aussaugung zu schützen,
einer übermäszigen Ansammlung des Grundeigenthums in we-
nigen, vielleicht todten Händen entgegen zu wirken und eine
naturgemäsze Vertheilung des Vermögens zu sichern. Unter
Umständen kann der Stat sogar, indem er Sümpfe entwässert,
oder für Bewässerung von öden Weiden sorgt, den unfrucht-
baren Boden in einen mäszig fruchtbaren umwandeln und so
neue Bedingungen einer glücklichen Wirthschaft schaffen.



Drittes Capitel. III. Fruchtbarkeit des Bodens.
aus der einen Classe in die andere. Dadurch wird der Zusam-
menhang in der Nation und ihr Gemeingefühl gewahrt und
zugleich eine grosze Mannichfaltigkeit von Berufsarten hervor-
gerufen. Die unteren Classen können weniger leicht in die
Sclaverei niedergedrückt, die obersten weniger leicht zu einer
privilegirten Kaste werden.

Freilich überzeugt uns die Geschichte, dasz nicht mit
mathematischer Nothwendigkeit eine gleichmäszige Verthei-
lung des Vermögens und gesunde Volkszustände daraus her-
vorgehen. Es kommen noch viele andere, sogar mächtigere
Factoren mit in Betracht. Aber nicht blosz eine Vergleichung
von Europa mit West- und Süd-Asien oder von Nordamerika
mit Mittel- und Südamerika, sondern sogar die Vergleichung
von Süditalien mit der Lombardei oder der Schweiz, von
Spanien mit Frankreich und Belgien, weist deutlich auf den
Vorzug hin, welchen die Verbindung eines mäszig frucht-
baren Bodens mit mäsziger Arbeit vor jeder einseitigen Be-
günstigung des Bodens hat.

Die Thätigkeit der Politik soll hier vornehmlich darauf
gerichtet sein, gesunde Zustände, wo sie in der Natur be-
gründet sind, gegen die menschliche Zerstörung zu bewahren
und das Gleichgewicht der Kräfte so weit zu erhalten, als es
zugleich zu wechselseitiger Ergänzung und Förderung dient.
Eine Reihe von gesetzgeberischen und wirthschaftlichen Masz-
regeln können dazu beitragen, die fortdauernde Fruchtbarkeit
des Bodens gegen Verwüstung und Aussaugung zu schützen,
einer übermäszigen Ansammlung des Grundeigenthums in we-
nigen, vielleicht todten Händen entgegen zu wirken und eine
naturgemäsze Vertheilung des Vermögens zu sichern. Unter
Umständen kann der Stat sogar, indem er Sümpfe entwässert,
oder für Bewässerung von öden Weiden sorgt, den unfrucht-
baren Boden in einen mäszig fruchtbaren umwandeln und so
neue Bedingungen einer glücklichen Wirthschaft schaffen.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0287" n="269"/><fw place="top" type="header">Drittes Capitel. III. Fruchtbarkeit des Bodens.</fw><lb/>
aus der einen Classe in die andere. Dadurch wird der Zusam-<lb/>
menhang in der Nation und ihr Gemeingefühl gewahrt und<lb/>
zugleich eine grosze Mannichfaltigkeit von Berufsarten hervor-<lb/>
gerufen. Die unteren Classen können weniger leicht in die<lb/>
Sclaverei niedergedrückt, die obersten weniger leicht zu einer<lb/>
privilegirten Kaste werden.</p><lb/>
          <p>Freilich überzeugt uns die Geschichte, dasz nicht mit<lb/>
mathematischer Nothwendigkeit eine gleichmäszige Verthei-<lb/>
lung des Vermögens und gesunde Volkszustände daraus her-<lb/>
vorgehen. Es kommen noch viele andere, sogar mächtigere<lb/>
Factoren mit in Betracht. Aber nicht blosz eine Vergleichung<lb/>
von Europa mit West- und Süd-Asien oder von Nordamerika<lb/>
mit Mittel- und Südamerika, sondern sogar die Vergleichung<lb/>
von Süditalien mit der Lombardei oder der Schweiz, von<lb/>
Spanien mit Frankreich und Belgien, weist deutlich auf den<lb/>
Vorzug hin, welchen die Verbindung eines mäszig frucht-<lb/>
baren Bodens mit mäsziger Arbeit vor jeder einseitigen Be-<lb/>
günstigung des Bodens hat.</p><lb/>
          <p>Die Thätigkeit der Politik soll hier vornehmlich darauf<lb/>
gerichtet sein, gesunde Zustände, wo sie in der Natur be-<lb/>
gründet sind, gegen die menschliche Zerstörung zu bewahren<lb/>
und das Gleichgewicht der Kräfte so weit zu erhalten, als es<lb/>
zugleich zu wechselseitiger Ergänzung und Förderung dient.<lb/>
Eine Reihe von gesetzgeberischen und wirthschaftlichen Masz-<lb/>
regeln können dazu beitragen, die fortdauernde Fruchtbarkeit<lb/>
des Bodens gegen Verwüstung und Aussaugung zu schützen,<lb/>
einer übermäszigen Ansammlung des Grundeigenthums in we-<lb/>
nigen, vielleicht todten Händen entgegen zu wirken und eine<lb/>
naturgemäsze Vertheilung des Vermögens zu sichern. Unter<lb/>
Umständen kann der Stat sogar, indem er Sümpfe entwässert,<lb/>
oder für Bewässerung von öden Weiden sorgt, den unfrucht-<lb/>
baren Boden in einen mäszig fruchtbaren umwandeln und so<lb/>
neue Bedingungen einer glücklichen Wirthschaft schaffen.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[269/0287] Drittes Capitel. III. Fruchtbarkeit des Bodens. aus der einen Classe in die andere. Dadurch wird der Zusam- menhang in der Nation und ihr Gemeingefühl gewahrt und zugleich eine grosze Mannichfaltigkeit von Berufsarten hervor- gerufen. Die unteren Classen können weniger leicht in die Sclaverei niedergedrückt, die obersten weniger leicht zu einer privilegirten Kaste werden. Freilich überzeugt uns die Geschichte, dasz nicht mit mathematischer Nothwendigkeit eine gleichmäszige Verthei- lung des Vermögens und gesunde Volkszustände daraus her- vorgehen. Es kommen noch viele andere, sogar mächtigere Factoren mit in Betracht. Aber nicht blosz eine Vergleichung von Europa mit West- und Süd-Asien oder von Nordamerika mit Mittel- und Südamerika, sondern sogar die Vergleichung von Süditalien mit der Lombardei oder der Schweiz, von Spanien mit Frankreich und Belgien, weist deutlich auf den Vorzug hin, welchen die Verbindung eines mäszig frucht- baren Bodens mit mäsziger Arbeit vor jeder einseitigen Be- günstigung des Bodens hat. Die Thätigkeit der Politik soll hier vornehmlich darauf gerichtet sein, gesunde Zustände, wo sie in der Natur be- gründet sind, gegen die menschliche Zerstörung zu bewahren und das Gleichgewicht der Kräfte so weit zu erhalten, als es zugleich zu wechselseitiger Ergänzung und Förderung dient. Eine Reihe von gesetzgeberischen und wirthschaftlichen Masz- regeln können dazu beitragen, die fortdauernde Fruchtbarkeit des Bodens gegen Verwüstung und Aussaugung zu schützen, einer übermäszigen Ansammlung des Grundeigenthums in we- nigen, vielleicht todten Händen entgegen zu wirken und eine naturgemäsze Vertheilung des Vermögens zu sichern. Unter Umständen kann der Stat sogar, indem er Sümpfe entwässert, oder für Bewässerung von öden Weiden sorgt, den unfrucht- baren Boden in einen mäszig fruchtbaren umwandeln und so neue Bedingungen einer glücklichen Wirthschaft schaffen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/287
Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/287>, abgerufen am 06.05.2024.