nische Entwicklung des Volkslebens und die in der Geschichte offenbar gewordene sittliche Idee erkennt, nachweist und beleuchtet. Sie geht zwar zunächst von der realen Erscheinung aus, aber sie faszt diese als eine leben- dige auf, nicht als eine todte.
Verwandt mit ihr ist die wahrhaft philosophische Methode welche nicht blosz abstract speculirt, sondern concret denkt und eben darum Idee und Realität verbindet. Wäh- rend jene ihrer Betrachtung die geschichtliche Erscheinung und Entwicklung zu Grunde legt, geht diese zunächst von der Er- kenntniss der menschlichen Seele aus, und betrachtet von da aus die in Geschichte geoffenbarten Aeuszerungen des menschlichen Geistes.
Nur wenigen Individuen war es vergönnt, diese beiderlei Betrachtungsweisen zugleich in sich zu vereinigen. Die meisten, die sich auf einen höheren wissenschaftlichen Standpunkt er- hoben haben, wurden durch ihre natürlichen Anlagen ent- weder der einen oder der andern Richtung vorzugsweise zu- geleitet. Unter jenen Erstern verdient Aristoteles voraus unsere Bewunderung, dessen Statslehre, obwol in jener jugend- lichen Periode der Geschichte der Menschheit geschrieben, welche der reiferen Statenbildung vorausging, dennoch auf Jahrtausende nach ihm eine der reinsten Quellen statlicher Weisheit geblieben ist. Der Römer Cicero ahmte zwar in der Form der Begründung und Darstellung die philosophische Weise der darin reicher begabten Griechen nach, den besten Theil des Inhaltes aber schöpfte er mit Recht aus der Fülle practisch-römischer Politik. Unter den Neuern sind der Fran- zose Bodin, der Italiener Vico und der Engländer Baco de Verulam als frühe Repräsentanten der philosophisch-histo- rischen Methode zu nennen. Cicero ähnlich an hinreiszender, schwunghafter Beredsamkeit hat der Engländer Burke die Lehren der englischen Statswissenschaft ebenso aus der Ge- schichte und dem Leben seines Volkes gegriffen und in geist-
Zweites Capitel. Wissenschaftliche Methoden
nische Entwicklung des Volkslebens und die in der Geschichte offenbar gewordene sittliche Idee erkennt, nachweist und beleuchtet. Sie geht zwar zunächst von der realen Erscheinung aus, aber sie faszt diese als eine leben- dige auf, nicht als eine todte.
Verwandt mit ihr ist die wahrhaft philosophische Methode welche nicht blosz abstract speculirt, sondern concret denkt und eben darum Idee und Realität verbindet. Wäh- rend jene ihrer Betrachtung die geschichtliche Erscheinung und Entwicklung zu Grunde legt, geht diese zunächst von der Er- kenntniss der menschlichen Seele aus, und betrachtet von da aus die in Geschichte geoffenbarten Aeuszerungen des menschlichen Geistes.
Nur wenigen Individuen war es vergönnt, diese beiderlei Betrachtungsweisen zugleich in sich zu vereinigen. Die meisten, die sich auf einen höheren wissenschaftlichen Standpunkt er- hoben haben, wurden durch ihre natürlichen Anlagen ent- weder der einen oder der andern Richtung vorzugsweise zu- geleitet. Unter jenen Erstern verdient Aristoteles voraus unsere Bewunderung, dessen Statslehre, obwol in jener jugend- lichen Periode der Geschichte der Menschheit geschrieben, welche der reiferen Statenbildung vorausging, dennoch auf Jahrtausende nach ihm eine der reinsten Quellen statlicher Weisheit geblieben ist. Der Römer Cicero ahmte zwar in der Form der Begründung und Darstellung die philosophische Weise der darin reicher begabten Griechen nach, den besten Theil des Inhaltes aber schöpfte er mit Recht aus der Fülle practisch-römischer Politik. Unter den Neuern sind der Fran- zose Bodin, der Italiener Vico und der Engländer Baco de Verulam als frühe Repräsentanten der philosophisch-histo- rischen Methode zu nennen. Cicero ähnlich an hinreiszender, schwunghafter Beredsamkeit hat der Engländer Burke die Lehren der englischen Statswissenschaft ebenso aus der Ge- schichte und dem Leben seines Volkes gegriffen und in geist-
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Zweites Capitel. Wissenschaftliche Methoden
nische Entwicklung des Volkslebens und die in der
Geschichte offenbar gewordene sittliche Idee erkennt,
nachweist und beleuchtet. Sie geht zwar zunächst von
der realen Erscheinung aus, aber sie faszt diese als eine leben-
dige auf, nicht als eine todte.
Verwandt mit ihr ist die wahrhaft philosophische
Methode welche nicht blosz abstract speculirt, sondern concret
denkt und eben darum Idee und Realität verbindet. Wäh-
rend jene ihrer Betrachtung die geschichtliche Erscheinung und
Entwicklung zu Grunde legt, geht diese zunächst von der Er-
kenntniss der menschlichen Seele aus, und betrachtet von da
aus die in Geschichte geoffenbarten Aeuszerungen des
menschlichen Geistes.
Nur wenigen Individuen war es vergönnt, diese beiderlei
Betrachtungsweisen zugleich in sich zu vereinigen. Die meisten,
die sich auf einen höheren wissenschaftlichen Standpunkt er-
hoben haben, wurden durch ihre natürlichen Anlagen ent-
weder der einen oder der andern Richtung vorzugsweise zu-
geleitet. Unter jenen Erstern verdient Aristoteles voraus
unsere Bewunderung, dessen Statslehre, obwol in jener jugend-
lichen Periode der Geschichte der Menschheit geschrieben,
welche der reiferen Statenbildung vorausging, dennoch auf
Jahrtausende nach ihm eine der reinsten Quellen statlicher
Weisheit geblieben ist. Der Römer Cicero ahmte zwar in
der Form der Begründung und Darstellung die philosophische
Weise der darin reicher begabten Griechen nach, den besten
Theil des Inhaltes aber schöpfte er mit Recht aus der Fülle
practisch-römischer Politik. Unter den Neuern sind der Fran-
zose Bodin, der Italiener Vico und der Engländer Baco de
Verulam als frühe Repräsentanten der philosophisch-histo-
rischen Methode zu nennen. Cicero ähnlich an hinreiszender,
schwunghafter Beredsamkeit hat der Engländer Burke die
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/26>, abgerufen am 24.11.2024.
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