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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Einundzwanzigstes Cap. Verhältnisz des Stats etc. 1. Volksgenossen etc.

Nur das englische Statsrecht, obwohl es vielleicht zu-
erst unter den neuen Rechten das Recht der freien Auswan-
derung (des freien Zugs) anerkannt hat, hat den mittelalter-
lichen Gesichtspunkt, dasz der Unterthan sich von der Lehens-
treue gegen den Fürsten nicht ohne dessen Zustimmung
losmachen könne, länger festgehalten, so dasz auch die Aus-
wanderung nicht sofort die Auflösung des englischen Unter-
thanenverbandes nach sich zieht. 10

Als Auswanderung behandelt das französische Recht
auch jede Naturalisation in einem fremden Lande und den
Eintritt in auswärtige Statsdienste ohne Bewilligung der fran-
zösischen Statsregierung; 11 eine Ausdehnung, welche unter
Umständen weiter reicht, als die wirkliche Verzichtleistung,
denn es kann wohl vorkommen, dasz ein Individuum in einen
andern Statsverband eintritt, ohne deszhalb seine bisherige
Statsverbindung aufgeben zu wollen. Indessen sorgt in
solchen Fällen das französische Recht dafür, dasz dem nach
Frankreich zurückkehrenden Individuum die Erneuerung des
französischen Indigenats leicht wird. 12

Die Vereinigung zweier Heimatsrechte in Einer Person

de commerce ne pourront jamais etre consideres comme ayant ete faits
sans esprit de retour." Bayer. Edict von 1818. §. 6: "Das Indigenat
geht verloren durch Auswanderung." Oesterr. Verf. von 1849. §. 25:
"Die Freiheit der Auswanderung ist von Stats wegen nur durch die
Wehrpflicht begränzt." Ebenso Preusz. Verf. von 1850. §. 11: "Die
Freiheit der Auswanderung kann von Stats wegen nur in Bezug auf die
Wehrpflicht beschränkt werden." Das Preusz. Landrecht II. 17.
§. 127 u. ff. war noch strenger.
10 Magna Charta v. 1215: "Liceat unicuiqui exire de regno nostro
et redire salvo et secure per terram et per aquam salva fide nostra,
nisi tempore guerre per quod breve tempus propter communem utilitatem
regni. Blackstone, Comm. I. 10.
11 Code Civ. 17.
12 Code Civ. 18. "Le Francais qui aura perdu sa qualite de Francais,
pourra toujours la recouvrer en rentrant en France avec l'autorisation
du Roi et en declarant qu'il veut s'y fixer, et qu'il renonce a toute di-
stinction contraire a la loi francaise."
Bluntschli, allgemeine Statslehre. 16
Einundzwanzigstes Cap. Verhältnisz des Stats etc. 1. Volksgenossen etc.

Nur das englische Statsrecht, obwohl es vielleicht zu-
erst unter den neuen Rechten das Recht der freien Auswan-
derung (des freien Zugs) anerkannt hat, hat den mittelalter-
lichen Gesichtspunkt, dasz der Unterthan sich von der Lehens-
treue gegen den Fürsten nicht ohne dessen Zustimmung
losmachen könne, länger festgehalten, so dasz auch die Aus-
wanderung nicht sofort die Auflösung des englischen Unter-
thanenverbandes nach sich zieht. 10

Als Auswanderung behandelt das französische Recht
auch jede Naturalisation in einem fremden Lande und den
Eintritt in auswärtige Statsdienste ohne Bewilligung der fran-
zösischen Statsregierung; 11 eine Ausdehnung, welche unter
Umständen weiter reicht, als die wirkliche Verzichtleistung,
denn es kann wohl vorkommen, dasz ein Individuum in einen
andern Statsverband eintritt, ohne deszhalb seine bisherige
Statsverbindung aufgeben zu wollen. Indessen sorgt in
solchen Fällen das französische Recht dafür, dasz dem nach
Frankreich zurückkehrenden Individuum die Erneuerung des
französischen Indigenats leicht wird. 12

Die Vereinigung zweier Heimatsrechte in Einer Person

de commerce ne pourront jamais être considérés comme ayant été faits
sans esprit de retour.“ Bayer. Edict von 1818. §. 6: „Das Indigenat
geht verloren durch Auswanderung.“ Oesterr. Verf. von 1849. §. 25:
„Die Freiheit der Auswanderung ist von Stats wegen nur durch die
Wehrpflicht begränzt.“ Ebenso Preusz. Verf. von 1850. §. 11: „Die
Freiheit der Auswanderung kann von Stats wegen nur in Bezug auf die
Wehrpflicht beschränkt werden.“ Das Preusz. Landrecht II. 17.
§. 127 u. ff. war noch strenger.
10 Magna Charta v. 1215: „Liceat unicuiqui exire de regno nostro
et redire salvo et secure per terram et per aquam salva fide nostra,
nisi tempore guerre per quod breve tempus propter communem utilitatem
regni. Blackstone, Comm. I. 10.
11 Code Civ. 17.
12 Code Civ. 18. „Le Français qui aura perdu sa qualité de Français,
pourra toujours la recouvrer en rentrant en France avec l'autorisation
du Roi et en déclarant qu'il veut s'y fixer, et qu'il renonce à toute di-
stinction contraire à la loi française.“
Bluntschli, allgemeine Statslehre. 16
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[241/0259] Einundzwanzigstes Cap. Verhältnisz des Stats etc. 1. Volksgenossen etc. Nur das englische Statsrecht, obwohl es vielleicht zu- erst unter den neuen Rechten das Recht der freien Auswan- derung (des freien Zugs) anerkannt hat, hat den mittelalter- lichen Gesichtspunkt, dasz der Unterthan sich von der Lehens- treue gegen den Fürsten nicht ohne dessen Zustimmung losmachen könne, länger festgehalten, so dasz auch die Aus- wanderung nicht sofort die Auflösung des englischen Unter- thanenverbandes nach sich zieht. 10 Als Auswanderung behandelt das französische Recht auch jede Naturalisation in einem fremden Lande und den Eintritt in auswärtige Statsdienste ohne Bewilligung der fran- zösischen Statsregierung; 11 eine Ausdehnung, welche unter Umständen weiter reicht, als die wirkliche Verzichtleistung, denn es kann wohl vorkommen, dasz ein Individuum in einen andern Statsverband eintritt, ohne deszhalb seine bisherige Statsverbindung aufgeben zu wollen. Indessen sorgt in solchen Fällen das französische Recht dafür, dasz dem nach Frankreich zurückkehrenden Individuum die Erneuerung des französischen Indigenats leicht wird. 12 Die Vereinigung zweier Heimatsrechte in Einer Person 9 10 Magna Charta v. 1215: „Liceat unicuiqui exire de regno nostro et redire salvo et secure per terram et per aquam salva fide nostra, nisi tempore guerre per quod breve tempus propter communem utilitatem regni. Blackstone, Comm. I. 10. 11 Code Civ. 17. 12 Code Civ. 18. „Le Français qui aura perdu sa qualité de Français, pourra toujours la recouvrer en rentrant en France avec l'autorisation du Roi et en déclarant qu'il veut s'y fixer, et qu'il renonce à toute di- stinction contraire à la loi française.“ 9 de commerce ne pourront jamais être considérés comme ayant été faits sans esprit de retour.“ Bayer. Edict von 1818. §. 6: „Das Indigenat geht verloren durch Auswanderung.“ Oesterr. Verf. von 1849. §. 25: „Die Freiheit der Auswanderung ist von Stats wegen nur durch die Wehrpflicht begränzt.“ Ebenso Preusz. Verf. von 1850. §. 11: „Die Freiheit der Auswanderung kann von Stats wegen nur in Bezug auf die Wehrpflicht beschränkt werden.“ Das Preusz. Landrecht II. 17. §. 127 u. ff. war noch strenger. Bluntschli, allgemeine Statslehre. 16

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/259>, abgerufen am 06.05.2024.