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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen-u.
Volksnatur.
somit einen umfassenderen Sinn gewonnen. Es bezeichnete
von da an regelmäszig alle Genossen des städtischen Lebens
und der städtischen Corporationen. Die Hörigkeit war, so
weit das Städtebürgerthum reichte, aufgelöst, die Unterschiede
der Geburt waren wesentlich modificirt und gemildert, das
Lehensrecht durch das gemeinsame und persönliche Stadt-
recht verdrängt, und alle Bürger als solche in eine unmittel-
bare Beziehung zu der Stadt gesetzt worden, zu welcher sie
gehörten.

Dieses bald mit mehr bald mit weniger Rechten der
Selbstverwaltung und Selbstregierung ausgestattete, aber immer-
hin persönlich-freie Stadtbürgerthum war indessen
auf den Umkreis der städtischen Interessen beschränkt. Im
Einzelnen war daher auch je nach der sonstigen Bedeutung und
Geschichte der Städte die bunteste Mannichfaltigkeit denkbar.

Die einen Städte waren der Landesherrschaft der Fürsten
unterworfen und daher Landstädte. Die andern erwarben
für ihre Räthe königliche Rechte und wurden selber zu
Landesherrn über die umliegenden Dörfer und die erworbenen
Herrschaften. Um ihrer unmittelbaren Beziehung zu Kaiser
und Reich wurden sie dann Reichsstädte genannt.

Im XVI. Jahrhunderte noch sind die deutschen Städte
voll Reichthum, Bildung, Blüthe. Die Baudenkmäler aus
jener Zeit haben ihren Ruhm erhalten, den damals Machia-
velli in seinen Berichten verkündet hatte. Aber der dreiszig-
jährige Krieg zerstörte den Wohlstand und die Macht der
Städte und sie geriethen in einen traurigen Verfall, von dem
sie sich nur sehr langsam nach mehr als einem Jahrhundert
des Leidens und der Kümmernisz erholten. Die Landstädte
büszten ihre landständische Stellung ein, die Reichsstädte
konnten kaum den Schein der Selbständigkeit erhalten. Die
Städte schloszen sich ängstlich ab von dem Lande und er-
gaben sich einem engen und kleinlichen Philistergeiste. Sie
waren verarmt und gedrückt.


Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen-u.
Volksnatur.
somit einen umfassenderen Sinn gewonnen. Es bezeichnete
von da an regelmäszig alle Genossen des städtischen Lebens
und der städtischen Corporationen. Die Hörigkeit war, so
weit das Städtebürgerthum reichte, aufgelöst, die Unterschiede
der Geburt waren wesentlich modificirt und gemildert, das
Lehensrecht durch das gemeinsame und persönliche Stadt-
recht verdrängt, und alle Bürger als solche in eine unmittel-
bare Beziehung zu der Stadt gesetzt worden, zu welcher sie
gehörten.

Dieses bald mit mehr bald mit weniger Rechten der
Selbstverwaltung und Selbstregierung ausgestattete, aber immer-
hin persönlich-freie Stadtbürgerthum war indessen
auf den Umkreis der städtischen Interessen beschränkt. Im
Einzelnen war daher auch je nach der sonstigen Bedeutung und
Geschichte der Städte die bunteste Mannichfaltigkeit denkbar.

Die einen Städte waren der Landesherrschaft der Fürsten
unterworfen und daher Landstädte. Die andern erwarben
für ihre Räthe königliche Rechte und wurden selber zu
Landesherrn über die umliegenden Dörfer und die erworbenen
Herrschaften. Um ihrer unmittelbaren Beziehung zu Kaiser
und Reich wurden sie dann Reichsstädte genannt.

Im XVI. Jahrhunderte noch sind die deutschen Städte
voll Reichthum, Bildung, Blüthe. Die Baudenkmäler aus
jener Zeit haben ihren Ruhm erhalten, den damals Machia-
velli in seinen Berichten verkündet hatte. Aber der dreiszig-
jährige Krieg zerstörte den Wohlstand und die Macht der
Städte und sie geriethen in einen traurigen Verfall, von dem
sie sich nur sehr langsam nach mehr als einem Jahrhundert
des Leidens und der Kümmernisz erholten. Die Landstädte
büszten ihre landständische Stellung ein, die Reichsstädte
konnten kaum den Schein der Selbständigkeit erhalten. Die
Städte schloszen sich ängstlich ab von dem Lande und er-
gaben sich einem engen und kleinlichen Philistergeiste. Sie
waren verarmt und gedrückt.


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[184/0202] Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen-u. Volksnatur. somit einen umfassenderen Sinn gewonnen. Es bezeichnete von da an regelmäszig alle Genossen des städtischen Lebens und der städtischen Corporationen. Die Hörigkeit war, so weit das Städtebürgerthum reichte, aufgelöst, die Unterschiede der Geburt waren wesentlich modificirt und gemildert, das Lehensrecht durch das gemeinsame und persönliche Stadt- recht verdrängt, und alle Bürger als solche in eine unmittel- bare Beziehung zu der Stadt gesetzt worden, zu welcher sie gehörten. Dieses bald mit mehr bald mit weniger Rechten der Selbstverwaltung und Selbstregierung ausgestattete, aber immer- hin persönlich-freie Stadtbürgerthum war indessen auf den Umkreis der städtischen Interessen beschränkt. Im Einzelnen war daher auch je nach der sonstigen Bedeutung und Geschichte der Städte die bunteste Mannichfaltigkeit denkbar. Die einen Städte waren der Landesherrschaft der Fürsten unterworfen und daher Landstädte. Die andern erwarben für ihre Räthe königliche Rechte und wurden selber zu Landesherrn über die umliegenden Dörfer und die erworbenen Herrschaften. Um ihrer unmittelbaren Beziehung zu Kaiser und Reich wurden sie dann Reichsstädte genannt. Im XVI. Jahrhunderte noch sind die deutschen Städte voll Reichthum, Bildung, Blüthe. Die Baudenkmäler aus jener Zeit haben ihren Ruhm erhalten, den damals Machia- velli in seinen Berichten verkündet hatte. Aber der dreiszig- jährige Krieg zerstörte den Wohlstand und die Macht der Städte und sie geriethen in einen traurigen Verfall, von dem sie sich nur sehr langsam nach mehr als einem Jahrhundert des Leidens und der Kümmernisz erholten. Die Landstädte büszten ihre landständische Stellung ein, die Reichsstädte konnten kaum den Schein der Selbständigkeit erhalten. Die Städte schloszen sich ängstlich ab von dem Lande und er- gaben sich einem engen und kleinlichen Philistergeiste. Sie waren verarmt und gedrückt.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/202>, abgerufen am 23.11.2024.