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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Zehntes Capitel. 2. Der Adel. A. Der französische Adel.

Ludwig XVIII. (1815) schlosz sich in seiner Pairie
näher an das Vorbild der englischen Einrichtungen an. Aber
es gelang ihm nicht, einen politischen Pairsadel zu be-
festigen. Die Bestandtheile der alten Pairie waren durch die
Revolution zu sehr zerstört; der Geist der Nation war so ganz
für die Principien der Rechtsgleichheit und der freien Bewe-
gung auch des Eigenthums eingenommen, dasz ihm jede Er-
neuerung des Adels wie ein räuberischer Eingriff in die Volks-
rechte erschien; ein groszer Theil des alten Adels hatte die
Waffen gegen das Vaterland getragen und die erneuerten An-
sprüche desselben wurden auf die Besiegung Frankreichs durch
die fremden Heere gestützt. 15 Der alte Hasz fand immer
wieder neue Nahrung und nirgends wurden grosze neue Ver-
dienste der Aristokratie um das Volkswohl sichtbar, welche
mit einer neuen politischen Erhebung derselben versöhnt hätte.

Die Julirevolution von 1830 hob mit den Majoraten die
erbliche Pairie wieder auf, und die Februarstürme von 1848
stürzten auch die darauf folgende persönliche und lebens-
längliche
, von dem Könige geschaffene Pairie. Neuerdings
sprach sich die Republik gegen alle Adelstitel und Adelsrechte
aus. 16 Eine Reorganisation hat der französische Adel nicht
wieder erlebt. Keime einer solchen werden zwar in der se-
natorischen
Stellung sichtbar, welche Napoleon III. in
seine Verfassung aufnahm, aber mit diesem Versuch schei-
terte, als das kaiserliche Regiment Schiffbruch erlitt.


Thiers hist. du Consul. VIII, S. 116. Benjamin Constant de l'esprit de
conquete Pars II. ch. 2: "L'heredite s'introduit, dans des
siecles de sim-
plicite et de conquete, mais on ne l'institue pas au milieu de siecles de
civilisation. Elle peut alors se conserver mais non s'etablir." Vgl. Parieu
Pol. 108.
15 In den hundert Tagen verfügte daher wieder ein kaiserliches
Decret vom 13. März 1815: "La noblesse est abolie. Les titres feodaux
sont supprimes."
16 Französ. Verf. v. 1848. Art. 10: "Sont abolis a toujours tout
titre nobiliaire, toute distinction de naissance, de classe ou de caste."
Zehntes Capitel. 2. Der Adel. A. Der französische Adel.

Ludwig XVIII. (1815) schlosz sich in seiner Pairie
näher an das Vorbild der englischen Einrichtungen an. Aber
es gelang ihm nicht, einen politischen Pairsadel zu be-
festigen. Die Bestandtheile der alten Pairie waren durch die
Revolution zu sehr zerstört; der Geist der Nation war so ganz
für die Principien der Rechtsgleichheit und der freien Bewe-
gung auch des Eigenthums eingenommen, dasz ihm jede Er-
neuerung des Adels wie ein räuberischer Eingriff in die Volks-
rechte erschien; ein groszer Theil des alten Adels hatte die
Waffen gegen das Vaterland getragen und die erneuerten An-
sprüche desselben wurden auf die Besiegung Frankreichs durch
die fremden Heere gestützt. 15 Der alte Hasz fand immer
wieder neue Nahrung und nirgends wurden grosze neue Ver-
dienste der Aristokratie um das Volkswohl sichtbar, welche
mit einer neuen politischen Erhebung derselben versöhnt hätte.

Die Julirevolution von 1830 hob mit den Majoraten die
erbliche Pairie wieder auf, und die Februarstürme von 1848
stürzten auch die darauf folgende persönliche und lebens-
längliche
, von dem Könige geschaffene Pairie. Neuerdings
sprach sich die Republik gegen alle Adelstitel und Adelsrechte
aus. 16 Eine Reorganisation hat der französische Adel nicht
wieder erlebt. Keime einer solchen werden zwar in der se-
natorischen
Stellung sichtbar, welche Napoleon III. in
seine Verfassung aufnahm, aber mit diesem Versuch schei-
terte, als das kaiserliche Regiment Schiffbruch erlitt.


Thiers hist. du Consul. VIII, S. 116. Benjamin Constant de l'esprit de
conquête Pars II. ch. 2: „L'hérédité s'introduit, dans des
siècles de sim-
plicité et de conquête, mais on ne l'institue pas au milieu de siècles de
civilisation. Elle peut alors se conserver mais non s'établir.“ Vgl. Parieu
Pol. 108.
15 In den hundert Tagen verfügte daher wieder ein kaiserliches
Decret vom 13. März 1815: „La noblesse est abolie. Les titres féodaux
sont supprimés.“
16 Französ. Verf. v. 1848. Art. 10: „Sont abolis à toujours tout
titre nobiliaire, toute distinction de naissance, de classe ou de caste.“
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[153/0171] Zehntes Capitel. 2. Der Adel. A. Der französische Adel. Ludwig XVIII. (1815) schlosz sich in seiner Pairie näher an das Vorbild der englischen Einrichtungen an. Aber es gelang ihm nicht, einen politischen Pairsadel zu be- festigen. Die Bestandtheile der alten Pairie waren durch die Revolution zu sehr zerstört; der Geist der Nation war so ganz für die Principien der Rechtsgleichheit und der freien Bewe- gung auch des Eigenthums eingenommen, dasz ihm jede Er- neuerung des Adels wie ein räuberischer Eingriff in die Volks- rechte erschien; ein groszer Theil des alten Adels hatte die Waffen gegen das Vaterland getragen und die erneuerten An- sprüche desselben wurden auf die Besiegung Frankreichs durch die fremden Heere gestützt. 15 Der alte Hasz fand immer wieder neue Nahrung und nirgends wurden grosze neue Ver- dienste der Aristokratie um das Volkswohl sichtbar, welche mit einer neuen politischen Erhebung derselben versöhnt hätte. Die Julirevolution von 1830 hob mit den Majoraten die erbliche Pairie wieder auf, und die Februarstürme von 1848 stürzten auch die darauf folgende persönliche und lebens- längliche, von dem Könige geschaffene Pairie. Neuerdings sprach sich die Republik gegen alle Adelstitel und Adelsrechte aus. 16 Eine Reorganisation hat der französische Adel nicht wieder erlebt. Keime einer solchen werden zwar in der se- natorischen Stellung sichtbar, welche Napoleon III. in seine Verfassung aufnahm, aber mit diesem Versuch schei- terte, als das kaiserliche Regiment Schiffbruch erlitt. 14 15 In den hundert Tagen verfügte daher wieder ein kaiserliches Decret vom 13. März 1815: „La noblesse est abolie. Les titres féodaux sont supprimés.“ 16 Französ. Verf. v. 1848. Art. 10: „Sont abolis à toujours tout titre nobiliaire, toute distinction de naissance, de classe ou de caste.“ 14 Thiers hist. du Consul. VIII, S. 116. Benjamin Constant de l'esprit de conquête Pars II. ch. 2: „L'hérédité s'introduit, dans des siècles de sim- plicité et de conquête, mais on ne l'institue pas au milieu de siècles de civilisation. Elle peut alors se conserver mais non s'établir.“ Vgl. Parieu Pol. 108.

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/171>, abgerufen am 24.11.2024.