Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 9. Ausg. Göttingen, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite

aller philosophischen Naturforschung*) weit an-
gemessener, wenn man die Entstehung der neu-
erzeugten organisirten Körper bloß durch allmäh-
liche Ausbildung
(Epigenesis) des an sich
zwar ungeformten, aber unter den dazu erforder-
lichen Umständen organisirbaren Zeugungsstoffes,
erklärt.

Nur kommt es bey der vielfachen Vorstel-
lungsart, die man sich von einer solchen allmäh-
lichen Bildung machen kann und gemacht hat**),
darauf an, sie so zu bestimmen, wie sie dem
Begriff von organisirten Körpern, und dann den
Phänomenen, die uns die Beobachtung bey Ent-
stehung derselben lehrt, am ungezwungensten ent-
spricht.

§. 9.

Und dieß geschieht, wenn man annimmt,
daß der reife, vorher zwar ungeformte, aber or-

*) "Causas rerum naturalium non plures admitti debe-
re, quam quae et verae sint, et earum phaenome-
nis explicandis sufficiant
:"
ist ja die erste von New-
ton's
güldenen regulis philosophandi.
**) Denn wenn z. B. Mazini meinte, daß die Kin-
der bey ihrer Empfängniß im Mutterleibe bloß an-
schössen (ungefähr wie der Candis-Zucker), so war
das auch eine Art Epigenese.Aber das schlechterdings Unstatthafte aller sol-
chen bloß mechanischen Erklärungsarten der all-
mählichen Ausbildung organisirter Körper
durch eine sogenannte vis plastica (wie es unsere
ehrlichen Alten nannten), als welche eben so gut im
Mineralreich Statt hat, ergibt sich von selbst aus
dem Begriff von organisirten Körpern, als welcher
durchaus zugleich Zweckmäßigkeit involvirt.
- s. Kant a. a. O. S. 292.

aller philosophischen Naturforschung*) weit an-
gemessener, wenn man die Entstehung der neu-
erzeugten organisirten Körper bloß durch allmäh-
liche Ausbildung
(Epigenesis) des an sich
zwar ungeformten, aber unter den dazu erforder-
lichen Umständen organisirbaren Zeugungsstoffes,
erklärt.

Nur kommt es bey der vielfachen Vorstel-
lungsart, die man sich von einer solchen allmäh-
lichen Bildung machen kann und gemacht hat**),
darauf an, sie so zu bestimmen, wie sie dem
Begriff von organisirten Körpern, und dann den
Phänomenen, die uns die Beobachtung bey Ent-
stehung derselben lehrt, am ungezwungensten ent-
spricht.

§. 9.

Und dieß geschieht, wenn man annimmt,
daß der reife, vorher zwar ungeformte, aber or-

*) Causas rerum naturalium non plures admitti debe-
re, quam quae et verae sint, et earum phaenome-
nis explicandis sufficiant
:"
ist ja die erste von New-
ton’s
güldenen regulis philosophandi.
**) Denn wenn z. B. Mazini meinte, daß die Kin-
der bey ihrer Empfängniß im Mutterleibe bloß an-
schössen (ungefähr wie der Candis-Zucker), so war
das auch eine Art Epigenese.Aber das schlechterdings Unstatthafte aller sol-
chen bloß mechanischen Erklärungsarten der all-
mählichen Ausbildung organisirter Körper
durch eine sogenannte vis plastica (wie es unsere
ehrlichen Alten nannten), als welche eben so gut im
Mineralreich Statt hat, ergibt sich von selbst aus
dem Begriff von organisirten Körpern, als welcher
durchaus zugleich Zweckmäßigkeit involvirt.
– s. Kant a. a. O. S. 292.
<TEI>
  <text xml:id="blume_hbnatur_000040">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0031" xml:id="pb027_0001" n="27"/>
aller philosophischen Naturforschung<note place="foot" n="*)"><p><q>&#x201E;<hi rendition="#aq">Causas rerum naturalium non plures admitti debe-<lb/>
re, quam quae et verae sint, et earum phaenome-<lb/>
nis explicandis sufficiant</hi>:"</q> ist ja die erste von <hi rendition="#g">New-<lb/>
ton&#x2019;s</hi> güldenen <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">regulis philosophandi</hi></hi>.</p></note> weit an-<lb/>
gemessener, wenn man die Entstehung der neu-<lb/>
erzeugten organisirten Körper bloß durch <hi rendition="#g">allmäh-<lb/>
liche Ausbildung</hi> (<hi rendition="#aq">Epigenesis</hi>) des an sich<lb/>
zwar ungeformten, aber unter den dazu erforder-<lb/>
lichen Umständen organisirbaren Zeugungsstoffes,<lb/>
erklärt.</p>
          <p>Nur kommt es bey der vielfachen Vorstel-<lb/>
lungsart, die man sich von einer solchen allmäh-<lb/>
lichen Bildung machen kann und gemacht hat<note place="foot" n="**)"><p>Denn wenn z. B. <hi rendition="#g">Mazini</hi> meinte, daß die Kin-<lb/>
der bey ihrer Empfängniß im Mutterleibe bloß an-<lb/>
schössen (ungefähr wie der Candis-Zucker), so war<lb/>
das auch eine Art Epigenese.</p><p>Aber das schlechterdings Unstatthafte aller sol-<lb/>
chen <hi rendition="#g">bloß mechanischen</hi> Erklärungsarten der all-<lb/>
mählichen Ausbildung <hi rendition="#g">organisirter</hi> Körper<lb/>
durch eine sogenannte <hi rendition="#aq">vis plastica</hi> (wie es unsere<lb/>
ehrlichen Alten nannten), als welche eben so gut im<lb/>
Mineralreich Statt hat, ergibt sich von selbst aus<lb/>
dem Begriff von organisirten Körpern, als welcher<lb/>
durchaus zugleich <hi rendition="#g">Zweckmäßigkeit</hi> involvirt.<lb/>
&#x2013; s. <hi rendition="#g">Kant</hi> a. a. O. S. 292.</p></note>,<lb/>
darauf an, sie so zu bestimmen, wie sie dem<lb/>
Begriff von organisirten Körpern, und dann den<lb/>
Phänomenen, die uns die Beobachtung bey Ent-<lb/>
stehung derselben lehrt, am ungezwungensten ent-<lb/>
spricht.</p>
        </div>
        <div n="2">
          <head rendition="#c">§. 9.</head><lb/>
          <p>Und dieß geschieht, wenn man annimmt,<lb/>
daß der reife, vorher zwar ungeformte, aber or-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0031] aller philosophischen Naturforschung *) weit an- gemessener, wenn man die Entstehung der neu- erzeugten organisirten Körper bloß durch allmäh- liche Ausbildung (Epigenesis) des an sich zwar ungeformten, aber unter den dazu erforder- lichen Umständen organisirbaren Zeugungsstoffes, erklärt. Nur kommt es bey der vielfachen Vorstel- lungsart, die man sich von einer solchen allmäh- lichen Bildung machen kann und gemacht hat **), darauf an, sie so zu bestimmen, wie sie dem Begriff von organisirten Körpern, und dann den Phänomenen, die uns die Beobachtung bey Ent- stehung derselben lehrt, am ungezwungensten ent- spricht. §. 9. Und dieß geschieht, wenn man annimmt, daß der reife, vorher zwar ungeformte, aber or- *) „Causas rerum naturalium non plures admitti debe- re, quam quae et verae sint, et earum phaenome- nis explicandis sufficiant:" ist ja die erste von New- ton’s güldenen regulis philosophandi. **) Denn wenn z. B. Mazini meinte, daß die Kin- der bey ihrer Empfängniß im Mutterleibe bloß an- schössen (ungefähr wie der Candis-Zucker), so war das auch eine Art Epigenese. Aber das schlechterdings Unstatthafte aller sol- chen bloß mechanischen Erklärungsarten der all- mählichen Ausbildung organisirter Körper durch eine sogenannte vis plastica (wie es unsere ehrlichen Alten nannten), als welche eben so gut im Mineralreich Statt hat, ergibt sich von selbst aus dem Begriff von organisirten Körpern, als welcher durchaus zugleich Zweckmäßigkeit involvirt. – s. Kant a. a. O. S. 292.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2016-07-22T12:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1815/31
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 9. Ausg. Göttingen, 1815, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1815/31>, abgerufen am 03.05.2024.