Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 9. Ausg. Göttingen, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 88.

Die bey vielen Amphibien so ganz ausneh-
mende Leichtigkeit und Stärke ihrer Reproduc-
tionskraft
(§. 19.), hat, wo ich nicht irre,
in der obgedachten Stärke ihrer Nerven und hin-
gegen respectiven Kleinheit ihres Gehirns (§. 29.)
einen Grund; da folglich die erstern von letzterem
minder abhängig sind; und überhaupt die ganze
Maschine zwar schwächere Mobilität, weniger con-
sensus
zeigt, das ganze Leben der Amphibien ein-
facher, und mehr bloß vegetativ scheint, als bey
den warmblütigen Thieren, - aber dagegen die
Glieder mehr mit eigenthümlicher, independenter
Lebenskraft versehen sind. Und da folglich bey
dieser mehr eigenthümlichen Lebenskraft der ein-
zelnen Theile, nicht gleich jeder Stimulus, der
auf Einen Theil, oder auf Ein System wirkt,
sogleich, wir bey den warmblütigen Thieren, an-
dere in Consensus zieht, so erklärt sich auch wohl
überhaupt daher ihr zähes Leben, so daß Frösche,
denen das Herz ausgerissen ist, doch noch umher
hüpfen, und Schildkröten, denen das Gehirn aus
dem Kopfe genommen worden, noch Monathe
lang leben können; daher auch wohl die anhal-
tende Beweglichkeit der den Amphibien abgeschnit-
tenen Theile, wie z. B. der Schwänze von Was-
sermolchen, Blindschleichen etc.*).

*) Ich habe diesen Gegenstand weiter ausgeführt im
specimen physiologiae comparatae inter animantia ca-
lidi et frigidi sanguinis
; im VIII. B. der Commen-
tation. Soc. reg. scientiar. Göttingens.
§. 88.

Die bey vielen Amphibien so ganz ausneh-
mende Leichtigkeit und Stärke ihrer Reproduc-
tionskraft
(§. 19.), hat, wo ich nicht irre,
in der obgedachten Stärke ihrer Nerven und hin-
gegen respectiven Kleinheit ihres Gehirns (§. 29.)
einen Grund; da folglich die erstern von letzterem
minder abhängig sind; und überhaupt die ganze
Maschine zwar schwächere Mobilität, weniger con-
sensus
zeigt, das ganze Leben der Amphibien ein-
facher, und mehr bloß vegetativ scheint, als bey
den warmblütigen Thieren, – aber dagegen die
Glieder mehr mit eigenthümlicher, independenter
Lebenskraft versehen sind. Und da folglich bey
dieser mehr eigenthümlichen Lebenskraft der ein-
zelnen Theile, nicht gleich jeder Stimulus, der
auf Einen Theil, oder auf Ein System wirkt,
sogleich, wir bey den warmblütigen Thieren, an-
dere in Consensus zieht, so erklärt sich auch wohl
überhaupt daher ihr zähes Leben, so daß Frösche,
denen das Herz ausgerissen ist, doch noch umher
hüpfen, und Schildkröten, denen das Gehirn aus
dem Kopfe genommen worden, noch Monathe
lang leben können; daher auch wohl die anhal-
tende Beweglichkeit der den Amphibien abgeschnit-
tenen Theile, wie z. B. der Schwänze von Was-
sermolchen, Blindschleichen ꝛc.*).

*) Ich habe diesen Gegenstand weiter ausgeführt im
specimen physiologiae comparatae inter animantia ca-
lidi et frigidi sanguinis
; im VIII. B. der Commen-
tation. Soc. reg. scientiar. Göttingens.
<TEI>
  <text xml:id="blume_hbnatur_000040">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0228" xml:id="pb224_0001" n="224"/>
          <head rendition="#c">§. 88.</head><lb/>
          <p>Die bey vielen Amphibien so ganz ausneh-<lb/>
mende Leichtigkeit und Stärke ihrer <hi rendition="#g">Reproduc-<lb/>
tionskraft</hi> (§. 19.), hat, wo ich nicht irre,<lb/>
in der obgedachten Stärke ihrer Nerven und hin-<lb/>
gegen respectiven Kleinheit ihres Gehirns (§. 29.)<lb/>
einen Grund; da folglich die erstern von letzterem<lb/>
minder abhängig sind; und überhaupt die ganze<lb/>
Maschine zwar schwächere Mobilität, weniger <hi rendition="#aq">con-<lb/>
sensus</hi> zeigt, das ganze Leben der Amphibien ein-<lb/>
facher, und mehr bloß vegetativ scheint, als bey<lb/>
den warmblütigen Thieren, &#x2013; aber dagegen die<lb/>
Glieder mehr mit eigenthümlicher, independenter<lb/>
Lebenskraft versehen sind. Und da folglich bey<lb/>
dieser mehr eigenthümlichen Lebenskraft der ein-<lb/>
zelnen Theile, nicht gleich jeder Stimulus, der<lb/>
auf <hi rendition="#g">Einen</hi> Theil, oder auf <hi rendition="#g">Ein</hi> System wirkt,<lb/>
sogleich, wir bey den warmblütigen Thieren, an-<lb/>
dere in Consensus zieht, so erklärt sich auch wohl<lb/>
überhaupt daher ihr zähes Leben, so daß Frösche,<lb/>
denen das Herz ausgerissen ist, doch noch umher<lb/>
hüpfen, und Schildkröten, denen das Gehirn aus<lb/>
dem Kopfe genommen worden, noch Monathe<lb/>
lang leben können; daher auch wohl die anhal-<lb/>
tende Beweglichkeit der den Amphibien abgeschnit-<lb/>
tenen Theile, wie z. B. der Schwänze von Was-<lb/>
sermolchen, Blindschleichen &#xA75B;c.<note place="foot" n="*)"><p>Ich habe diesen Gegenstand weiter ausgeführt im<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">specimen physiologiae comparatae inter animantia ca-<lb/>
lidi et frigidi sanguinis</hi></hi>; im VIII. B. der <hi rendition="#aq">Commen-<lb/>
tation. Soc. reg. scientiar. Göttingens.</hi></p></note>.</p>
        </div>
        <div n="2">
</div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[224/0228] §. 88. Die bey vielen Amphibien so ganz ausneh- mende Leichtigkeit und Stärke ihrer Reproduc- tionskraft (§. 19.), hat, wo ich nicht irre, in der obgedachten Stärke ihrer Nerven und hin- gegen respectiven Kleinheit ihres Gehirns (§. 29.) einen Grund; da folglich die erstern von letzterem minder abhängig sind; und überhaupt die ganze Maschine zwar schwächere Mobilität, weniger con- sensus zeigt, das ganze Leben der Amphibien ein- facher, und mehr bloß vegetativ scheint, als bey den warmblütigen Thieren, – aber dagegen die Glieder mehr mit eigenthümlicher, independenter Lebenskraft versehen sind. Und da folglich bey dieser mehr eigenthümlichen Lebenskraft der ein- zelnen Theile, nicht gleich jeder Stimulus, der auf Einen Theil, oder auf Ein System wirkt, sogleich, wir bey den warmblütigen Thieren, an- dere in Consensus zieht, so erklärt sich auch wohl überhaupt daher ihr zähes Leben, so daß Frösche, denen das Herz ausgerissen ist, doch noch umher hüpfen, und Schildkröten, denen das Gehirn aus dem Kopfe genommen worden, noch Monathe lang leben können; daher auch wohl die anhal- tende Beweglichkeit der den Amphibien abgeschnit- tenen Theile, wie z. B. der Schwänze von Was- sermolchen, Blindschleichen ꝛc. *). *) Ich habe diesen Gegenstand weiter ausgeführt im specimen physiologiae comparatae inter animantia ca- lidi et frigidi sanguinis; im VIII. B. der Commen- tation. Soc. reg. scientiar. Göttingens.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2016-07-22T12:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1815/228
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 9. Ausg. Göttingen, 1815, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1815/228>, abgerufen am 21.05.2024.