Die bey vielen Amphibien so ganz ausneh- mende Leichtigkeit und Stärke ihrer Reproduc- tionskraft (§. 19.), hat, wo ich nicht irre, in der obgedachten Stärke ihrer Nerven und hin- gegen respectiven Kleinheit ihres Gehirns (§. 29.) einen Grund; da folglich die erstern von letzterem minder abhängig sind; und überhaupt die ganze Maschine zwar schwächere Mobilität, weniger con- sensus zeigt, das ganze Leben der Amphibien ein- facher, und mehr bloß vegetativ scheint, als bey den warmblütigen Thieren, - aber dagegen die Glieder mehr mit eigenthümlicher, independenter Lebenskraft versehen sind. Und da folglich bey dieser mehr eigenthümlichen Lebenskraft der ein- zelnen Theile, nicht gleich jeder Stimulus, der auf Einen Theil, oder auf Ein System wirkt, sogleich, wir bey den warmblütigen Thieren, an- dere in Consensus zieht, so erklärt sich auch wohl überhaupt daher ihr zähes Leben, so daß Frösche, denen das Herz ausgerissen ist, doch noch umher hüpfen, und Schildkröten, denen das Gehirn aus dem Kopfe genommen worden, noch Monathe lang leben können; daher auch wohl die anhal- tende Beweglichkeit der den Amphibien abgeschnit- tenen Theile, wie z. B. der Schwänze von Was- sermolchen, Blindschleichen etc.*).
*) Ich habe diesen Gegenstand weiter ausgeführt im specimen physiologiae comparatae inter animantia ca- lidi et frigidi sanguinis; im VIII. B. der Commen- tation. Soc. reg. scientiar. Göttingens.
§. 88.
Die bey vielen Amphibien so ganz ausneh- mende Leichtigkeit und Stärke ihrer Reproduc- tionskraft (§. 19.), hat, wo ich nicht irre, in der obgedachten Stärke ihrer Nerven und hin- gegen respectiven Kleinheit ihres Gehirns (§. 29.) einen Grund; da folglich die erstern von letzterem minder abhängig sind; und überhaupt die ganze Maschine zwar schwächere Mobilität, weniger con- sensus zeigt, das ganze Leben der Amphibien ein- facher, und mehr bloß vegetativ scheint, als bey den warmblütigen Thieren, – aber dagegen die Glieder mehr mit eigenthümlicher, independenter Lebenskraft versehen sind. Und da folglich bey dieser mehr eigenthümlichen Lebenskraft der ein- zelnen Theile, nicht gleich jeder Stimulus, der auf Einen Theil, oder auf Ein System wirkt, sogleich, wir bey den warmblütigen Thieren, an- dere in Consensus zieht, so erklärt sich auch wohl überhaupt daher ihr zähes Leben, so daß Frösche, denen das Herz ausgerissen ist, doch noch umher hüpfen, und Schildkröten, denen das Gehirn aus dem Kopfe genommen worden, noch Monathe lang leben können; daher auch wohl die anhal- tende Beweglichkeit der den Amphibien abgeschnit- tenen Theile, wie z. B. der Schwänze von Was- sermolchen, Blindschleichen ꝛc.*).
*) Ich habe diesen Gegenstand weiter ausgeführt im specimen physiologiae comparatae inter animantia ca- lidi et frigidi sanguinis; im VIII. B. der Commen- tation. Soc. reg. scientiar. Göttingens.
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§. 88.
Die bey vielen Amphibien so ganz ausneh-
mende Leichtigkeit und Stärke ihrer Reproduc-
tionskraft (§. 19.), hat, wo ich nicht irre,
in der obgedachten Stärke ihrer Nerven und hin-
gegen respectiven Kleinheit ihres Gehirns (§. 29.)
einen Grund; da folglich die erstern von letzterem
minder abhängig sind; und überhaupt die ganze
Maschine zwar schwächere Mobilität, weniger con-
sensus zeigt, das ganze Leben der Amphibien ein-
facher, und mehr bloß vegetativ scheint, als bey
den warmblütigen Thieren, – aber dagegen die
Glieder mehr mit eigenthümlicher, independenter
Lebenskraft versehen sind. Und da folglich bey
dieser mehr eigenthümlichen Lebenskraft der ein-
zelnen Theile, nicht gleich jeder Stimulus, der
auf Einen Theil, oder auf Ein System wirkt,
sogleich, wir bey den warmblütigen Thieren, an-
dere in Consensus zieht, so erklärt sich auch wohl
überhaupt daher ihr zähes Leben, so daß Frösche,
denen das Herz ausgerissen ist, doch noch umher
hüpfen, und Schildkröten, denen das Gehirn aus
dem Kopfe genommen worden, noch Monathe
lang leben können; daher auch wohl die anhal-
tende Beweglichkeit der den Amphibien abgeschnit-
tenen Theile, wie z. B. der Schwänze von Was-
sermolchen, Blindschleichen ꝛc. *).
*) Ich habe diesen Gegenstand weiter ausgeführt im
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lidi et frigidi sanguinis; im VIII. B. der Commen-
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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 9. Ausg. Göttingen, 1815, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1815/228>, abgerufen am 26.11.2024.
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