Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 9. Aufl. Göttingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 7.

Sich die Entstehung der organisirten Kör-
per zu erklären, hat man, zumahl neuerlich,
die so genannte Evolutions Hypothese be-
quem gefunden, und gemeint, es werde gar
kein Mensch, und kein andres Thier, und
keine Pflanze erzeugt, - sondern sie lägen
alle schon seit der ersten Schöpfung als völlig
präformirte Keime*) bey ihren Aeltern und
Vorfahren längstens vorräthig: die verschie-
denen Generationen steckten, gleichsam wie ein-
gepackte Schachteln, in einander; und wür-
den nur nach und nach, so wie die Reihe an
sie käme, durch die Befruchtung entwickelt
und aus Licht gebracht. - Eine Meinung,
die doch schon sowohl durch den dabey erfor-

*) "Denn" (so sagt Haller, das Haupt der neue-
ren Evolutionisten -) "alle Eingeweide und die
Knochen selbst waren schon im unsichtbaren Keim
vorhero gebaut gegenwärtig, obgleich in einem
fast flüssigen Zustande."
Und das ist doch wenigstens bestimmte Sprache.Wenn hingegen einige Neuere, um die Evolu-
tionshypothese mit der Lehre von der allmählichen
Bildung in vereinbaren, zwar zugeben, daß der
Zeugungsstoff nicht präformirt sey, aber doch mei-
nen, daß er dessen ungeachtet einen Keim ent-
halte, der dennoch was anders sey, als ungeform-
ter Zeugungsstoff etc. so sind das unbestimmte,
leere Ausdrücke. Wenigstens geht mir es dann mit
solchen Quasi-Keimen, wie dem Cicero mit dem
quasi corpus des Gottes der Epicuräer, wovon
er sagt: "corpus quid sit, intelligo: quasi cor-
pus
quid sit, nullo prorsus modo intelligo."
§. 7.

Sich die Entstehung der organisirten Kör-
per zu erklären, hat man, zumahl neuerlich,
die so genannte Evolutions Hypothese be-
quem gefunden, und gemeint, es werde gar
kein Mensch, und kein andres Thier, und
keine Pflanze erzeugt, – sondern sie lägen
alle schon seit der ersten Schöpfung als völlig
präformirte Keime*) bey ihren Aeltern und
Vorfahren längstens vorräthig: die verschie-
denen Generationen steckten, gleichsam wie ein-
gepackte Schachteln, in einander; und wür-
den nur nach und nach, so wie die Reihe an
sie käme, durch die Befruchtung entwickelt
und aus Licht gebracht. – Eine Meinung,
die doch schon sowohl durch den dabey erfor-

*) „Denn“ (so sagt Haller, das Haupt der neue-
ren Evolutionisten –) „alle Eingeweide und die
Knochen selbst waren schon im unsichtbaren Keim
vorhero gebaut gegenwärtig, obgleich in einem
fast flüssigen Zustande.”
Und das ist doch wenigstens bestimmte Sprache.Wenn hingegen einige Neuere, um die Evolu-
tionshypothese mit der Lehre von der allmählichen
Bildung in vereinbaren, zwar zugeben, daß der
Zeugungsstoff nicht präformirt sey, aber doch mei-
nen, daß er dessen ungeachtet einen Keim ent-
halte, der dennoch was anders sey, als ungeform-
ter Zeugungsstoff ꝛc. so sind das unbestimmte,
leere Ausdrücke. Wenigstens geht mir es dann mit
solchen Quasi-Keimen, wie dem Cicero mit dem
quasi corpus des Gottes der Epicuräer, wovon
er sagt: corpus quid sit, intelligo: quasi cor-
pus
quid sit, nullo prorsus modo intelligo.”
<TEI>
  <text xml:id="blume_hbnatur_000031">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0031" xml:id="pb013_0001" n="13"/>
          <head rendition="#c">§. 7.</head><lb/>
          <p>Sich die Entstehung der organisirten Kör-<lb/>
per zu erklären, hat man, zumahl neuerlich,<lb/>
die so genannte Evolutions Hypothese be-<lb/>
quem gefunden, und gemeint, es werde gar<lb/>
kein Mensch, und kein andres Thier, und<lb/>
keine Pflanze erzeugt, &#x2013; sondern sie lägen<lb/>
alle schon seit der ersten Schöpfung als völlig<lb/>
präformirte Keime<note anchored="true" place="foot" n="*)"><p>&#x201E;Denn&#x201C; (so sagt Haller, das Haupt der neue-<lb/>
ren Evolutionisten &#x2013;) <q type="preline">&#x201E;alle Eingeweide und die<lb/>
Knochen selbst waren schon im unsichtbaren Keim<lb/>
vorhero gebaut gegenwärtig, obgleich in einem<lb/>
fast flüssigen Zustande.&#x201D;</q></p><p>Und das ist doch wenigstens bestimmte Sprache.</p><p>Wenn hingegen einige Neuere, um die Evolu-<lb/>
tionshypothese mit der Lehre von der allmählichen<lb/>
Bildung in vereinbaren, zwar zugeben, daß der<lb/>
Zeugungsstoff nicht präformirt sey, aber doch mei-<lb/>
nen, daß er dessen ungeachtet einen Keim ent-<lb/>
halte, der dennoch was anders sey, als ungeform-<lb/>
ter Zeugungsstoff &#xA75B;c. so sind das unbestimmte,<lb/>
leere Ausdrücke. Wenigstens geht mir es dann mit<lb/>
solchen <hi rendition="#aq">Quasi</hi>-Keimen, wie dem Cicero mit dem<lb/><hi rendition="#aq">quasi corpus</hi> des Gottes der Epicuräer, wovon<lb/>
er sagt: <q>&#x201E;<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">corpus quid sit,</hi> intelligo:</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">quasi cor-<lb/>
pus</hi></hi> <hi rendition="#aq">quid sit, nullo prorsus modo intelligo</hi>.&#x201D;</q></p></note> bey ihren Aeltern und<lb/>
Vorfahren längstens vorräthig: die verschie-<lb/>
denen Generationen steckten, gleichsam wie ein-<lb/>
gepackte Schachteln, in einander; und wür-<lb/>
den nur nach und nach, so wie die Reihe an<lb/>
sie käme, durch die Befruchtung entwickelt<lb/>
und aus Licht gebracht. &#x2013; Eine Meinung,<lb/>
die doch schon sowohl durch den dabey erfor-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0031] §. 7. Sich die Entstehung der organisirten Kör- per zu erklären, hat man, zumahl neuerlich, die so genannte Evolutions Hypothese be- quem gefunden, und gemeint, es werde gar kein Mensch, und kein andres Thier, und keine Pflanze erzeugt, – sondern sie lägen alle schon seit der ersten Schöpfung als völlig präformirte Keime *) bey ihren Aeltern und Vorfahren längstens vorräthig: die verschie- denen Generationen steckten, gleichsam wie ein- gepackte Schachteln, in einander; und wür- den nur nach und nach, so wie die Reihe an sie käme, durch die Befruchtung entwickelt und aus Licht gebracht. – Eine Meinung, die doch schon sowohl durch den dabey erfor- *) „Denn“ (so sagt Haller, das Haupt der neue- ren Evolutionisten –) „alle Eingeweide und die Knochen selbst waren schon im unsichtbaren Keim vorhero gebaut gegenwärtig, obgleich in einem fast flüssigen Zustande.” Und das ist doch wenigstens bestimmte Sprache. Wenn hingegen einige Neuere, um die Evolu- tionshypothese mit der Lehre von der allmählichen Bildung in vereinbaren, zwar zugeben, daß der Zeugungsstoff nicht präformirt sey, aber doch mei- nen, daß er dessen ungeachtet einen Keim ent- halte, der dennoch was anders sey, als ungeform- ter Zeugungsstoff ꝛc. so sind das unbestimmte, leere Ausdrücke. Wenigstens geht mir es dann mit solchen Quasi-Keimen, wie dem Cicero mit dem quasi corpus des Gottes der Epicuräer, wovon er sagt: „corpus quid sit, intelligo: quasi cor- pus quid sit, nullo prorsus modo intelligo.”

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1814/31
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. 9. Aufl. Göttingen, 1814, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1814/31>, abgerufen am 25.04.2024.