die Utaheiten ihre feinsten Zeuge daraus verfer- tigen, und wenn man in ganz Ostindien aus der Cocusnuß-Schaale Stricke dreht. Wenn der Blitz in sandichten Boden schlägt, schmilzt er oft den Sand zu Glas, wie wir selbst derglei- chen milchweiße Glaßtropfen vor uns liegend haben: und ähnliche Glaßstückchen zeigen sich auch gemeiniglich in den Laven der feuerspeyen- den Berge. Beyderley gehören zu den Natu- ralien, da sie zufälligerweise von himmli- schem und unterirdischem Feuer gezeugt worden: Da hingegen das Glas, was der Mensch aus ähnlichen Ingredienzen verfertigt, blos deswe- gen, weil es seiner Hände Werk ist, Artefakt heist. Die Holzzasern, die die Wespen zu ihrem Nesterbau verarbeiten, werden auch selbst in die- ser Gestalt, nach einer sehr wesentlichen Verän- derung mit zu den Naturalien gezählt: da hinge- gen die Papier-Proben, die man auf ähnliche Weise in neuern Zeiten aus Holzspänen verfertigt hat, ohne Widerrede Artefakten heisen. Diese Ver- schiedenheit zwischen so verwandten Produkten, reducirt sich blos darauf, daß das eine durch Wespen, das andere durch Menschen- hände verfertigt worden. So faßlich indeß diese Hintheilung aller Körper scheint, so wenig hält sie doch eine strengere Analyse aus. Es lassen sich eben so wenig absolute Grenzen zwi- schen Natur und Kunst bestimmen, als irgend eine Logik des Erdbodens das relative in den
die Utaheiten ihre feinsten Zeuge daraus verfer- tigen, und wenn man in ganz Ostindien aus der Cocusnuß-Schaale Stricke dreht. Wenn der Blitz in sandichten Boden schlägt, schmilzt er oft den Sand zu Glas, wie wir selbst derglei- chen milchweiße Glaßtropfen vor uns liegend haben: und ähnliche Glaßstückchen zeigen sich auch gemeiniglich in den Laven der feuerspeyen- den Berge. Beyderley gehören zu den Natu- ralien, da sie zufälligerweise von himmli- schem und unterirdischem Feuer gezeugt worden: Da hingegen das Glas, was der Mensch aus ähnlichen Ingredienzen verfertigt, blos deswe- gen, weil es seiner Hände Werk ist, Artefakt heist. Die Holzzasern, die die Wespen zu ihrem Nesterbau verarbeiten, werden auch selbst in die- ser Gestalt, nach einer sehr wesentlichen Verän- derung mit zu den Naturalien gezählt: da hinge- gen die Papier-Proben, die man auf ähnliche Weise in neuern Zeiten aus Holzspänen verfertigt hat, ohne Widerrede Artefakten heisen. Diese Ver- schiedenheit zwischen so verwandten Produkten, reducirt sich blos darauf, daß das eine durch Wespen, das andere durch Menschen- hände verfertigt worden. So faßlich indeß diese Hintheilung aller Körper scheint, so wenig hält sie doch eine strengere Analyse aus. Es lassen sich eben so wenig absolute Grenzen zwi- schen Natur und Kunst bestimmen, als irgend eine Logik des Erdbodens das relative in den
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die Utaheiten ihre feinsten Zeuge daraus verfer-
tigen, und wenn man in ganz Ostindien aus der
Cocusnuß-Schaale Stricke dreht. Wenn der
Blitz in sandichten Boden schlägt, schmilzt er
oft den Sand zu Glas, wie wir selbst derglei-
chen milchweiße Glaßtropfen vor uns liegend
haben: und ähnliche Glaßstückchen zeigen sich
auch gemeiniglich in den Laven der feuerspeyen-
den Berge. Beyderley gehören zu den Natu-
ralien, da sie zufälligerweise von himmli-
schem und unterirdischem Feuer gezeugt worden:
Da hingegen das Glas, was der Mensch aus
ähnlichen Ingredienzen verfertigt, blos deswe-
gen, weil es seiner Hände Werk ist, Artefakt
heist. Die Holzzasern, die die Wespen zu ihrem
Nesterbau verarbeiten, werden auch selbst in die-
ser Gestalt, nach einer sehr wesentlichen Verän-
derung mit zu den Naturalien gezählt: da hinge-
gen die Papier-Proben, die man auf ähnliche Weise
in neuern Zeiten aus Holzspänen verfertigt hat,
ohne Widerrede Artefakten heisen. Diese Ver-
schiedenheit zwischen so verwandten Produkten,
reducirt sich blos darauf, daß das eine durch
Wespen, das andere durch Menschen-
hände verfertigt worden. So faßlich indeß
diese Hintheilung aller Körper scheint, so wenig
hält sie doch eine strengere Analyse aus. Es
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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 1. Göttingen, 1779, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1779/25>, abgerufen am 21.11.2024.
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