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Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

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"Der Kopf des Menschen ruht und bewegt sich
am bequemsten bey der aufrechten Stellung des
Leibes. Man stelle den Menschen auf vier Füße:
dann hängt augenscheinlich der Kopf, seiner Schwe-
re überlassen, gegen die Erde, da er hingegen jetzt,
wenigstens dem größten Theil nach, unterstützt ist.
Da aber das kleine Gehirn und überhaupt die größ-
te Masse des Gehirns in dem Hinterkopfe liegt,
und die vordern Theile des Kopfes, als die Nase
und das Innere des Mundes zum Theil hohl sind,
so überwiegt der Hinterkopf augenscheinlich den
vordern, und es ist unläugbar, daß durch die jez-
zige Stellung des großen Lochs (foramen magnum
occipitale
) die Unterstützung des Kopf so vortreflich
eingerichtet ist, als es nur seyn könnte. Ferner
gebe man auf die Einrichtung der Halswirbel acht;
sind diese nicht flach, ohne in einandergreifende
Fortsätze, wie bey den Thieren, selbst bey den
meisten Affen 1)? Gerade so waren sie auch nur
nöthig, wenn der Kopf senkrecht auf ihnen ruhen,
und dabey frey alle nöthige Bewegung vornehmen
sollte. Mit Recht bewundert Eustach, der scharf-
sinnigste Anatom seiner Zeit, diesen herrlichen Bau,
wo die Natur, wie er sagt, die stärksten Knochen
durch sehr schwache so vortreflich zu stützen gewußt
hat, daß sie dem Kopfe hinreichende Sicherheit
verschaften, ohne ihm irgend eine nöthige Bewe-
gung fehlen zu lassen 2). Und wie konnte es dem
Moskati einfallen, diese Lage des Kopfs für unsi-
cher, oder nicht gehörig unterstützt zu halten 3)?
Hat doch der Mensch nicht einmal das sogenannte
Haarwachs, ein weisses, starkes, tendinöses Li-

„Der Kopf des Menschen ruht und bewegt sich
am bequemsten bey der aufrechten Stellung des
Leibes. Man stelle den Menschen auf vier Füße:
dann hängt augenscheinlich der Kopf, seiner Schwe-
re überlassen, gegen die Erde, da er hingegen jetzt,
wenigstens dem größten Theil nach, unterstützt ist.
Da aber das kleine Gehirn und überhaupt die größ-
te Masse des Gehirns in dem Hinterkopfe liegt,
und die vordern Theile des Kopfes, als die Nase
und das Innere des Mundes zum Theil hohl sind,
so überwiegt der Hinterkopf augenscheinlich den
vordern, und es ist unläugbar, daß durch die jez-
zige Stellung des großen Lochs (foramen magnum
occipitale
) die Unterstützung des Kopf so vortreflich
eingerichtet ist, als es nur seyn könnte. Ferner
gebe man auf die Einrichtung der Halswirbel acht;
sind diese nicht flach, ohne in einandergreifende
Fortsätze, wie bey den Thieren, selbst bey den
meisten Affen 1)? Gerade so waren sie auch nur
nöthig, wenn der Kopf senkrecht auf ihnen ruhen,
und dabey frey alle nöthige Bewegung vornehmen
sollte. Mit Recht bewundert Eustach, der scharf-
sinnigste Anatom seiner Zeit, diesen herrlichen Bau,
wo die Natur, wie er sagt, die stärksten Knochen
durch sehr schwache so vortreflich zu stützen gewußt
hat, daß sie dem Kopfe hinreichende Sicherheit
verschaften, ohne ihm irgend eine nöthige Bewe-
gung fehlen zu lassen 2). Und wie konnte es dem
Moskati einfallen, diese Lage des Kopfs für unsi-
cher, oder nicht gehörig unterstützt zu halten 3)?
Hat doch der Mensch nicht einmal das sogenannte
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[231/0265] „Der Kopf des Menschen ruht und bewegt sich am bequemsten bey der aufrechten Stellung des Leibes. Man stelle den Menschen auf vier Füße: dann hängt augenscheinlich der Kopf, seiner Schwe- re überlassen, gegen die Erde, da er hingegen jetzt, wenigstens dem größten Theil nach, unterstützt ist. Da aber das kleine Gehirn und überhaupt die größ- te Masse des Gehirns in dem Hinterkopfe liegt, und die vordern Theile des Kopfes, als die Nase und das Innere des Mundes zum Theil hohl sind, so überwiegt der Hinterkopf augenscheinlich den vordern, und es ist unläugbar, daß durch die jez- zige Stellung des großen Lochs (foramen magnum occipitale) die Unterstützung des Kopf so vortreflich eingerichtet ist, als es nur seyn könnte. Ferner gebe man auf die Einrichtung der Halswirbel acht; sind diese nicht flach, ohne in einandergreifende Fortsätze, wie bey den Thieren, selbst bey den meisten Affen 1)? Gerade so waren sie auch nur nöthig, wenn der Kopf senkrecht auf ihnen ruhen, und dabey frey alle nöthige Bewegung vornehmen sollte. Mit Recht bewundert Eustach, der scharf- sinnigste Anatom seiner Zeit, diesen herrlichen Bau, wo die Natur, wie er sagt, die stärksten Knochen durch sehr schwache so vortreflich zu stützen gewußt hat, daß sie dem Kopfe hinreichende Sicherheit verschaften, ohne ihm irgend eine nöthige Bewe- gung fehlen zu lassen 2). Und wie konnte es dem Moskati einfallen, diese Lage des Kopfs für unsi- cher, oder nicht gehörig unterstützt zu halten 3)? Hat doch der Mensch nicht einmal das sogenannte Haarwachs, ein weisses, starkes, tendinöses Li-

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht2_1798/265>, abgerufen am 25.11.2024.