Ueber das Elend der Verdammten hab' ich immer mit Mißvergnügen nach- gedacht. Ist es nicht traurig, dass es ver- nünftige Wesen giebt, die eine ewige Ent- fernung von Gott fürchten, und doch alle nur mögliche Wege einschlagen sie sich selbst unvermeidlich zu machen? Eine ein- zige kleine Hoffnung, dass sie die bevor- stehende Gefahr immer noch zeitig genug bemerken werden, um derselben entgehen zu können, erhält sie in einer sonst unbe- greifflichen Sorglosigkeit. Aber wie trüg- lich ist diese Hoffnung! Mit ihr glaubt auch der Anbauer eines Vulkans, dass er sich, durch mancherley Zeichen gewarnt, seinem Verderben entziehn werde; aber tausende hat doch schon der Feuerstrom ergriffen, oder der tödtende Dampf er- stickt, oder die schwankende Erde ver- schüttet. --
Ueber das Elend der Verdammten hab’ ich immer mit Mißvergnügen nach- gedacht. Iſt es nicht traurig, daſs es ver- nünftige Weſen giebt, die eine ewige Ent- fernung von Gott fürchten, und doch alle nur mögliche Wege einſchlagen ſie ſich ſelbſt unvermeidlich zu machen? Eine ein- zige kleine Hoffnung, daſs ſie die bevor- ſtehende Gefahr immer noch zeitig genug bemerken werden, um derſelben entgehen zu können, erhält ſie in einer ſonſt unbe- greifflichen Sorgloſigkeit. Aber wie trüg- lich iſt dieſe Hoffnung! Mit ihr glaubt auch der Anbauer eines Vulkans, daſs er ſich, durch mancherley Zeichen gewarnt, ſeinem Verderben entziehn werde; aber tauſende hat doch ſchon der Feuerſtrom ergriffen, oder der tödtende Dampf er- ſtickt, oder die ſchwankende Erde ver- ſchüttet. —
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Ueber das Elend der Verdammten
hab’ ich immer mit Mißvergnügen nach-
gedacht. Iſt es nicht traurig, daſs es ver-
nünftige Weſen giebt, die eine ewige Ent-
fernung von Gott fürchten, und doch alle
nur mögliche Wege einſchlagen ſie ſich
ſelbſt unvermeidlich zu machen? Eine ein-
zige kleine Hoffnung, daſs ſie die bevor-
ſtehende Gefahr immer noch zeitig genug
bemerken werden, um derſelben entgehen
zu können, erhält ſie in einer ſonſt unbe-
greifflichen Sorgloſigkeit. Aber wie trüg-
lich iſt dieſe Hoffnung! Mit ihr glaubt
auch der Anbauer eines Vulkans, daſs er
ſich, durch mancherley Zeichen gewarnt,
ſeinem Verderben entziehn werde; aber
tauſende hat doch ſchon der Feuerſtrom
ergriffen, oder der tödtende Dampf er-
ſtickt, oder die ſchwankende Erde ver-
ſchüttet. —
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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775/148>, abgerufen am 02.05.2024.
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